# taz.de -- Papst reist nach Südostasien: „Zivilgesellschaft bleibt wachsam“
       
       > Indonesien empfängt als Land mit der weltgrößten muslimischen Bevölkerung
       > erstmals den Papst. Er trifft nach innenpolitischen Massenprotesten ein.
       
 (IMG) Bild: Reisenplakate begrüßen in Indonesiens Hauptstadt Jakarta Papst Franziskus
       
       Jakarta taz | Papst Franziskus wird auf seiner Reise durch vier
       südostasiatische Länder am Dienstag in Indonesiens Hauptstadt als erster
       Station erwartet. In der Nation mit der größten mehrheitlich muslimischen
       Bevölkerung der Welt will der Papst seinen 2019 in Abu Dhabi mit dem
       Großimam der Kairorer Al-Azhar-Universität begonnenen Dialog zwischen
       Kirche und Islam voranbringen.
       
       In Jakarta trifft Franziskus neben Vertretern der katholischen Minderheit
       den scheidenden Präsidenten Joko „Jokowi“ Widodo, dessen designierten
       Nachfolger Prabowo Subianto, Vertreter der beiden muslimischen
       Massenorganisationen Nahdlatul Ulama (NU) und Muhammadiyah sowie Nasaruddin
       Umar, Großimam der Nationalmoschee Istiqlal. Diesem war es während Widodos
       zweiter Amtszeit gelungen, den Einfluss islamischer Extremisten
       zurückzudrängen.
       
       Am Donnerstag wollen Franziskus und Nasaruddin Umar in der Istiqlal
       Moschee, die direkt gegenüber der katholischen Kathedrale liegt, ein
       Dokument der Toleranz unterzeichnen. 87 Prozent der 280 Millionen
       Indonesier sind Muslime. Mit 24 Millionen Gläubigen, darunter sieben
       Millionen Katholiken, sind Christen eine Minderheit.
       
       Mit 80 Millionen Mitgliedern ist die moderate NU nicht nur die weltgrößte
       muslimische Organisation, sondern allerspätestens seit ihrer Unterstützung
       von Prabowo und Widodos Sohn Gibran Rakabuming Raka als Vizepräsident bei
       der Wahl im Februar auch ein politischer Faktor.
       
       ## Proteste verhindern Wahlrechtsänderung
       
       In Indonesiens Städten war es kurz vor dem Papstbesuch zu Massenprotesten
       gekommen. Anlass war Widodos Plan, durch eine Gesetzesänderung ein Urteil
       des Verfassungsgerichtes auszuhebeln, welches das geltende Wahlrecht
       bestätigte. Demnach durften auch kleinere Parteien im November bei den
       Regional- und Kommunalwahlen antreten.
       
       Zudem, so die Richter, bleibe es dabei, dass Kandidaten bei ihrer
       Registrierung mindestens 30 Jahre alt sein müssen. Das passte nicht zu
       Widodos Ambitionen zur Gründung einer Politdynastie und denen der auch
       unter seinem designierten Nachfolger Prabowo weiterregierenden „Großen
       Koalition“, ihr unliebsame Politiker und Parteien auszuschalten. Widodo
       wollte zudem seinen jüngeren Sohn Kaesang Pangarep, 29, in einer Provinz
       als Vizegouverneur installieren.
       
       Schon letztes Jahr war mit Hilfe von Widodos Schwager Anwar Usman als
       damaligen Vorsitzenden des Verfassungsgerichtes das Mindestalter für
       Vizepräsidenten von 40 Jahren zugunsten von Widodos ältestem Sohn Gibran,
       36, gekippt worden. „Widodo will auch nach Ende seiner Amtszeit Macht
       behalten. Deshalb greift er zu drastischen Schritten“, sagt Andreas Harsono
       von Human Rights Watch in Jakarta der taz.
       
       Muslimische wie katholische Bürgerrechtler hatten die Zulassung der
       Kandidatur Gibrans scharf kritisiert. Der 88-jährige Jesuit Franz Magnis
       Suseno warf im Frühjahr als Zeuge in einem Verfahren vor dem
       Verfassungsgericht Widodo wegen das Gibran-Urteils „schwerwiegende ethische
       Verstöße“ vor.
       
       Nachdem die Regierung bei den Protesten am 22. August erst mit
       Polizeigewalt gegen die Demonstranten vorgegangen war, knickte sie dann
       doch ein und zog den Gesetzentwurf zurück. „Vielleicht wollte sie keine
       Unruhen vor dem Besuch von Franziskus“, vermutet Harsono und fügt hinzu:
       „Möglicherweise hatte sie auch Angst vor einer Ausweitung der Proteste wie
       in Bangladesch.“
       
       ## „Wut auf Widodo hat jetzt auch die Mittelschicht erfasst“
       
       Die feministische Aktivistin Dinda Yura vom PurpleCode Collective sieht
       Indonesien an einem Wendepunkt. Die Proteste im August seien anders gewesen
       als die der vergangenen Jahre gegen den Abbau der Demokratie wie die
       Schwächung der Antikorruptionskommission oder die Reform des Arbeitsrechts
       auf Kosten der Arbeitnehmer und der Umwelt.
       
       „Die Wut auf Widodo hat jetzt auch die Mittelschicht erfasst. Die Leute
       haben kapiert, wie vulgär und offensichtlich seine Machenschaften sind“,
       sagt sie.
       
       Widodo galt einst als bescheiden und korruptionsfrei. Letzteres hat sich
       erledigt. Widodo, so Harsano, erkaufe sich inzwischen Loyalitäten über
       Zuwendungen an Parteien und Gruppen. Wie zum Beispiel in diesem Jahr die
       Vergabe von Bergbaulizenzen an religiöse Organisationen.
       
       „Die NU hat bereits eine Lizenz zur Kohleförderung“, weiß Harsono. Die
       katholische Bischofskonferenz hingegen lehnte eine Konzession für das
       Bergbaugeschäft als unvereinbar „mit einem nachhaltigen
       Entwicklungsmanagement“ ab.
       
       ## Widodos Sohn Kaesang unter Korruptionsverdacht
       
       Für Wut und Spott in den sozialen Medien und zusätzlichen Schub für die
       Demos sorgte der opulente Lebensstil von Präsidentensohn Kaesang. Der war
       kürzlich im Privatjet eines großen Konzerns zum Shoppen nach Los Angeles
       geflogen. Jetzt muss er vor der Antikorruptionsbehörde erscheinen.
       
       Am 20. Oktober tritt [1][der wegen seiner Rolle während der
       Suharto-Diktatur umstrittene Ex-General Prabowo] die Nachfolge von Widodo
       an. Das Verhältnis des amtierenden Verteidigungsministers zur Demokratie
       gilt als fragwürdig.
       
       Unangenehm in Erinnerung ist zudem Prabowos Partnerschaft mit gewalttätigen
       Islamisten im Präsidentschaftswahlkampf 2019. Deshalb, so Yura, seien die
       Demonstrationen im August auch eine Warnung an Prabowo: „Die
       Zivilgesellschaft bleibt wachsam.“
       
       Papst Franziskus wird bis zum 13. September insgesamt mehr als 32 000
       Kilometer per Flugzeug zurücklegen. Von Indonesien aus reist er weiter nach
       Papua-Neuguinea, Osttimor und Singapur. Nur in Osttimor sind Katholiken in
       der Mehrheit. Diese Vier-Länder-Tour des inzwischen 87-jährigen Papstes ist
       deutlich länger als alle seiner bisherigen 44 Auslandsreisen.
       
       2 Sep 2024
       
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