# taz.de -- Harris und Walz in Philadelphia: Wahlkampfsprint der US-Demokraten
       
       > Der frisch gekürte Vize-Kandidat Tim Walz tritt erstmals mit
       > Präsidentschaftskandidatin Harris auf. „91 Tage“, sagt er, bleiben noch
       > für den Wahlkampf.
       
 (IMG) Bild: 91 Tage bleiben noch: Kamala Harris mit Tim Walz beim ersten gemeinsamen Wahlkampfevent in Philadelphia
       
       Washington taz | Das Sprichwort, dass ein Wahlkampf ein Marathon und kein
       Sprint sei, darf in diesem Jahr aus Sicht der amerikanischen Demokraten
       getrost vergessen werden. Für die Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris
       und ihren neu ernannten Vizekandidaten Tim Walz ist es vielmehr ein
       langgezogener Zielsprint, für den am Dienstag der Startschuss fiel.
       
       Vor mehr als 10.000 enthusiastischen Menschen gab das neue Spitzenduo der
       Demokraten in der Ostküstenmetropole Philadelphia sein Debüt. Mit erhobenen
       Händen und unter tosendem Applaus betraten beide die Bühne. Der Auftritt im
       Swing State Pennsylvania erfolgte nur wenige Stunden, nachdem Harris die
       erste wegweisende [1][Entscheidung ihres Wahlkampfs] getroffen hatte.
       
       Und glaubt man den Szenen des gestrigen Abends, dann sind die meisten
       Anhänger mit der Entscheidung über die Wahl ihres Mitstreiters zufrieden.
       „Er ist die Art von Person, die den Menschen das Gefühl gibt,
       dazuzugehören, und sie dann dazu inspiriert, große Träume zu haben. […] Das
       ist die Art von [2][Vizepräsident], die Amerika verdient hat“, sagte Harris
       über Walz.
       
       Mit dem 60 Jahre alten Walz hat Harris einen Politiker mit
       Regierungserfahrung an ihrer Seite. Ob er wie erhofft neue Wähler im hart
       umkämpften Mittleren Westen der USA für das Duo gewinnen kann, wird sich
       noch zeigen. Zeit ist allerdings etwas, dass in diesem Wahlkampf Mangelware
       ist. „Uns bleiben 91 Tage. Mein Gott, das ist einfach. Wir werden schlafen,
       wenn wir tot sind“, scherzte Walz über die bevorstehende Herkulesaufgabe.
       
       ## Walz: „Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß“
       
       Der Gouverneur des US-Bundesstaates Minnesota zeigte sich überwältigt vom
       Empfang der Menschen, die die Kundgebung immer wieder mit Applaus und Jubel
       unterbrachen. „Danke, dass Sie die Freude zurückgebracht haben“, sagte ein
       strahlender Walz.
       
       Der frühere Lehrer und Football-Coach hatte vor seiner Wahl zum
       Vizekandidaten ein eher kleines nationales Profil. Dies hat sich nun
       schlagartig geändert. Bei seinem ersten Auftritt auf der großen Bühne gab
       er daher etwas mehr über sich preis. Er sei ein Politiker, der gelernt
       habe, Kompromisse einzugehen, ohne dabei seine eigenen Werte auf Spiel zu
       setzen. Seine goldene Regel im Leben sei außerdem ganz einfach: „Kümmere
       dich um deinen eigenen Scheiß.“
       
       Mit dieser Aussage spricht Walz auch ein wichtiges Wahlkampfthema an: Die
       persönliche Freiheit der US-Amerikanerinnen und -Amerikaner. Deren
       Entscheidungsrechte, ganz besonders die der Frauen, sind spätestens seit
       dem [3][Ende des Rechts auf Abtreibung] eingeschränkt. In diesem Jahr
       stellte dann das oberste Gericht in Alabama auch noch die Zukunft von
       künstlicher Befruchtung infrage.
       
       Die konservative Rechtsauslegung vieler Richter könnte damit nicht nur den
       Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellen, sondern auch den Versuch
       einen unbefriedigten Schwangerschaftswunsch zu erfüllen. Walz erklärte,
       dass seine beiden Kinder das Resultat von künstlicher Befruchtung seien.
       „Als unsere Tochter geboren wurde, nannten wir sie Hope“, sagte er, zu
       Deutsch: Hoffnung. Das Abtreibungsrecht und der Zugang zu reproduktiver
       medizinischer Versorgung werden besonders für die Demokraten in diesem
       Wahljahr ein wichtiges Thema sein.
       
       ## Mehr als 20 Millionen an Spendengeldern eingesammelt
       
       Harris und ihr Wahlkampfteam erklärten, dass sie seit der Ernennung von
       Walz zum Vizekandidaten politische Spenden von über 20 Millionen US-Dollar
       erhalten hätten. Hinzu kommt, dass verschiedene Interessengruppen und
       demokratische Politiker aus allen Ecken der Partei die Nominierung von Walz
       begrüßt haben.
       
       Nancy Pelosi, die frühere Sprecherin des Repräsentantenhauses, betitelte
       Walz als „Demokrat aus dem Herzen Amerikas“. Joe Manchin, früher Demokrat
       und heute unabhängiger Senator aus West Virginia, hofft, dass Walz
       „Normalität in das chaotischste politische Umfeld zurückbringen könne, das
       die meisten von uns je erlebt haben“.
       
       Die Reaktion auf republikanischer Seite war folgerichtig eine andere. Das
       [4][Wahlkampfteam] von Harris' Rivalen, Ex-Präsident Donald Trump,
       bezeichnete Walz als einen „gefährlichen liberalen Extremisten“, der
       Minnesota nach dem progressiven Vorbild Kaliforniens umgestalten wolle. Sie
       verwiesen auf seine Unterstützung für Maßnahmen zur Senkung der
       CO2-Emissionen und zur Ausweitung des Wahlrechts auf verurteilte
       Schwerverbrecher.
       
       „Genau wie Kamala Harris ist Tim Walz ein gefährlich liberaler Extremist,
       und der [5][Harris-Walz-Kalifornien-Traum] ist der Albtraum eines jeden
       Amerikaners“, sagte Trumps Wahlkampfsprecherin Karoline Leavitt.
       
       Die Kundgebung in Philadelphia war der Auftakt zu einer fünftägigen
       Wahlkampftour für Harris und Walz. In den kommenden Tagen werden sie
       weitere für die Wahl so wichtige Swing States besuchen. Am Mittwoch folgen
       Veranstaltungen in Michigan und Wisconsin.
       
       7 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Hansjürgen Mai
       
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