# taz.de -- Regierungsbildung in Österreich: Van der Bellen sucht Klarheit
       
       > Österreichs Bundespräsident steckt im Dilemma: Die Regierungsbildung
       > stockt, eine mögliche FPÖ-Kanzlerschaft sorgt für enorme Spannungen.
       
 (IMG) Bild: Unter Druck: Alexander von der Bellen beendet die Pressekonferenz in Wien
       
       Wien taz | „Pfoah, das wird fad“, hieß es noch in einer Kurier-Karikatur
       zum Amtsantritt des österreichischen Bundespräsidenten im Jahr 2017. Darin
       blickt Alexander Van der Bellen, bekannt für seine besonnene Art,
       gelangweilt aus dem Fenster der Wiener Hofburg. Das Bundespräsidentenamt
       ist üblicherweise nicht sonderlich aufregend.
       
       Dann aber, 2019, platzte die Regierung infolge des Ibiza-Skandals. Es
       folgten: [1][Misstrauensantrag gegen Sebastian Kurz], Übergangsregierung,
       Neuwahlen. Dann die knapp gewonnene Wiederwahl Van der Bellens und die
       Pandemie, in der er nach Kräften versuchte, das Land zusammenzuhalten. Und
       nun betritt der höchste Mann im Staat, mittlerweile 80 Jahre alt, abermals
       Neuland.
       
       „Die Lage ist diesmal alles andere als üblich“, sagte Van der Bellen am
       Mittwoch, [2][anderthalb Wochen nach den Nationalratswahlen], die mit dem
       Sieg der rechtsradikalen FPÖ ein politisches Beben auslösten. Üblich wäre,
       dass der Präsident die erstplatzierte Partei mit der Regierungsbildung
       beauftragt. „Vollkommen neu“ sei es jedoch, „dass es einen Wahlsieger gibt,
       mit dem offenbar keine der anderen Parteien regieren will.“
       
       Tatsächlich hatten Sozialdemokraten (SPÖ), die liberalen Neos und Grüne
       jede Zusammenarbeit mit der FPÖ seit Langem ausgeschlossen. Einzig die ÖVP
       legte sich nicht derart fest, verwehrte sich bloß gegen ihren Vorsitzenden
       Herbert Kickl. Der aber sitzt innerparteilich fest im Sattel. Auch betonte
       er erneut, dass es eine Regierungsbeteiligung der FPÖ nur unter seiner
       Kanzlerschaft geben werde.
       
       ## Meinen es alle Parteien ernst?
       
       „Eine klassische Pattsituation“ nannte es nun Präsident Van der Bellen nach
       ersten Gesprächen mit allen Parteivorsitzenden. Man müsse sichergehen, ob
       denn alle Parteien wirklich ernst meinten, was sie sagen, denn er wolle
       „Klarheit für Österreich“. Daher bat er die Vorsitzenden der drei
       Großparteien, sich untereinander auszutauschen und ihm bis Ende nächster
       Woche zu berichten.
       
       Dem Bundespräsidenten gelang damit ein schlauer Schachzug. Zum einen hatte
       er kaum einen Hehl daraus gemacht, dass er eine FPÖ-Kanzlerschaft kritisch
       sieht. Darauf deutete seine Wortmeldung noch am Wahlabend hin: „Ich werde
       darauf achten, dass die Grundpfeiler unserer liberalen Demokratie
       respektiert werden: etwa Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Menschen- und
       Minderheitenrechte, unabhängige Medien und die EU-Mitgliedschaft.“
       
       Unter der FPÖ stünde all das tatsächlich zur Disposition. Anstatt selbst
       einen Regierungsbildungsauftrag an die FPÖ zu vergeben, spielte Van der
       Bellen den Ball an ÖVP und SPÖ weiter.
       
