# taz.de -- SPD-Bürgermeister in Sachsen: So normal wie nur möglich
       
       > In Sachsens Kommunen dominieren CDU und AfD. In ganz Sachsen? Nein, in
       > der Gemeinde Großhartau herrscht ein schwuler Bürgermeister von der SPD.
       
 (IMG) Bild: Delegierte auf dem Bundesparteitag der SPD in Berlin im Dezember 2023
       
       Großhartau taz | Der Ort ist leicht zu übersehen. Fährt man mit der Bahn
       von Dresden nach Zittau, kommt man dran vorbei: Großharthau, knapp 3.000
       Menschen sind dort gemeldet, sehr grün, am Rande ein Barockschloss, alles
       eine Pracht in der Westlausitz, auch hier. Der Bürgermeister heißt Jens
       Krauße – und er ist nicht deshalb eine Attraktion, weil er offen schwul
       lebt. Der eigentliche Knaller ist, dass er mehrfach wiedergewählt wurde:
       als Sozialdemokrat.
       
       Neulich, bei den [1][Kommunalwahlen], musste seine Partei zwar Federn
       lassen, die SPD verlor 9 Prozentpunkte an Zustimmung, die AfD lag bei 25
       Prozent, aber die Sozialdemokraten, in deren Ergebnis die Wählenden der
       hier nicht mehr existenten Linkspartei mit einflossen, bekamen immer noch
       46,1 Prozent. Sieben von 16 Sitzen, mit der bürgermeisterlichen Stimme sind
       das genug, um Jens Krauße, in Steinigtwolmsdorf an der Grenze zu Tschechien
       aufgewachsen, nicht überstimmen zu können.
       
       Mit seinem SPD-Parteibuch ist er nicht nur in dieser Gegend politisch ein
       Exot. Überhaupt haben Sozialdemokraten in Sachsen jenseits der Großstädte
       so gut wie nichts mehr zu melden, schon gar nicht in den Gemeinden, in
       denen es um Turnhallen, kommunale Baupläne und Wasserversorgung, Kitas und
       Straßenpflege geht. Die Kräfte gehen in die großen Städte, Leipzig, Dresden
       und Chemnitz, dort sei man noch stark.
       
       Krauße selbst, Jahrgang 1966, kam nach dem Ende der DDR in die SPD – wo es
       Bedenken gab, ihm die Parteimitgliedschaft zu bewilligen. Krauße war zuvor
       SED-Genosse, diente als Soldat im Wachregiment Feliks Dzierzynski, keine
       kleine Nummer im Sicherheitsapparat der SED. Dass man über seine
       Mitgliedschaft in der neugegründeten SPD debattierte, lag auch daran, dass
       man Masseneintritte von SED-GenossInnen verhindern wollte – um sich nicht
       vom alten DDR-Machtapparat auffressen zu lassen.
       
       Die CDU habe es leichter gehabt, bei der habe man einfach die Ost-CDU (die
       „Blockflöten“) geschluckt und damit gleich über eine Parteistruktur
       verfügt. Eigentlich hat Jens Krauße, vom Typus her ein idealer
       Gemeindevorsteher, eine Mischung aus Herbergsvater und jovialer Nachbar mit
       akkurat gepflegtem Garten, Maschinenbau studieren wollen, das zerschlug
       sich aus verschiedensten Gründen. Im Gartenbetrieb seiner ersten Ehe mit
       einer Frau hat er dann gearbeitet – und begonnen sich zu überlegen, dass er
       gern Bürgermeister wäre; das Kümmern um andere, die Sorge ums gemeinsame
       lokale Wohl, erzählt er heute, liege ihm.
       
       ## Vorbilder in der SPD? Schröder und Schmidt
       
       Sind denn die Leute von Großhartau, die ihn mit verlässlich hohen
       Zustimmungsraten wiederwählen, so anders als in anderen Gemeinden, wo CDU
       und immer mehr die AfD den Ton angeben? Hat man es hier mit einem
       besonderen politischen Bewusstsein zu tun? Sachsen war mit seiner
       industriellen Struktur mal das Kernland der SPD, mit starken Gewerkschaften
       und gut erkämpften Lohnstrukturen. Vielleicht erinnere man sich daran?
       
       Krauße sagt, nein, dieses Wissen ist so gut wie weg. Er erkläre sich die
       Zustimmung zu seiner Person dadurch, dass er seinen Job gut gemacht habe:
       „Weil man mich kennt, und im Lokalen hat man immer Sympathie auf seiner
       Seite, wenn man eine gute, zuverlässige Arbeit macht“. Hat er eigentlich
       Glückwünsche aus dem Willy-Brandt-Haus bekommen? Nein. Vielleicht, weil
       Großharthau, die Gemeinde, in der die meisten Autos haben und doch
       glücklich sind über Busverkehr und vor allem den Eisenbahnanschluss, dann
       doch zu wenig Gewicht hat.
       
       Hat er Vorbilder in der SPD? Umgehend sagt er: „Schröder.“ Und [2][nichts
       Schlechtes über Olaf Scholz], Lars Klingbeil und Saskia Esken, aber der
       wegen seiner Russlandpolitik verfemte Ex-Kanzler, der sei ein Politiker
       nach seinem Geschmack. Entschieden, kommunikativ im Vorwärtsmodus. Aber,
       ergänzt Krauße ungefragt, er habe ein viel größeres Idol: Helmut Schmidt.
       Den respektiert er, der habe eine Aura der Unverzagtheit verströmt,
       politisch klar: auch in Sachen Krieg & Frieden, da er hier mit seiner
       Partei auch nicht auf einem Nenner sei.
       
       Die Partei des Bürgermeisters erhielt im Übrigen bei der Europawahl ein
       sachsenübliches Ergebnis, knapp oberhalb der Fünfprozenthürde, die AfD
       hingegen bekam ohne Krauße als Opponenten 20 Prozent mehr. Eine Frage noch
       zum Queeren: War er kürzlich in Bautzen beim nazigestörten CSD? Da habe es
       ihm und seinem Mann an Zeit gefehlt, aber er war beim Dresdner CSD dabei,
       Schirmherr der Parade für die AWO (Arbeiterwohlfahrt). Er lebt sein
       Anderssein wie in Großharthau im Rahmen aller anderen Normalitäten in
       dieser Gemeinde auch. Guter Mann.
       
       30 Aug 2024
       
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