# taz.de -- Präsidentschaftswahlen in den USA: Erst Euphorie, jetzt Panik
       
       > Nicht einmal zwei Wochen vor der US-Wahl liegen Kamala Harris und Donald
       > Trump wieder gleichauf. Harris' leichter Vorsprung ist futsch – und auf
       > demokratischer Seite wächst die Unruhe.
       
 (IMG) Bild: Stagnation nach der großen Aufholjagd: Die demokratische Kandidatin Kamala Harris
       
       Berlin taz | Weniger als zwei Wochen vor dem Tag der US-Wahlen ist das
       Rennen um die Präsidentschaft vollkommen offen. In allen sieben
       wahlentscheidenden Swing States liegen die demokratische Kandidatin,
       Vizepräsidentin Kamala Harris, und ihr republikanischer Konkurrent,
       Ex-Präsident Donald Trump, [1][in den Umfragen praktisch gleichauf].
       Vorsprünge für die eine oder die andere Seite bewegen sich im Bereich der
       statistischen Fehlertoleranz und schwanken je nach Tag und Umfrageinstitut.
       
       Nachdem US-Präsident [2][Joe Biden am 21. Juli seinen Rückzug verkündet
       hatte] und die Demokrat*innen sich schnell und relativ geräuschlos
       [3][auf Kamala Harris als neue Spitzenfrau geeinigt] hatten, begann
       zunächst ein rasanter Aufstieg.
       
       Der war auch bitter nötig, um überhaupt konkurrenzfähig zu sein. Denn schon
       seit Herbst 2023 hatte Trump – damals noch nicht einmal offizieller
       republikanischer Kandidat – in allen Umfragen in den Swing States konstant
       mit 4 bis 8 Prozentpunkten vor Joe Biden gelegen.
       
       Die [4][rasch und entscheidend von Trump gewonnenen republikanischen
       Vorwahlen], die ihn schon im Februar als Kandidaten bestätigten,
       verstärkten das Momentum für den Ex-Präsidenten. [5][Die TV-Debatte
       zwischen Biden und Trump], ausdrücklich vom Biden-Lager noch vor die
       Nominierungsparteitage terminiert, brachte dann das Aus für den
       81-Jährigen, auch wenn es noch quälende drei Wochen brauchte, bis er das
       auch einsah.
       
       ## Seit Anfang Oktober kehrt sich der Trend um
       
       Seitdem schien Euphorie bei den Demokrat*innen zu herrschen. Harris
       brachte wenige inhaltliche Klarheit und noch weniger Neuigkeiten, aber viel
       neuen Schwung in den Wahlkampf. Allein die Erleichterung darüber, nunmehr
       eine Spitzenkandidatin zu haben, die nicht mitten im Satz vergisst, worüber
       sie gerade gesprochen hat und die dynamisch und unfallfrei Treppen hinauf-
       und hinuntersteigen kann, setzte auf demokratischer Seite ungeahnte
       Energien frei.
       
       Das wurde zunächst auch von steigenden Umfragewerten begleitet. Die Auswahl
       von [6][Minnesotas Gouverneur Tim Walz] als Vizekandidaten, die gelungene
       Show des [7][demokratischen Nominierungsparteitags], schließlich die
       [8][ganz andere TV-Debatte] gegen Donald Trump, die Harris klar für sich
       entscheiden konnte: Mitte September lag Harris plötzlich in allen Umfragen
       vorn, national und in den Swing States.
       
       Seitdem aber geht nichts mehr voran – und seit Anfang Oktober vieles
       rückwärts, wenn auch nicht in die Aussichtslosigkeit der Biden-Kandidatur.
       Aber gerade in diesen Tagen, an denen in allen sieben Swing States die
       Möglichkeit der frühen Stimmabgabe eröffnet ist und die Kampagnen
       eigentlich nur noch darauf aus sind, ihre potenziellen Wähler*innen
       tatsächlich zum Urnengang zu bringen, sorgt der leichte Abwärtstrend für
       Panik auf demokratischer Seite.
       
       Und in manchen Meinungssektionen US-amerikanischer Medien wird schon nach
       Gründen und Schuldigen geforstet, sollte am 20. Januar 2025 Donald Trump
       wieder ins Weiße Haus einziehen.
       
