# taz.de -- Debatte um Gewalt an Schulen: Jammern reicht nicht
       
       > Gewalt an Schulen ist unbestreitbar ein Problem. Für eine Lösung braucht
       > es aber weniger alarmistisches Gelärme als vielmehr präzise Analysen.
       
 (IMG) Bild: Schüler sind noch viel häufiger Opfer von Gewalt als Lehrer
       
       Es ist natürlich immer hübsch einfach, eine allgemeine Verrohung zu
       beklagen, den Verfall der Sitten und Werte. Das kostet nichts und verlagert
       die Verantwortung auf einen diffusen Anderen: die Gesellschaft, die
       Elternhäuser, irgendwen.
       
       Diese Klage ist seit 5.000 Jahren verbürgt, damals bei den Sumerern. Als
       Platon und Sokrates sich vor 2.500 Jahren über die verdorbene Jugend von
       heute, also damals, echauffierten, war sie also schon ein ziemlich alter
       Hut. Nur vorangebracht hat sie noch nie jemanden.
       
       Vor allem die Schulen sollten es sich nicht so leicht machen. Es ist ihr
       Job, sich auf veränderte gesellschaftliche Bedingungen einzustellen und
       damit umzugehen. Es ist unwürdig, wenn sie sich damit begnügen, es sich in
       der jammernden Opferhaltung bequem zu machen.
       
       Eine sinnvolle Prävention und Reaktion erfordert erst einmal eine präzise
       Analyse: Welche Situationen eskalieren hier und warum? Welchen Anteil hat
       das System Schule daran? Und was kann man tun, um das zu ändern?
       
       ## Umfragen liefern mehr Fragen als Antworten
       
       Es ist bemerkenswert, wie viele Fragezeichen allein der Befund hinterlässt.
       Da werden zum Beispiel übergriffige Eltern beklagt. Die einen verweisen da
       gleich auf migrantische Familien, die in Mannschaftsstärke das Schulgelände
       stürmen, weil die Tochter nicht pünktlich nach Hause gekommen ist.
       Andererseits beklagen in der Umfrage Lehrer verbale Gewalt im Zusammenhang
       mit der Notengebung. Sind hier die gleichen sozialen Gruppen am Werk?
       
       Da werden munter digitale, verbale und physische Gewalt in einen Topf
       geworfen. Dabei scheinen sich die Opfergruppen deutlich voneinander zu
       unterscheiden: Physische Gewalt trifft häufiger Männer, digitale Gewalt
       häufiger Frauen, vor allem Berufsanfängerinnen. Überhaupt die Opfer: Trifft
       es niemanden, dass Schüler sehr viel häufiger Opfer werden als Lehrer?
       
       Und was ist mit der viel beklagten Respektlosigkeit? Werden Eltern und
       Schüler in diesem System denn respektvoll behandelt? Wurden sie das während
       der Corona-Pandemie? Haben vielleicht die psychischen Spätfolgen und der
       damals entstandene Vertrauensverlust etwas mit dieser aktuellen Krise zu
       tun?
       
       All das wäre eine präzisere Analyse wert. An die kommt man aber nicht, wenn
       man sich in wechselseitigen Vorwürfen und Vorurteilen verschanzt.
       Gleichzeitig ist auch klar, dass ein System, das strukturell überlastet
       ist, genau dafür keine Kapazitäten hat.
       
       Unter Stress kommen Geduld, Einfühlungsvermögen und Empathie unter die
       Räder, dann eskalieren Dinge, die nicht eskalieren müssten. Darüber sollte
       man reden. Nicht über Erlasse, Sicherheitsdienste und den gefühlt 600.
       Untergang des Abendlandes.
       
       26 Aug 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nadine Conti
       
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