# taz.de -- Parlamentswahlen in Frankreich: Demokratischer Endspurt
       
       > Vor der Stichwahl in Frankreich am Sonntag kämpft das Linksbündnis NFP in
       > Lille noch um letzte Stimmen. Unterwegs in einem gespaltenen Land.
       
 (IMG) Bild: Der 38-jährige Medhi (links), der Politiker Ugo Bernalici (Mitte), Renterin Patricia Golabek und die Studentin Morgan
       
       Croix, Lille und Seclin taz | Das Lokal „Le Flandre“ in Seclin ist nicht
       eines, in das man als Außenstehende reinkommt und alles wird plötzlich
       still. Die Kneipe ist auch ein Tabakwarengeschäft, Lotto-Lose werden hier
       verkauft, es herrscht ein reges Kommen und Gehen. Der Geruch von Anis liegt
       in der Luft. Es ist knapp nach 13 Uhr – für zwei Männer an einem kleinen
       Tisch eine gute Zeit, sich einen Pastis mit der dazugehörigen Wasserkaraffe
       zu leisten. Ob und wen sie am Sonntag wählen wollen – keine Ahnung. „Ich
       wähle RN – immer schon“, mischt sich die 62-jährige Sandrine ein. Stolz
       erfüllt ihre Stimme. Sie hat fast ihr ganzes Leben als Putzkraft
       gearbeitet, jetzt ist sie in Rente.
       
       Um über die Runden zu kommen, geht sie jeden Dienstag zur Essensausgabe der
       „restos du coeur“, einer ähnlichen Organisation wie die Tafel in
       Deutschland. „800 Euro bekomme ich monatlich. Es reicht nicht“, sagt sie
       wütend. „Die Einwanderer dagegen kommen hier an und bekommen einfach ein
       Haus“, glaubt die Rentnerin zu wissen. Die Vorschläge des Linksbündnisses
       Neue Volksfront (NFP) wiederum gefallen ihr gar nicht. Ein
       Netto-Mindestlohn von 1.600 Euro – „Wer soll das zahlen? Das macht doch
       kein Arbeitgeber mit!“ Auch zur Preisdeckelung von lebensnotwendigen Gütern
       macht sie nur eine wegwerfende Handbewegung: Populismus. Was sie sich von
       der rechtsextremen Partei [1][Rassemblement National (RN)] an der Macht
       erhofft? Nichts Besonderes. Aber man müsse es wenigstens mal ausprobieren,
       findet sie. „Wissen Sie, ich brauche ja nicht viel“, sagt Sandrine. „Mit
       1.000 Euro wäre ich schon zufrieden. Wenn ich das im Monat hätte, dann
       würde ich nicht mal wählen gehen.“
       
       Sandrine gehört zu den 40,07 Prozent Wähler*innen aus dem 5. Wahlkreis
       im Département Nord, die am 30. Juni für den rechtsextremen Rassemblement
       National gestimmt haben. Dass sie „immer schon“ so gewählt habe, ist in
       Seclin, einer Kleinstadt nahe von Lille im Norden Frankreichs, allerdings
       eher selten. „Ich war früher Kommunist“, sagt Pascal, der diesen Sonntag
       ebenfalls dem RN seine Stimme geben wird. „Ich habe die Kommunisten gewählt
       wie alle anderen auch. Aber dann wurden wir verraten.“ Der
       Anfangsechzigjährige glaubt nicht mehr an die Versprechen der Linken.
       Vorher hat er im Transportwesen gearbeitet, viel geschleppt. Nun sei er im
       Krankenstand, sein Rücken sei von der Arbeit kaputt. Seine Zähne sind es
       auch. Ob es ihm gut gehe? „Man ist froh, wenn man sich bis zum Ende des
       Monats durchschlägt“, sagt er.
       
