# taz.de -- Mobilität auf dem thüringischen Land: Mit dem Moped ins Grab brettern
       
       > Jugendliche sollten schon ab 16 unbegleitet Auto fahren dürfen. Denn die
       > Alternativen sind noch gefährlicher.
       
 (IMG) Bild: Weißig bei Gera, im Juni. Das Öffi-System wird dort vorläufig nicht weiter ausgebaut
       
       Wer im Osten auf dem Land aufwächst, der kommt dort grundsätzlich schlecht
       weg. Denn die Busse fahren nur stündlich, und das auch nur werktags
       zwischen sechs und neun und eins und vier. Ein Fahrrad ist keine
       Alternative, denn dank der Berge und Serpentinen fühlt sich jede Radtour an
       wie die Tour de France. Wie also als Teenager am gesellschaftlichen Leben
       teilnehmen? Wie zur Party oder zum Spieleabend kommen? Der Weg dorthin ist
       für Jugendliche oft gefährlich bis tödlich. Das liegt auch daran, dass
       Autofahren erst ab 18 erlaubt ist.
       
       Mit 16 sind bereits viele mit der Schule fertig und müssen weit fahren, um
       zur Arbeit oder Ausbildung zu kommen. Öffis bekommt man dann auch nicht
       mehr subventioniert. Gängige Argumente gegen Autofahren ab 16 lauten, dass
       junge Menschen zu unerfahren und zu übermütig seien. Die Sorgen sind
       berechtigt, denn laut [1][Zahlen des Statistischen Bundesamts] hat die
       Gruppe der 18- bis 24-Jährigen das höchste Unfallrisiko im Straßenverkehr.
       
       Doch das Problem ist: Die Alternativen sehen noch schlechter aus. Denn
       viele Jugendliche auf dem Land kaufen sich mit 15 Jahren stattdessen schon
       Motorräder oder Mopeds. Diese sind um einiges tödlicher. In den Serpentinen
       der Thüringer Wälder und Berge legt man sich ständig in die Kurve, rutscht
       schneller raus und ist dann auch noch schlechter geschützt als im Pkw. Das
       Risiko, durch einen Verkehrsunfall zu sterben, liegt [2][laut dem
       Statistischen Bundesamt] bei Kraftradfahrern bei 10 Getöteten je 100.000
       Krafträdern, auf 100.000 Pkw kommen hingegen 2 Getötete.
       
       ## Ampelkoalition versprach begleitetes Autofahren ab 16
       
       Die Problematik hat auch die Bundesregierung erkannt und 2021 in ihrem
       Koalitionsvertrag versprochen, dass Jugendliche schon mit 16 begleitet
       Autofahren können sollen. Dieses Jahr im April scheiterte das geplante
       Modellvorhaben im Europaparlament. „Da der Rahmen für das Führerscheinrecht
       auf europäischer Ebene für alle Mitgliedstaaten verbindlich geregelt ist,
       kann Deutschland eine Absenkung des Mindestalters nicht einseitig auf
       nationaler Ebene regeln“, teilte das Verkehrsministerium mit. Fahren ab 16
       müsste also EU-weit erlaubt werden – und hierfür geht der Vorschlag der
       Bundesregierung noch nicht weit genug.
       
       Das Problem ist das „begleitete Fahren“. Autofahren darf man in Deutschland
       seit 2008 theoretisch schon ab 17, solange eine Begleitperson danebensitzt.
       Laut dem ADAC nutzen derzeit aber nur die Hälfte der Fahranfangenden die
       Möglichkeit zum begleiteten Fahren, und dann nur selten den vollen
       Zeitraum.
       
       Das könnte daran liegen, dass es ganz schön schwierig ist, eine
       Begleitperson zu finden. Diese muss nämlich erstens rechtliche
       Voraussetzungen erfüllen, zum Beispiel mindestens 30 Jahre alt sein und
       maximal einen Punkt in Flensburg haben. Und dann muss die Person auch noch
       im richtigen Moment Zeit haben. Herrscht dann auch noch ein angespanntes
       Verhältnis zu den Begleitenden, wird überhaupt nicht begleitet gefahren.
       Dann doch lieber die Simson. Die nachhaltigste und sicherste Lösung für das
       Unfallproblem wären wohl mehr öffentliche Verkehrsmittel. Doch weder Bund
       noch Länder können diese kurzfristig ausbauen. Verhandlungen zwischen
       Kommunen und Verkehrsbetrieben sind bürokratisch und gewinnorientiert,
       außerdem fehlen oftmals schlicht und einfach Geld, Infrastruktur und
       Personal.
       
       Jugendlichen auf dem Land steht die gleiche Mobilität zu wie denen in der
       Stadt. Sich nicht frei bewegen zu können, kann insbesondere für junge
       Menschen nicht nur unpraktisch, sondern auch mental belastend sein. Statt
       sie zu unterstützen, lässt die Bundesregierung sie auf dem Dorf im Stich.
       Was es braucht, ist mehr Landkindpolitik – sowohl auf Bundesebene als auch
       EU-weit.
       
       Ronja Beyer, 19 Jahre alt, ist als Dorfkind im nordthüringischen
       Kyffhäuserkreis aufgewachsen. Der Name ist ein Pseudonym, weil die Person
       lieber anonym bleiben will.
       
       FOTO: Jacob Queißner (24) ist im ostthüringischen Gera geboren und
       aufgewachsen. Nach einem Volontariat und Fernstudium zum Fachjournalisten
       für historischen Motorsport, ist er während der Corona-Pandemie in seine
       Heimatstadt Gera zurückgekehrt, um hier als Journalist und Fotograf aktiv
       zu sein.
       
       24 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Verkehrsunfaelle/Publikationen/Downloads-Verkehrsunfaelle/unfaelle-18-bis-24-jaehrigen-5462406207004.pdf?__blob=publicationFile
 (DIR) [2] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Verkehrsunfaelle/Publikationen/Downloads-Verkehrsunfaelle/unfaelle-zweirad-5462408217004.pdf?__blob=publicationFile
       
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