# taz.de -- Netzwerkveranstaltung der Pornoindustrie: Fetisch-Party ohne die EU
       
       > Erstmals sollte ein EU-Vertreter offiziell mit der Pornoindustrie
       > sprechen. Seine Absage verstärkt ihr Gefühl mangelnden Respekts seitens
       > der Politik.
       
 (IMG) Bild: Wird die Industrie von politischen Entscheidungsträger weiterhin respektlos behandelt, wehrt sie sich mit Latex-Peitschen
       
       Berlin taz | Es ist eine Business-to-Business-Veranstaltung der unüblichen
       Sorte: Zwischen Zimtschnecken und Pizzen fliegen Sticker mit BDSM-Motiven,
       Menschen mit Augenbinden, Lederbällen im Mund und Peitschen in der Hand
       herum. „Würg mich!“, oder „Yes, Mistress!“ steht darauf. Kronleuchter und
       eine Discokugel schmücken den Raum, an dem sich am Dienstagmittag rund 80
       Menschen versammeln.
       
       Es ist die Adult Industry Only (AIO), die Netzwerkveranstaltung für die
       Pornoindustrie, die in der Forum Factory in Kreuzberg diese Szenerie
       bietet. Zwei Tage lang werden hier Workshops und Panels zu ethischen
       Standards, Produktion und politischen Themen angeboten. Die Veranstaltung
       findet im Rahmen des [1][Pornfilmfestival Berlin (PFFB)] statt, das seit
       2006 jährlich Filme rund um die Themen Sexualität, Politik,
       Genderdiversität, Post-Porn und Body Politics präsentiert. Vom 21. bis 27.
       Oktober werden diese in den Kinos Moviemento und Babylon Kreuzberg
       ausgestrahlt.
       
       Der Titel des Panels, mit dem die AIO eröffnet wird, lautet: „Die Zukunft
       des Erwachsenensektors: [2][neues Recht, neue Technik], neue Stimmen“. Doch
       eines fehlt: die neue Stimme – Prabhat Agarwal, Leiter des Teams der
       Europäischen Kommission für Online-Plattform-Regulierung. Dieser sagte
       kurzfristig ab. Es sei etwas dazwischengekommen.
       
       „Ich bin zwar enttäuscht“, sagt Paulita Pappel, die Moderatorin des Panels
       und Programmkoordinatorin des PFFB, dazu. Überrascht sei sie jedoch nicht.
       „Es ist nicht das erste Mal, dass politische
       Entscheidungsträger*innen eine Gelegenheit ablehnen, mit der
       Industrie zu sprechen“, kritisiert Pappel. Noch nie ist ein Abgesandter der
       Europäischen Kommission offiziell zu einer Veranstaltung innerhalb der
       Porno-Industrie gekommen.
       
       ## Offener Brief gegen die Teilnahme des EU-Abgesandten
       
       Zuvor hatte eine Frauenrechtsorganisation in einem offenen Brief deutlich
       gemacht, dass sie das Engagement der EU-Kommission für eine Industrie
       ablehne, „die grundlegend in der Kommerzialisierung und Objektivierung von
       Frauen und Mädchen verwurzelt ist“. Die Porno-Streamingplattformen Pornhub,
       Stripchat und XVideos würden weiterhin gegen das europäische Gesetz über
       digitale Dienste (DSA) verstoßen, indem sie systematisch illegale Inhalte
       verbreiten, heißt es in dem Brief.
       
       Im Dezember 2023 wurden die drei Porno-Streamingplattformen mit mehr als 45
       Millionen EU-Nutzer*innen pro Monat als sehr große Online-Plattformen
       eingestuft. Damit unterliegen sie laut DSA zusätzlichen Pflichten, wie dem
       stärkeren Schutz Minderjähriger, der sorgfältigeren Moderation von Inhalten
       sowie mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht.
       
       Gegen den offenen Brief regt sich am Dienstag Widerstand: „In der Industrie
       gibt es viele Probleme, wie Frauenfeindlichkeit und Vergewaltigungskultur,
       die dringend bekämpft werden müssen“, sagt der Rechtsanwalt Alessandro
       Polidoro. Aber die Anti-Porno-Lobby lebe davon, alle in der Industrie über
       einen Kamm zu scheren. Dabei gebe es extreme Unterschiede und
       Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Branche. „Es gibt eine alte Garde,
       die den Fortschritt der Industrie behindert“, erklärt Polidoro. [3][Aus der
       Schublade, in die sie in der öffentlichen Wahrnehmung mit diesen zusammen
       gesteckt würde, müsse sich die Branche befreien]. „Dazu müssen wir uns um
       Rechenschaftspflicht und Verantwortung bemühen.“ Der DSA biete der
       Industrie dafür einen Raum.
       
       „Die neue Stimme hätte heute die EU sein sollen“, sagt Polidoro. „Aber da
       sie fehlt, müssen wir unsere eigene Stimme erheben.“ Die Branche müsse
       geschlossen auftreten, besonders bei der Forderung nach Legalität. Eine
       ebenso starke Lobby wie die Anti-Porno-Bewegung sei notwendig. „Wir wollen
       mehr Einfluss“, fasst Polidoro zusammen. „Lasst uns diesen nutzen – aber
       richtig.“
       
       22 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
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