       Als am Abend der [2][EU-Parlamentswahlen] am 9. Juni die krachende
       Niederlage des Mitte-Lagers unter Präsident Emmanuel Macron klar wurde,
       hatte der Präsident überraschend das Parlament aufgelöst und Neuwahlen in
       einem Zeitraum von drei Wochen ausgerufen. Die erste Wahlrunde fand am 30.
       Juni statt. Nun kommen alle Parteien mit mehr als 12,5 Prozent in ihrem
       Wahlkreis in die zweite Runde – der oder die Sieger*in erhält einen der
       577 Sitze im Parlament. Landesweit stimmten etwa 33 Prozent der
       Wahlberechtigten für die rechtsextreme Partei Rassemblement National (RN).
       28 Prozent der Stimmen gingen an das Linksbündnis „Neue Volksfront“ (NFP)
       und 20 Prozent an das Parteienbündnis, das ironischerweise den Namen
       „präsidentielle Mehrheit“ trägt. Von einer Mehrheit für die Macron-Parteien
       kann allerdings längst keine Rede mehr sein.
       
       In 297 von 577 Wahlkreisen lagen die Rechtsextremen im ersten Wahlgang
       vorne. In 39 Wahlkreisen haben sich RN-Kandidat*innen mit mehr als 50
       Prozent der Stimmen direkt im ersten Wahlgang als Parlamentsabgeordnete
       durchgesetzt – davon allein 12 in den nördlichen Départements Nord und
       Pas-de-Calais. In den anderen Wahlkreisen gibt es am 7. Juli eine zweite
       Wahlrunde. Es könnte sein, dass der rechtsextreme RN mehr als die Hälfte
       aller Sitze im Parlament erhält. Mit einer absoluten Mehrheit würde der
       Parteivorsitzende [3][Jordan Bardella] Premierminister, außerdem könnte die
       Partei dann das Land mehr oder weniger kompromisslos regieren. Zu Bardellas
       Plan gehört unter anderem, dass Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft
       bestimmte Berufe nicht mehr ausüben sollen.
       
       Mehrere schwarze Personen sitzen ebenfalls vereinzelt im Lokal „Le
       Flandre“. Eine Frau aus der Elfenbeinküste, die nicht wählen wird, sagt:
       Sollte Marine Le Pen an die Macht kommen, müsse man das akzeptieren. Ein
       deutlich unangenehmeres Gefühl scheint der Rentner Amadou zu haben, der
       eigentlich in Paris wohnt und nur wegen Ausweispapieren nach Seclin kommen
       musste. In der Kneipe füllt er gerade seine Lotto-Lose aus. Er war vorher
       Philosophielehrer und sagt mit leiser Stimme, dass er in Paris für das
       Linksbündnis NFP stimmen werde.
       
       NFP hat nach dem ersten Wahlgang angekündigt, in allen Wahlkreisen seine
       Kandidat*innen zurückzuziehen, in denen sie nur drittstärkste Kraft
       geworden sind. Damit verzichten linke Kandidat*innen auf eine
       Machtoption, geben ihre Stimmen den gegnerischen und liberalen
       Mitte-Parteien rund um Macron. Damit setzen sie die klare Priorität:
       Hauptsache, die Rechtsextremen [4][kommen nicht an die Macht]. Die
       Mitte-Parteien „Ensemble!“ und „Horizons“ sind hingegen zögerlicher, was
       ihre Positionierung gegen die Rechtsextremen angeht. Ex-Premierminister
       Édouard Philippe warnte vor beiden Extremen und sagte, er wolle weder dem
       NFP noch dem RN seine Stimme geben. Damit setzt er das demokratisch und
       menschenrechtlich angelegte Linksbündnis mit einem autoritären und
       rechtsextremistischen Vorhaben gleich. Nach und nach besannen sich eine
       Reihe von Mitte-Kandidaten, im Falle einer Drittplatzierung auch ihre
       Kandidatur zurückzuziehen.
       
