# taz.de -- Jenseits der touristischen Routen: Zwischen Karren und Puppen
       
       > Das „Museo della Civiltà“ in Rom ist ein spezieller Ort. In den düsteren
       > Räumen ist man meist allein mit seltsamen bis gruseligen Schätzen.
       
 (IMG) Bild: Steinmenschen im Museum: Ausschnitt aus dem Reliefband mit Szenen der Dakerkriege Trajans, 106 n.Chr
       
       Auf Stippvisite in Rom hat man, neben [1][Essen] und Schlendern, meist
       eines zum Ziel: die Kunst. Am Wochenende zu versuchen, in die Galleria
       Borghese, die Kapitolinischen Museen oder ähnlich bekannte Spots zu kommen,
       bedeutet, entweder sehr gut organisiert zu sein und seine Tickets Wochen
       zuvor gebucht zu haben oder eine Leidenschaft fürs Anstehen zu hegen. Den
       Schlangen vor gewissen Pizzerien nach zu urteilen, ist die Freude am
       Warten wesentlich verbreiteter, als man denkt.
       
       Bleiben wir aber bei der Kunst. Vergangenes Wochenende habe ich diese in
       zwei sehr unterschiedlichen Kontexten gefunden. Nachdem ich am Freitagabend
       die Abschlussausstellung des Kurators am Macro, Museum für Zeitgenössische
       Kunst, besucht hatte und dort vor allem damit beschäftigt war, zu
       versuchen, mir in der Masse einen Weg zu den Werken und der Bar zu bahnen,
       entschloss ich mich am Samstag, eine etwas abseitigere mostra zu besuchen.
       
       Ich überredete einen Freund, mit mir die Reise in das Stadtviertel
       Esposizione Universale di Roma, kurz EUR, anzutreten, um in das „Museo
       della Civiltà“, zur Ausstellung der [2][Textilkünstlerin] Isabella Ducrot
       zu gehen. Drucrot ist das seltene Kunststück gelungen, ihr Leben lang in
       ihrer Ecke vor sich hin zu arbeiten und erst im Alter von über 90 Jahren
       entdeckt zu werden. Für diese Ausstellung, so hatte ich es gelesen, hat die
       Künstlerin das Textil-Archiv des Museums durchforstet und einen Dialog
       zwischen ihren Arbeiten und Stücken aus Afrika, Asien, Europa und
       Südamerika hergestellt.
       
       Warum nicht, befand mein Freund, nicht ahnend, worauf er sich einließ. Denn
       das Museum ist, milde gesagt, skurril. Schon am Eingang schien es, als
       seien wir irgendwie falsch. Die Frau am Schalter versuchte uns vom Eintritt
       abzubringen, wir hatten nur noch wenig Zeit, sagte sie, sind Sie sicher,
       dass Sie das wollen.
       
       Wahre Stärke, ohne zu protzen 
       
       Ducrots Teil ist klein, aber schön. Ihre rauen und zugleich feinen Arbeiten
       wirken, als würden sie dem faschistischen Bau mit sanfter Stimme erklären,
       dass wahre Stärke von jenen ausgeht, die es nicht nötig haben, zu protzen.
       Interessant, aber kurzweilig. Da wir nach etwa 20 Minuten fertig waren,
       beschlossen wir, da wir nun mal hier waren, zumindest einen Teil der
       Dauerausstellung zu besuchen.
       
       Man lernt dort allerhand Komisches. Etwa dass in der Toskana einst viele
       seltsame Menschen geboren wurden: kleine Mädchen, halb Kind, halb Schwein,
       Werwölfe, Steinmenschen. Man sieht sizilianische Karren, Trachten an
       gruselig echt aussehenden Puppen, allerhand Stücke aus dem Zirkus- und
       Kirmes-Kontext, florentinische Werbungen für gefrorene Wassermelonen,
       Atelier-Schilder und so weiter.
       
       Außer uns war wirklich niemand da. Die Räume waren düster, die Vitrinen
       leuchteten erst dann auf, als wir vorbeiliefen, und präsentierten uns ihre
       seltsamen bis gruseligen Schätze.
       
       Nur nicht eingeschlossen werden 
       
       Mein Freund wirkte irgendwann ein wenig nervös. Theoretisch schließen sie
       in fünf Minuten, meinte er. Wir malten uns aus, wie wir die Nacht zwischen
       Karren und Puppen verbringen würden, bereuten, dass wir keinen Proviant
       eingepackt hatten, und schwankten zwischen Amüsement und Sorge.
       
       Wahrscheinlich würden wir in den Lokalnachrichten landen: ein Römer und
       eine Deutsche, eingesperrt ins Museum der Zivilisation. Man würde uns
       befragen, wie wir es erlebt haben, was in der Nacht geschah, das Museum
       würde auf einmal in den Schlagzeilen landen und auf diese Weise endlich
       wahrgenommen werden.
       
       In etwa so malten wir uns das Szenario aus, doch am Ende kam es natürlich
       anders. Wir schafften es pünktlich nach unten, liefen an der noch immer
       perplex wirkenden Dame am Eingang vorbei, sie grinste, wir grüßten, buona
       serata, und fuhren zurück in die Stadt.
       
       Am nächsten Tag schrieb der Freund, das Museum sei particolare gewesen, so
       etwas habe er in seiner Stadt noch nicht gesehen. Comunque bello, meinte er
       versöhnlich. Das nächste Ausflugsziel entscheidet wahrscheinlich trotzdem
       er.
       
       9 Oct 2024
       
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