# taz.de -- Gefangenenaustausch mit Russland: Menschenhandel nach Kreml-Art
       
       > Zwischen Russland, den USA und anderen Ländern hat der größte
       > Gefangenenaustausch seit Sowjetzeiten stattgefunden. Dabei: Evan
       > Gershkovich.
       
 (IMG) Bild: Wurde unlängst erst zu 16 Jahren Lagerhaft verurteilt: US-Journalist Evan Gershkovich
       
       Moskau taz | Nach und nach kamen am Donnerstagnachmittag die Bestätigungen:
       Ja, [1][Kevin Lick ist frei], schreibt die Unterstützergruppe des
       18-jährigen Deutsch-Russen als Erstes. Der Jugendliche saß für vier Jahre
       wegen „Landesverrats“ in einer russischen Strafkolonie ein.
       
       Ja, schreibt kurz darauf das Wall Street Journal, [2][Evan Gershkovich] sei
       auf dem Weg nach Hause. Der US-Journalist war im März 2023 in Jekaterinburg
       verhaftet und erst vor zwei Wochen – in aller Eile – wegen angeblicher
       Spionage zu 16 Jahren Strafkolonie „strengen Regimes“ verurteilt worden.
       Die Eile lässt sich nun erklären: Gershkovich war genau die Geisel des
       Kreml, die dieser brauchte, um Wadim Krassikow, den sogenannten
       „Tiergartenmörder“, einen Killer im Staatsauftrag, aus Berlin
       freizupressen.
       
       Schließlich bestätigte auch Ankara, wie sich der größte Gefangenen-Deal
       seit den Sowjetzeiten abspielte: 16 russische und ausländische Bürger
       waren darunter, die in russischen Strafkolonien einsaßen, darunter auch der
       Deutsche, der in Belarus zum Tode verurteilt wurde. Im Gegenzug kamen zehn
       Russ*innen frei, die von westlichen Gerichten zu hohen Gefängnisstrafen
       verurteilt worden waren. Insgesamt wurden 26 Gefangene ausgetauscht.
       
       Für den Kreml ist der ausgehandelte Deal ein wahrer Gewinn. So zeigt er
       nach innen, dass er sich zum einen für die, die ihm treu ergeben sind,
       einsetzt. Zum anderen macht er deutlich, dass er die, die er für unnötig
       hält in seinem Land, hinauswirft.
       
       Der Menschenhandel nach Kreml-Art rettet zwar den russischen
       Polit-Gefangenen regelrecht das Leben. Und doch wird manch einer von ihnen
       den Austausch als zusätzliche Strafe empfinden. Ohne dass sie es selbst
       entschieden hätten, werden sie vor vollendete Tatsachen gestellt, werden
       wie ein nasser Lappen weggeworfen, verlieren all das, wofür sie – trotz
       allem Widerstand gegen die russische Regierung – gekämpft hatten.
       
       ## Einsatz für ein freies Russland
       
       Neben Gershkovich fliegt auch Paul Whelan zurück in die USA. Der
       amerikanische Ex-Infanterist war ebenfalls zu 16 Jahren wegen „Spionage“
       verurteilt worden und saß seit vier Jahren in einer russischen Strafkolonie
       ein. Auch die russischen Oppositionspolitiker Wladimir Kara-Mursa und Ilja
       Jaschin, die sich seit ihrer Jugend für ein freies, liberales Russland
       einsetzen und als Oppositionelle im Land bleiben wollten, obwohl der
       Verbleib für sie immer gefährlicher wurde, stehen auf der Liste der
       Befreiten.
       
       Sie, wie auch der im Februar in einer Strafkolonie hinterm Polarkreis
       getötete russische Oppositionspolitiker Alexei Nawalny, wollten in Russland
       sein, sie wollten ihre Glaubwürdigkeit als Politiker nicht verlieren.
       
       Nawalny bezahlte seinen Kampf mit dem Leben. Kara-Mursa hatte zwei
       Giftanschläge des russischen Geheimdienstes überlebt, lag zuletzt in einem
       Gefängniskrankenhaus im sibirischen Omsk. 25 Jahre wegen Hochverrats bekam
       er im April 2023, ein Urteil wie zu Zeiten Stalins. Er hatte die russische
       Invasion in der Ukraine im Repräsentantenhaus in Arizona offen verurteilt
       und musste dafür büßen.
       
       Jaschin hatte in seinem YouTube-Kanal über die russischen Gräueltaten in
       Butscha berichtet und bekam achteinhalb Jahre wegen „Falschaussagen über
       die russische Armee“. Mehrmals betonte er, auch bereits aus der Haft, dass
       er einem Gefangenenaustausch nicht zustimmen werde.
       
       Kanzleramtssprecher Steffen Hebestreit sagte am Donnerstagabend, man habe
       sich „diese Entscheidung nicht leicht gemacht“. Denn im Gegenzug hätten in
       Europa inhaftierte „russische Staatsangehörige mit geheimdienstlichem
       Hintergrund“ freigelassen werden müssen, darunter der in Deutschland wegen
       des sogenannten Tiergarten-Mordes verurteilte Wadim Krasikow.
       
       Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde aktualisiert.
       
       1 Aug 2024
       
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