       [3][Zum anderen aber haben tatsächlich knapp 29 Prozent eine rechtsradikale
       Partei gewählt,] die aber eben kein Verdachts- oder gar ein Verbotsfall für
       den Verfassungsschutz ist, sondern seit Jahrzehnten etabliert. Um ihre
       Wählerschaft nicht von vornherein zu vergraulen – oder
       Verschwörungstheorien zu nähren, die Wahl sei von vornherein „gestohlen“
       gewesen –, benannte er eben die tatsächlichen Hürden als solche, die sie
       sind. Vor allem die ÖVP nahm er dabei beim Wort.
       
       ## Neuwahlen sind nicht ausgeschlossen
       
       Von ihr wird es vor allem abhängen, ob sie bei ihrer Ankündigung bleibt und
       sich auf eine dann alternativlose Koalition mit der SPÖ – und
       gegebenenfalls einer dritten Partei – einlässt. [4][Oder ob sie doch der
       FPÖ zur Macht verhilft]: Wie schon im Jahr 2000 oder zuletzt 2017. Oder wie
       derzeit in den Bundesländern Oberösterreich, Salzburg und Niederösterreich,
       wo beide Parteien koalieren.
       
       Klar ist: Es stehen intensive und lange Verhandlungen bevor. Sollten sie
       platzen und Österreich erneut wählen müssen – auch das wäre ein Novum –,
       wäre Kickl wohl ein noch größerer Sieger.
       
       10 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ex-Kanzler-Sebastian-Kurz-vor-Gericht/!5994222
 (DIR) [2] /Parlamentswahl-in-Oesterreich/!6039473
 (DIR) [3] /Parlamentswahl-in-Oesterreich/!6039465
 (DIR) [4] /Oesterreich-waehlt/!6036586
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Florian Bayer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Alexander Van der Bellen
 (DIR) Herbert Kickl
 (DIR) Österreich
 (DIR) ÖVP
 (DIR) SPÖ
 (DIR) FPÖ
 (DIR) Karl Nehammer
 (DIR) GNS
 (DIR) Österreich
 (DIR) Österreich
 (DIR) Präsidentschaftswahlen Österreich
 (DIR) Österreich
 (DIR) Schlagloch
 (DIR) Europäische Kommission
 (DIR) FPÖ
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Regierungskrise in Österreich: Österreichischer Scherbenhaufen
       
       Konservative und Sozialdemokraten können sich nicht auf eine Koalition
       einigen. ÖVP-Chef Nehammer tritt daraufhin zurück. FPÖ vor
       Regierungsbildung.
       
 (DIR) Liberale beenden Gespräche: Verhandlungen über Koalition in Österreich geplatzt
       
       In Österreich haben die liberalen Neos die Gespräche mit Konservativen und
       Sozialdemokraten beendet. Droht nun doch eine Regierung mit der FPÖ?
       
 (DIR) Nach der Wahl in Österreich: Kopieren ist nicht ratsam
       
       Österreich rückt mit den Nationalratswahlen nach rechts. Deutschland droht
       bei der Bundestagswahl im Herbst 2025 ein ähnliches Schicksal.
       
 (DIR) Landtagswahl in Österreich: Vorarlberg wählt viel mehr Blau
       
       Die rechtsradikale FPÖ marschiert in Österreich weiter durch. Sogar im
       liberalen Vorarlberg hat sie Chancen auf eine Regierungsbeteiligung.
       
 (DIR) Konsequenzen nach Österreichwahl: Engagiert und verbissen
       
       Leidenschaft kann in Sturheit enden. Die österreichischen Sozialdemokraten
       müssen die Ursachen für das Wahlergebnis auch bei sich selbst suchen
       
 (DIR) Die EU nach der Österreich-Wahl: Das rechte Lager jubelt
       
       Viktor Orbán und Marine Le Pen gratulieren der FPÖ zum „historischen Sieg“.
       Die Folgen könnten sich bald auch in Brüssel bemerkbar machen.
       
 (DIR) Wahlerfolg der FPÖ in Österreich: Links liegen geblieben
       
       Das linke Lager konnte bei den Nationalratswahlen nicht punkten. Das lag
       auch an Flügelkämpfen und fehlenden Ideen gegen den Strukturkonservatismus.