# taz.de -- Polizei in Schleswig-Holstein: Im Schießen ungeübt
       
       > Polizist:innen im Norden bekommen zu wenige Schießtrainings. Damit
       > sie trotzdem eingesetzt werden können, wurden die Anforderungen
       > herabgesetzt.
       
 (IMG) Bild: In Schleswig-Holstein nicht für alle Polizist:innen möglich: Einsatztraining wie hier 2020 bei der Berliner Polizei
       
       Hamburg taz | In Schleswig-Holstein fallen die obligatorischen
       Schießübungen für Polizist:innen häufig aus. Die Schießstände sind
       marode und für Einsatztrainings fehlt es an Personal. Das kam durch eine
       SPD-Anfrage heraus.
       
       Laut dem Berliner Institut für Bürgerrechte und öffentliche Sicherheit sind
       allein in diesem Jahr bundesweit sieben Menschen durch Polizeischüsse
       [1][gestorben]. Oft sind die Opfer psychisch krank. Regelmäßig gibt es
       [2][Kritik sowohl am Schusswaffengebrauch] als solchem als auch daran, wie
       häufig er [3][tödlich ausgeht].
       
       Die Situation ist in Schleswig-Holstein besonders alarmierend. Von den
       sogenannten Raumschießanlagen, die für Schießtrainings nötig sind, befinden
       sich viele in einem derart schlechten Zustand, dass keine Schießtrainings
       durchgeführt werden können. In Kiel beispielsweise ist die Raumschießanlage
       seit mittlerweile zweieinhalb Jahren geschlossen, acht weitere Anlagen sind
       nur eingeschränkt nutzbar. Dies geht aus der [4][Antwort der
       Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des SPD Abgeordneten Niclas
       Dürbrook] hervor.
       
       Polizist:innen hätten ihn auf die Probleme hingewiesen, so Dürbrook.
       Seither verfolge er das Thema aufmerksam. Seiner Ansicht nach ist die Lage
       in Schleswig-Holstein im bundesweiten Vergleich einmalig: „Probleme gibt es
       in anderen Bundesländern auch, aber laut unserer Kenntnis ist die Situation
       nirgendwo auch nur ansatzweise vergleichbar“, so Dürbrook.
       
       ## In Lübeck bekam jede:r Dritte gar kein Training
       
       Denn zusätzlich zu den nicht nutzbaren Trainingsanlagen geht es auch um die
       Einsatztrainings, die Polizist:innen zweimal jährlich absolvieren
       müssen. Keine einzige Polizeidienstelle in Schleswig-Holstein konnte im
       letzten Jahr ausreichend viele Trainings für alle Polizeibeamt:innen
       anbieten. In Lübeck zum Beispiel nahmen nur 797 von 1.179
       Polizist:innen teil. Das heißt rund 400 Beamte haben in dieser
       Polizeidirektion 2023 an gar keinem Training teilgenommen, obwohl sie sogar
       zwei mal jährlich vorgesehen sind.
       
       Damit die Polizist:innen trotzdem eingesetzt werden können und nicht
       komplett ausfallen, wurde „Ende 2022 eigens der Schießerlass angepasst“, so
       Dürbrook, „damit Beamte ihre Dienstwaffe auch dann weiterführen dürfen,
       wenn sie das Schießtraining nicht wie vorgeschrieben absolvieren konnten“.
       Das bedeutet, dass diese Polizist:innen im Zweifel in Extremlagen
       geschickt werden, die sie teilweise über ein Jahr nicht trainiert haben.
       
       Das kritisiert auch die Gewerkschaft der Polizei. Sie fordert, viel Geld in
       die Hand zu nehmen, um die Anlagen zu modernisieren und Personal für
       Einsatztrainings zu organisieren, das entsprechende Training durchführen
       kann. Ihr Vorsitzender in Schleswig-Holstein, Torsten Jäger, macht klar:
       „Unsere Kolleginnen und Kollegen dürfen nicht ohne Trainings in Einsätze
       gehen.“
       
       Die Probleme in Kiel, Lübeck, Heide, Itzehoe und Co. bestehen nicht erst
       seit kurzem. Niclas Dürbrook hat im Frühjahr 2023 aufgrund der von
       Polizist:innen an ihn herangetragenen Berichte die erste Kleine Anfrage
       gestellt. Das Problem müsste aber schon länger bekannt sein, die
       Schießanlage in Heide etwa ist seit fünfeinhalb Jahren nur eingeschränkt
       nutzbar.
       
       ## Das Innenministerium vertröstet aufs nächste Jahr
       
       Auf taz-Nachfrage verweist das Innenministerium auf vorgesehene Sanierungen
       und laufende Planungen zu längerfristigen Bedarfen. Ergebnisse sollen im
       dritten Quartal 2025 vorliegen. Die Schießausbildungen würden bis zur
       vollendeten Sanierung auf Schießanlagen anderer Polizeidirektionen oder auf
       externen Plätzen, beispielsweise von der Bundeswehr, durchgeführt.
       
       Auch mit Blick auf die Einsatztrainings sieht das Innenministerium keine
       Gefahr für die Sicherheit im Land, da schon in der ursprünglichen
       Ausbildung der Beamt:innen „ein wesentlicher Schwerpunkt auf das
       Einsatztraining gelegt“ werde. „Sobald die Polizistinnen und Polizisten
       ihren Dienst auf den Dienststellen verrichten, gelten sie als fertig
       ausgebildet und sind folglich auch handlungsfähig in den Einsatzlagen“, so
       das Ministerium. Außerdem würden „Präsenzdienststellen“ bei den Trainings
       priorisiert. Trotzdem könne es aufgrund von Einsatzlagen und Krankheit der
       Beamt:innen dazu kommen, dass Polizist:innen an einem Training nicht
       teilnehmen könnten. In Lübeck betraf das immerhin jede:n Dritte:n.
       
       3 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Toedlicher-Polizeieinsatz-in-Nienburg/!5999138
 (DIR) [2] /Polizeieinsatz-in-Hamburg/!6017523
 (DIR) [3] /Kriminologe-ueber-Polizeischuesse/!6000538
 (DIR) [4] https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl20/drucks/02200/drucksache-20-02215.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mika Backhaus
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Polizei Schleswig-Holstein
 (DIR) Schleswig-Holstein
 (DIR) Tödliche Polizeischüsse
 (DIR) Polizeigewalt
 (DIR) Polizeieinsatz
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) GNS
 (DIR) Messerangriff
 (DIR) Polizeigewalt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Polizeieinsatz in Hamburg: Schüsse werfen Fragen auf
       
       Ein Mann bedroht auf der Reeperbahn mit einem Schieferhammer und
       Molotowcocktail Umstehende. Die Polizei schießt. Musste das sein?
       
 (DIR) Messerattacke in Sachsen-Anhalt: Polizei erschießt Angreifer
       
       Am Freitag hat ein Mann in Wolmirstedt eine Person mit einem Messer
       getötet, mehrere wurden verletzt. Attackiert wurde laut Behörden auch eine
       private EM-Feier.
       
 (DIR) Kriminologe über Polizeischüsse: „Fehlerhaftes polizeiliches Handeln“
       
       Der von Polizisten erschossene Lamin Touray war in einer psychischen Krise.
       Warum greift die Polizei bei psychisch Kranken so schnell zur Waffe?