# taz.de -- „Older Wiser Lesbians“: Nachtbaden mit Eulen
       
       > O.W.L.s sind zum geflügelten Wort in der queeren Community geworden. Das
       > ist nur logisch, denn Eulen sind schöne, kluge und sogar schwimmfähige
       > Wesen.
       
 (IMG) Bild: Die Eule, ein geflügeltes Wort
       
       Die Eule ist jener Vogel der Nacht, der den Kopf ganz weit nach hinten
       drehen kann, um alles genau zu beobachten. Kein Wunder dass sie queeres,
       lesbisches Wissen symbolisiert.
       
       Dass die „Older Wiser Lesbians“, kurz O.W.L.s, zum geflügelten Wort in der
       queeren Community geworden sind, ist nur folgerichtig. Im Vergleich zur
       Junghaltungsindustrie im heteronormativen Spätkapitalismus verlaufen in
       sapphischen Konstellationen die Codes des Begehrens entlang der Achse Alter
       in die umgekehrte Richtung. Je mehr Lebenserfahrung dem Gesicht einer
       Person abzulesen ist, desto attraktiver macht es sie.
       
       Und damit meine ich nicht nur Hotness, sondern vor allem die Achtung, die
       wir den Generationen vor uns entgegenbringen. Achtung, für all das, was sie
       politisch erstritten haben. Für jede Verhaftung, die sie riskiert haben.
       Für jeden Job, aus dem sie gefeuert wurden. Für jedes Kind, für das ihnen
       das Sorgerecht entzogen wurde. Für jeden an Aids erkrankten Weggefährten,
       für dessen Recht auf medizinische Versorgung sie gekämpft haben. Für all
       die queeren Teenager, denen sie ein neues Zuhause geschaffen haben.
       
       O.W.L.s haben wir eine Neuordnung in Fragen der Repräsentation in Medien
       und Kunst zu verdanken. Erinnern wir uns nur an die Interventionen, mit
       denen die Guerrilla Girls bis heute die klaffenden Gender Gaps und
       rassistischen Ressentiments in Museen aufzeigen. Oder den
       [1][„Bechdel-Test“,] der nach der Challenge der Comiczeichnerin Alison
       Bechdel benannt ist, Filme zu finden, in denen weibliche Figuren nicht
       hauptsächlich über männliche Figuren sprechen.
       
       ## Aufgeplustert und fluffy
       
       Seitdem ich der Spur der namensgebenden Tiere, die sich aus dem Akronym
       O.W.L.s so schmeichelnd ergibt, gefolgt bin, habe ich immer mehr über Eulen
       gelernt. Zum Beispiel, dass sie Wasser mögen, um sich zu putzen. Eulen
       baden nämlich gerne in kleinen Pfützen oder Tümpeln. Wenn sie bei Menschen
       wohnen, auch schon mal in einem Napf. Einige Eulen nehmen auch gerne
       Schneebäder, um ihr Gefieder zu reinigen. Ist ja schließlich auch Wasser.
       An Flussläufen waten Eulen ins Wasser und prusten den Schmutz weg. Nach dem
       Baden schütteln sie ausgiebig die Flügel. Sie sehen dann für einen Moment
       ganz aufgeplustert und fluffy aus.
       
       Was mich kürzlich so richtig umgehauen hat, war [2][ein Video von einer
       Eule, die durch einen Canyon schwimmt.] Und zwar nicht mit den Füßen wie
       eine Ente mit Schwimmhaut an den Zehen, sondern weit ausholend mit
       ausgebreiteten Flügeln. Sie sei wahrscheinlich in Not, stand unter dem
       Video, und könne erst wieder losfliegen, wenn sie an Land sei und das
       Wasser wieder aus ihrem Gefieder schütteln könne. Dabei sah sie gar nicht
       gehetzt aus, sondern fast schon tiefenentspannt, wie sie in aller Ruhe mit
       dem nächsten Flügelschlag die nächste Bahn zog.
       
       Ich versuche das auch jeden Tag zu lernen, den reaktionären Quatsch an mir
       vorbeiziehen zu lassen und mir vorzustellen, er fließe rechts und links wie
       von einer Flussströmung getragen an mir vorbei. Das ist nicht einfach, denn
       wie es [3][die Queertheoretikerin Sara Ahmed] einmal formuliert hat, sind
       Emotionen, die von außen immer wieder an uns gerichtet werden, „sticky“,
       also so richtig klebrig wie ein ätzender Kaugummi.
       
       Da hilft vielleicht noch ein zweites Bild, das „Gewölle“ nämlich, das Eulen
       aus ihrem Hals würgen und über das sie all das ausspucken, was unverdaulich
       ist. Dort ragen dann Knochenreste und Plastikmüll heraus.
       
       Wer weiß, welche Fähigkeiten wir freisetzten würden, wenn wir all die
       negative Anrufungen, die kein Mensch braucht, einfach wieder auskotzen
       könnten.
       
       20 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kampf-gegen-das-Patriarchat/!5880054
 (DIR) [2] https://www.dailymotion.com/video/x87h58z
 (DIR) [3] /Sara-Ahmed-ueber-Feminismus/!5513932
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Noemi Molitor
       
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