# taz.de -- Diskriminierung im Alltag: Erklären statt googeln
       
       > Personen aus marginalisierten Gruppen werden manchmal übergriffige Fragen
       > gestellt. Am besten ist, sie direkt zu konfrontieren, findet unsere
       > Autorin.
       
 (IMG) Bild: Auch schwule Paare sind immer wieder mit Diskriminierungsfragen konfrontiert
       
       Leuten zu sagen, sie sollen etwas googeln, war noch nie eine gute Idee. Das
       habe ich schon gesagt. Meistens aus ehrlicher Müdigkeit. Manchmal – das
       muss ich zugeben – weil ich dachte, das sei ein politisches Statement.
       
       Damit bin ich nicht allein: „Googel das mal“ oder übersetzt „Find’s selbst
       heraus“ ist eine Standardantwort, die häufig von Betroffenen gegeben wird,
       um klarzumachen, dass sie nicht die Auskunftsstelle für
       [1][Diskriminierungsfragen] sind.
       
       Ich finde es wichtig zu verstehen, woher die Haltung kommt: Manche Fragen
       sind ignorant und respektlos, oder grenzüberschreitend. Keine [2][Person of
       Color] muss auf „Wo kommst du her – wo kommst du wirklich her?“ freundlich
       Auskunft geben. Selbstverständlich ist es eine Unverschämtheit, trans
       Personen zu fragen, ob sie operiert seien.
       
       Genauso ist es übergriffig, [3][behinderte Menschen] nach ihren Diagnosen
       zu fragen oder eine Muslima, ob die Familie sie zwingt, ein Kopftuch zu
       tragen. Es gibt Leute, die schwule Paare fragen, wer von ihnen denn der
       Mann und wer die Frau in der Beziehung sei. (Wo doch offensichtlich beide
       Männer sind. Das ist, würde ich als Laie sagen, das Konzept von
       Homosexualität.)
       
       Für jede marginalisierte Gruppe gibt es wohl mindestens eine
       diskriminierende Standardfrage. Darüber, was an dieser Frage unangemessen
       ist, hat die jeweilige Community in der Regel schon x-mal aufgeklärt.
       
       Wahrscheinlich ist die Frage Teil von so vielen Community-Stand-up-Sets,
       dass Betroffene nur noch mit den Augen rollen, wenn sie mal wieder auf
       einer Bühne für Lacher wiederholt wird. Der Witz ist alt. Und dann,
       plötzlich, wird einem die Frage wieder ganz ernst ins Gesicht geworfen und
       man ist so perplex, dass einem die ganzen schlagfertigen Antworten aus den
       Bühnenprogrammen nicht mehr einfallen.
       
       ## Nachhaken statt aufgeben
       
       Jede einzelne dieser Fragen entstand aus einer vorausgehenden Annahme,
       einem Vorurteil. Sie sind intim und übergriffig. Vor diesem Hintergrund ist
       es nachvollziehbar, dass viele nicht mehr erklären wollen – und zwar
       nichts, was mit ihrer Identität und Diskriminierungserfahrungen zu tun hat.
       
       Doch es gibt auch andere Fragen, die gestellt und beantwortet werden
       müssen, um weiterzukommen. Wir sollten uns die Mühe machen, die
       Unterschiede zu erkennen. Ich nehme mir wieder mehr Zeit, Dinge zu erklären
       und höfliche, aufrichtige Fragen zu beantworten oder einen Literaturtipp zu
       geben.
       
       Ich habe auch viel gelernt und verstanden, weil sich jemand die Zeit
       genommen hat, es mir zu erklären. Wenn ich auf die Nachfrage, warum etwas
       rassistisch sei, mit „googel das mal“ antworte, kann es im schlimmsten Fall
       passieren, dass die Person das macht. Sie wird die Antworten finden, die
       ihr am besten passen.
       
       Ich war mal im Gespräch mit einer weißen Mutter, deren weißes Kind sich
       immer wieder rassistisch gegenüber Schwarzen Kids im Kindergarten äußerte.
       Nachdem ich eine Weile nichts von ihr gehört hatte, habe ich nachgehakt.
       
       Sie meinte, sie hätte mich als Schwarze Frau nicht weiter belästigen
       wollen, hat gegoogelt und – oh Wunder – rausgefunden, das Verhalten ihres
       Kindes sei „vollkommen natürlich“. Die Seite wäre zwar esoterisch, aber das
       „ergebe doch Sinn“. Ich wünschte, sie hätte mich weiter damit belästigt und
       nicht eine Suchmaschine bemüht.
       
       25 Jul 2024
       
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