       ## Trump triggert die Demokraten
       
       Der seinerseits macht fortlaufend, was er am besten und zuverlässigsten
       kann: Er produziert Schlagzeilen. Mal zeigt er erratisches, leicht in den
       Irrsinn abgleitendes Verhalten – etwa am vergangenen Wochenende [9][in
       Latrobe, Pennsylvania], als er zehn Minuten lang über den Golfer Arnold
       Palmer erzählte, der ein besonders großes Genital gehabt habe.
       
       Oder fünf Tage zuvor in Oaks, ebenfalls Pennsylvania, als er ein Town Hall
       Meeting, also ein Format, in dem das Publikum Fragen stellen kann,
       frühzeitig mit den Worten „Fragen! Wer will schon Fragen?“ abbrach [10][und
       stattdessen Musik spielen ließ], zu der er auf der Bühne unter den
       ungläubigen Blicken der versammelten republikanischen Entourage eine halbe
       Stunde lang hin- und herwippte.
       
       Oder er erzürnt mit krassen Lügen wie der, dass illegale Migranten
       [11][Hilfsgelder für von Hurrikan „Helene“ betroffene Geschädigte
       abgezogen] hätten.
       
       Oder er schlägt Maßnahmen vor, die alle Warnungen, Trump sei eine Bedrohung
       für die Demokratie, geradezu verharmlosend wirken lassen. Etwa, wenn er
       sagt, [12][gegen „linksradikale Verrückte“ müsse wenn nötig das Militär
       eingesetzt werden], etwa gegen die frühere Sprecherin des
       Repräsentantenhauses Nancy Pelosi oder den langjährigen demokratischen
       Abgeordneten Adam Schiff. Schiff war als Vorsitzender des
       Geheimdienstausschusses maßgeblich an den Ermittlungen für das erste
       Amtsenthebungsverfahren gegen Trump beteiligt gewesen.
       
       All das triggert – und so fokussiert sich ein Großteil des demokratischen
       Wahlkampfes wieder darauf, vor Trump zu warnen, statt eigene Vorschläge zu
       pushen.
       
       Letzteres fällt Harris bis heute schwer, und das ist nachvollziehbar: Denn
       inhaltlich hat sie kaum etwas anzubieten, was nicht als Fortsetzung der
       nicht einmal erfolglosen, aber sehr unpopulären Biden-Politik gedeutet
       werden könnte. Im [13][Interview mit dem konservativen Sender Fox News]
       betonte sie vor wenigen Tagen, ihre Präsidentschaft wäre keine Fortsetzung
       der Biden-Jahre – aber viel mehr, als dass sie eben nicht Joe Biden sei,
       fiel ihr zur Begründung auch nicht ein.
       
       Eine weitere Chance, im direkten Vergleich zu punkten, bekommt Harris nicht
       – aus für ihn guten Gründen lehnt Trump eine weitere TV-Debatte ab. Es
       liegt jetzt an Harris allein, in den letzten Tagen noch den Weg zu finden,
       um die letzten entscheidenden paar Zehntausend Wähler*innen von sich zu
       überzeugen.
       
       23 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.realclearpolling.com/elections/president/2024/battleground-states
 (DIR) [2] /US-Wahl-2024/!6024862
 (DIR) [3] /Kamala-Harris/!6022549
 (DIR) [4] /Vorwahlen-in-den-USA/!5996765
 (DIR) [5] /US-Praesidentschaftswahlkampf/!6017648
 (DIR) [6] /Harris-Vizekandidat-Tim-Walz/!6028717
 (DIR) [7] /Parteitag-der-US-Demokraten/!6029410
 (DIR) [8] /TV-Debatte-im-US-Wahlkampf/!6036244
 (DIR) [9] https://www.youtube.com/watch?v=diw3aKjDJKg
 (DIR) [10] https://www.youtube.com/watch?v=AtUdKdOBMx0
 (DIR) [11] https://www.youtube.com/watch?v=rsnrz0uCiTw
 (DIR) [12] https://www.youtube.com/watch?v=BfSAOPPSYC8
 (DIR) [13] https://www.youtube.com/watch?v=80DaR2CVNNk
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
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