# taz.de -- Deutsches Haus: Herrenmensch und Heiliger Krieg
       
       > Unser nettes Haus in der Mitte der Straße ist irgendwie verrückt. Jetzt
       > müssen wir wieder zueinander finden, möglicherweise in anderer Besetzung.
       
 (IMG) Bild: Es gibt Ärger in der „Hausgemeinschaft“
       
       In unserem deutschen Haus ist ganz schön der Wurm drin, das lässt sich
       nicht länger leugnen. Fangen wir an, wo es anfängt, im Osten, wo die Sonne
       aufgeht. Das Boomerpärchen, das in den 1990er zu uns rüberkam und seitdem
       Beträchtliches geleistet hat, möchte sich nun nicht mehr an die Vorgaben
       halten, die unsere Gemeinschaft – [1][zumindest immer mit dem Willen, sich
       an den Werten Humanität und Solidarität zu orientieren] – seit nunmehr gut
       sieben Jahrzehnten verfolgt.
       
       Bislang fand ich es immer etwas unangebracht, sie daran zu erinnern, dass
       wir ohne großes Trara einen Teil ihrer Miete übernommen haben, als sie
       damals einigermaßen abgerissen bei uns ankamen. Manche im Haus weisen auch
       darauf hin, dass ihre Wohnung inzwischen besser eingerichtet ist als die
       vieler Alteingesessener.
       
       Aber wie gesagt: Ich finde es besser und auch ausreichend, sich an der
       Gegenwart zu orientieren. Und da lehnen ich und die Mehrheit der
       Hausgemeinschaft die aus vermutlich trüben Kanälen geschöpfte Überzeugung
       des genannten Pärchens, sie seien mehr wert als Menschen, die gerade oder
       schon vor längerer Zeit in unser Haus gezogen sind, halt schlicht ab.
       Leider hat eines ihrer Kinder auch so kleine Herrenmenschenattitüden
       entwickelt, während die anderen beiden sehr nett sind. Und wenn es bei
       diesem dummen Drittel bleibt und wir alle anderen dieses [2][schlicht und
       ungemütlich ausgrenzen,] dann ist das schon mehr als die halbe Miete.
       
       Problematisch ist nicht zuletzt, dass unser Pärchen unser Haus gern
       grundsätzlich umgestaltet hätte, was paradoxerweise konkret bedeutet,
       [3][dass sich nichts zum Positiven ändern soll:] Sie wollen weiterhin mit
       Gas heizen und im Innenhof ihre Autos parken; und sie hätten halt gern,
       dass das schwule Pärchen „eher“ auszieht, und während der Pandemie – na,
       lassen wir das.
       
       ## Sylt und Gedächtnislücken
       
       Mein Problem ist, dass wir andere Probleme haben. Im Dachgeschoss ist es
       inzwischen im Sommer zu heiß. Die älteren Nachbarn, die dort wohnen, müssen
       da raus oder es wären erhebliche Baumaßnahmen erforderlich. Ein Herr
       Lindner, der sich meist in seiner Residenz auf Sylt aufhält, aber eine
       pied-à-terre bei uns hat, wehrt sich jedoch gegen die gemeinsame
       Kreditaufnahme.
       
       Unser Hausverwalter ist ein Fähnchen im Wind, dabei von seiner eigenen
       Großartigkeit vollkommen überzeugt; nur wenn es um diese Affäre geht, bei
       der er einen merkwürdigen Deal mit der Sanitärfirma gemacht hat, kann er
       sich an nichts erinnern.
       
       Dann gibt es Nachbarn, bei denen der Eindruck entsteht, sie wohnten hier,
       lebten aber woanders. Ein Bekannter aus dem arabischen Raum erzählte mir
       kürzlich, „Deutscher“ sei bei vielen aus seiner hier wohnenden Community
       ein Schimpfwort.
       
       Nach außen gäben sie sich distanziert-höflich, in Wahrheit empfänden sie
       eine Mordsangst, sich auf das Leben hier einzulassen, aber auch schlicht
       [4][Verachtung gegen alles Westliche]. Er hingegen habe tatsächlich
       Sehnsucht nach seiner Heimat gehabt und sei mit seiner Familie nach
       Tunesien zurückgezogen. Nach einem halben Jahr wollten alle so schnell wie
       möglich zurück nach Berlin. Nun versuche er, in Gesprächen seine Leute dazu
       zu bringen, das „Doppeldenk“ endlich abzulegen, nicht passiv über
       Diskriminierung zu palavern, sondern aktiv Chancen zu ergreifen.
       
       Ich habe ihn zu unserer Hausversammlung eingeladen. Vielleicht ist es ja
       das Boomer-Pärchen aus dem Osten, dem er am meisten zu sagen hat. Am
       dringendsten aber müssen wir darüber reden, wie wir die Übernahme unseres
       Hauses durch einen russischen Investmentfonds verhindern.
       
       Das Haus gehört übrigens unseren Kindern.
       
       3 Sep 2024
       
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