# taz.de -- Kinotipp der Woche: The Season of the Witch
       
       > Die Woche der B-Movies beginnt: Das Obscura Filmfestival steht im Zeichen
       > von Filmen, die als Trash gelten. Dieses Jahr regieren die Hexen.
       
 (IMG) Bild: Es ist Hexensabbat: Szene aus „Morena“ (Regie: Serhii Aloshechkin, UKR 2024)
       
       Beim Obscura Filmfestival, das vom 25. bis zum 27. Oktober im Zoo Palast
       über die Bühne geht, gibt es einen Ehrenkodex. Gezeigt wird gemäß diesem
       ausschließlich das, bei dem Cineasten im Allgemeinen die Nase rümpfen. Was
       auch nur entfernt an Arthouse erinnert, bekommt hier keinen Fuß in die
       Türe, so der eigene Anspruch. Gezeigt wird nur Genre, also Action, Horror
       und Fantasy, je schundiger, desto besser.
       
       Wer selbst das Fantasy Filmfest inzwischen für zu snobistisch in seiner
       Filmauswahl hält, für den ist Obscura also genau das Richtige. Allein die
       Titel einiger der Filme, die gezeigt werden, machen bereits deutlich, wo es
       langgeht: „Demon Hunter 2“, „The Witch. Revenge“, „Kitty the Killer“. Wer
       denkt, so betitelt man ja wohl nur weitgehend geschmacklose B-Movies, liegt
       genau richtig. Und Obscura ist absolut stolz darauf, ausschließlich in den
       untersten Schubladen der internationalen Filmproduktion zu stöbern.
       
       Aber wie das oft so ist bei Filmen, an denen wirklich gar nichts
       Oscar-verdächtig ist, können sie einen in den besseren Fällen dennoch
       wenigstens gut unterhalten und auf irgendeiner Metaebene sogar zum
       Nachdenken anregen. So beispielsweise der ukrainische Hexenhorrorfilm „The
       Witch. Revenge“ (2024) von Andriy Kolesnik. Bei dem heißt es im Vorspann:
       Warnung! Jetzt komme ein Film, in dem Bilder von echt leidenden Besatzern
       zu sehen seien. Und gleich danach heißt es: Viel Spaß dabei! Bei
       Aufführungen des Films in der Ukraine dürfte das Gejohle seitens des
       Publikums tatsächlich enorm sein, wenn ein marodierender russischer Soldat
       nach dem anderen verbrennt oder in die Luft gesprengt wird.
       
       Natürlich ist „The Witch. Revenge“ ein primitiver Rachefilm. Aber in der
       Logik eines brutalen Kriegs lassen sich Invasoren eben auch nicht durch
       gutes Zureden vertreiben, sondern sie müssen eliminiert werden. In
       Kolesniks Film übernehmen den Job jedoch einmal nicht die heldenhaften
       ukrainischen Soldaten, sondern Frauen, was ihm eine durchaus feministische
       Note verleiht. Mit ein paar Hexenritualen mischen sie die russischen
       Soldaten gehörig auf, im Kampf gegen den Aggressor ist ebenso ziemlich
       jedes Mittel recht.
       
       Dass es sich dabei auch um einen patriotisch überhöhten Durchhaltefilm
       handelt, muss man als Betrachter vielleicht aushalten. Die Message am Ende
       ist jedenfalls klar: Die Barbaren müssen zurückgeschlagen werden, damit die
       Ukraine eine Zukunft hat. Sahra Wagenknecht sollte ihn sich unbedingt
       ansehen.
       
       Auch der ukrainische Film „Morena“ (2024) ist ein Hexenfilm, das Genre
       scheint in dem von Russland bedrohten Land gerade im Trend zu liegen. Aber
       Serhii Aloshechkins Machwerk ist weit weniger politisch als „The Witch.
       Revenge“ und widmet sich der Hexenthematik auf konventionellere Art und
       Weise. Die Hexe ist hier nicht die Heldin mit Superkräften, sondern wie
       gehabt die böse Verführerin, die vor allem denen Unheil bringt, die es
       eigentlich nicht verdient haben.
       
       Aber obwohl der Film letztlich nur ein Horrorklischee an das andere reiht,
       macht er wenigstens das ganz gut. Und hat am Ende doch auch eine
       emanzipatorische Botschaft. Die fliegenden Hexen, die sexy Hexen, die
       hässlichen Hexen – es gibt hier die Hexe in jeder nur erdenklichen
       Variante. Und ja, sie ist immer eine fiese Kreatur. Aber noch schlimmer als
       die Hexe sind am Ende die männerbündlerische Obrigkeit und die Polizei. Und
       damit hätte selbst dieser Film eine patriarchatskritische Note, über die
       sich grübeln lässt.
       
       23 Oct 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Hartmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Hexen
 (DIR) Kino Berlin
 (DIR) B-Movie
 (DIR) taz Plan
 (DIR) Filmfestival
 (DIR) Filmkritik
 (DIR) Französischer Film
 (DIR) Kinogeschichte
 (DIR) taz Plan
 (DIR) Filmreihe
 (DIR) Schwarz-rote Koalition in Berlin 
 (DIR) taz Plan
 (DIR) US-Wahl 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kinotipp der Woche: Surreal durch die Welt
       
       Die 24. Französische Filmwoche bewegt sich quer über Kontinente und findet
       zu ungewohnten, sensiblen und absurden Bildern. In diversen Berliner Kinos.
       
 (DIR) Kinoempfehlungen für Berlin: Erst cool, bald verzweifelt
       
       Die Kinemathek widmet ihrem Gründer Gerhard Lamprecht eine Filmreihe, das
       Cinema Paris zeigt den großartigen Klassiker „Fahrstuhl zum Schafott“.
       
 (DIR) Kinoempfehlungen für Berlin: Die frühen Meister des Kinos
       
       Hito Steyerl stellt zwei Pasolini-Filme vor und auch im Filmkunst 66 gibt
       es Klassiker. Das Filmmuseum Potsdam widmet sich der Lichtverschmutzung.
       
 (DIR) Kinoempfehlungen für Berlin: Die Bewahrung bewegter Bilder
       
       Die Deutsche Kinemathek feiert das letzte Filmerbe-Festival vor dem Umzug,
       das Filmmuseum Potsdam begeht den ersten Welttag des audiovisuellen Erbes.
       
 (DIR) Kürzungen im Kulturetat: Neuanfang oder Endstation
       
       Der Senat will sparen und Berlins Kulturszene fürchtet um ihre Existenz.
       Besonders hart trifft es kleine Einrichtungen – wie das Museum der Dinge.
       
 (DIR) Kinotipp der Woche: Neue Einstellung
       
       Das Arsenal widmet sich mit den 60er Jahren einer experimentierfreudigen
       Phase des japanischen Kinos, in der auch das Samurai-Genre neu erzählt
       wurde.
       
 (DIR) Casey Spooner for President: Die Alternative
       
       Hätte eine queere Person Chancen, US-Präsident zu werden? Beim
       Kunstfestival „Hallen 05“ wiederholt Casey Spooner seine Bewerbung aus dem
       Jahr 2020.