# taz.de -- Unkritisches Interview im DLF: Eine Lüge folgt der nächsten
       
       > Der Deutschlandfunk interviewt zur besten Sendezeit den russischen
       > Botschafter. Heraus kommen 20 Minuten voller unwidersprochener Lügen.
       
 (IMG) Bild: Der russische Botschafter in Berlin Sergej Netschajew
       
       Es ist journalistisch ehrenwert, mit allen sprechen zu wollen.
       Selbstverständlich kann man auch den russischen Botschafter Sergej
       Netschajew als überaus relevanten Gesprächspartner betrachten. Es ist
       schließlich sein Land, das die Ukraine mit Krieg und Terror überzieht. Der
       Deutschlandfunk sah jedenfalls einen journalistischen Nutzen darin, auch
       die Perspektive des Aggressors zu Wort kommen zu lassen, und [1][sendete am
       Dienstagmorgen ein Interview mit Netschajew]. Was eine kritische Befragung
       hätte sein sollen, wurde zur schwer erträglichen russischen Propagandashow.
       Die meisten Lügen blieben unwidersprochen.
       
       Schon die Wahl des Interviewortes irritiert. Der DLF-Redakteur sprach in
       der russischen Botschaft mit Netschajew. Wieso ein Interview genau dort
       stattfinden muss, bleibt offen. Der Redakteur ist anfangs bemüht zu
       erfahren, unter welchen Bedingungen Russland verhandlungsbereit wäre. Dass
       er keine eindeutige Antwort erhält, spricht für sich. Als der Moderator
       fragt, warum Russland den demokratisch gewählten ukrainischen Präsidenten
       Selenskyj nicht anerkennt, fährt Netschajew ihn an: „Entweder Sie
       unterbrechen mich, oder ich beantworte Ihre Fragen!“. Ab diesem Moment hakt
       der Interviewer kaum mehr kritisch nach. Es entsteht der Eindruck, dass er
       seinen Gesprächspartner vor allem nicht verärgern will.
       
       Als Netschajew behauptet, die Nato befinde sich „total im Konflikt gegen
       Russland“, wenn sie der Ukraine erlaube, Ziele in Russland zu zerstören,
       erwidert der Journalist: „Es ist nicht an uns, das auszudiskutieren.“ Wieso
       stellt er nicht richtig, dass es zweifelsohne völkerrechtskonform ist, die
       russische Kriegsmaschinerie zu zerstören, [2][mit der Kinderkrankenhäuser
       bombardiert werden]? Er fragt den Botschafter des Kriegsverbrechers Putin,
       wie der Krieg enden könnte, anstatt zu fragen, wann Russland seine Truppen
       zurückzieht.
       
       Den traurigen Höhepunkt erreicht das Interview mit der Istanbul-Lüge.
       Netschajew fabuliert, der Westen habe der Ukraine bei den Verhandlungen in
       Istanbul im Frühjahr 2022 verboten, mit Russland Frieden zu schließen.
       [3][Es ist eine altbekannte Mär.] In Wahrheit endeten die Verhandlungen,
       weil die entsetzlichen Kriegsverbrechen von Butscha ans Licht kamen. Der
       Moderator hält es nicht für notwendig, Netschajew damit zu konfrontieren.
       Dabei hätte er genau auf diese Situation vorbereitet sein müssen. Er dürfte
       es auch nicht einfach hinnehmen, dass Netschajew unentwegt vom „Kiewer
       Regime“ spricht, als wäre die Ukraine ebenso eine Diktatur wie Russland.
       
       Eine Lüge Netschajews folgt auf die nächste. Es sei Russland bei seinem
       Krieg um den Schutz der russischen Bevölkerung in der Ostukraine gegangen,
       gegen die die Ukraine „militärisch gekämpft“ habe. Das ist falsch. Zu
       keinem Zeitpunkt wurden russischsprachige Menschen in der Ukraine von der
       ukrainischen Regierung unterdrückt oder bekämpft. Der Moderator sagt nur,
       dass es dazu „andere Sichtweisen“ gebe. Natürlich kann in einem
       20-minütigen Interview nicht jedes Detail korrigiert werden, aber für eine
       entschiedene Zurückweisung der bekanntesten russischen Lügen muss genug
       Zeit sein.
       
       Zum Schluss möchte der Interviewer nochmal Netschajews Einschätzung zu den
       deutsch-russischen Beziehungen erfahren. Der beklagt melancholisch, dass
       nun „auf Wunsch der deutschen Seite alles auf Eis gelegt“ worden sei,
       obwohl Russland so viel für die Annäherung der beiden Länder getan habe.
       Man hätte dies zum Anlass nehmen können, nochmal auf Russlands alleinige
       Verantwortung für den größten Angriffskrieg in Europa seit dem Zweiten
       Weltkrieg hinzuweisen. Der Moderator bedankt sich lieber „sehr“ für das
       Gespräch. Es endet ein Interview, das des Deutschlandfunks nicht würdig
       ist. Später [4][folgt eine Einordnung] des Gesprächs.
       
       17 Sep 2024
       
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 (DIR) [3] /Krieg-in-Ukraine-und-Russland/!6032706
 (DIR) [4] https://www.deutschlandfunk.de/russland-botschafter-interview-einordnungen-100.html
       
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