       Wirft man einen Blick auf die Einfärbungen der Wahlkreis-Landkarte im
       Département Nord, fällt eine gelb-rosa Insel inmitten der braunen
       RN-Einfärbungen auf. Das ist Lille. In der Stadt wird überwiegend links,
       manchmal auch liberal gewählt, in den Vororten und in der ländlichen
       Umgebung hingegen hat der RN teilweise mehr als 50 Prozent geholt. „In den
       ländlichen Gebieten sowie in den Mittel- und Kleinstädten gibt es ein
       Gefühl der Verlassenheit“, erläutert der französische Ökonom Thomas Piketty
       gegenüber der taz. Zu dem Thema hat er erst 2023 mit der Autorin Julia Cagé
       ein Buch geschrieben. „Solche Orte haben die Deindustrialisierung der
       letzten Jahrzehnte mit voller Wucht abbekommen“, so Piketty. Es gebe kaum
       Zugang zu öffentlichen Diensten – wie Nahverkehr, Krankenhäuser,
       Universitäten. „Die Wahlen 2024 zeigen, dass dieser territoriale Bruch sich
       noch verschärft hat: Seit einem Jahrhundert waren die Unterschiede im
       Wahlverhalten zwischen großen, städtischen Agglomeraten und kleinen Orten
       nicht mehr so enorm.“
       
       Der Kontrast zwischen dem kleinen Lokal in Seclin und der Innenstadt von
       Lille untermalt diese Aussagen geradezu bilderbuchartig. Am Dienstagabend
       nach der ersten Wahlrunde trifft sich eine Gruppe von linken Aktivisten an
       der Metrostation Marbrerie. Es ist hier längst nicht mehr so schick wie in
       der Altstadt. Ugo Bernalicis kommt dennoch in Anzug zum Flyer-Stand seiner
       Partei „La France insoumise“ (LFI), die zu dem Linksbündnis NFP gehört. Er
       hat in der ersten Runde 47,3 Prozent der Stimmen in diesem Wahlkreis von
       Lille erhalten – seine Wiederwahl ins Parlament im zweiten Wahlgang gilt
       als gesichert. Doch auch für den Rest Frankreichs gibt der LFI-Politiker
       sich zweckoptimistisch. „Wir geben nicht auf“, sagt er, „denn das ist in
       erster Linie eine Kopfsache. Wenn man nicht glaubt, dass man gewinnen kann,
       dann gehen die Leute auch nicht wählen.“ Bernalicis schwingt also
       leidenschaftliche Reden, welche Möglichkeiten es noch gibt, das Ruder
       herumzureißen. „Es gibt noch eine gute Million Leute, die mobilisiert
       werden können“, ist er überzeugt.
       
       Die Wahlbeteiligung lag bei dieser ersten Runde der Parlamentswahlen
       allerdings schon vergleichsweise hoch. 66,7 Prozent der Wahlberechtigten
       gaben ihre Stimme ab – bei den letzten Parlamentswahlen 2022 waren es nur
       47,5 Prozent. Bernalicis vergleicht die Beteiligung allerdings nicht mit
       den letzten Parlamentswahlen, sondern mit den Präsidentschaftswahlen, bei
       den traditionell immer mehr Menschen ihre Stimme abgeben. 2022 lag die
       Beteiligung bei 72 Prozent und war damit trotzdem historisch niedrig.
       
       „Vergessen Sie nicht, am Sonntag wählen zu gehen“, ruft die 23-Jährige
       Morgane den Menschen zu, die auf der Rolltreppe an der Metrostation
       hochkommen. Sie drückt ihnen zwei Flyer in die Hand: Einen Flyer der NFP
       und einen der Partei La France insoumise (LFI). Die Studentin ist selbst
       kein Parteimitglied und will es auch nicht werden. Sie hat sich erst vor
       zwei Wochen dem Aktionsteam in ihrem Viertel angeschlossen, kurz nach
       Macrons Ankündigung von Neuwahlen. „Wie viele andere Studierende habe ich
       am Tag der Parlamentsauflösung gedacht: Jetzt ist der Moment, wo man etwas
       tun muss.“ Der Moment, in dem eine rechtsextreme Machtübernahme so nahe und
       gefährlich wie noch nie erscheint.
       
       Auch den 38-jährigen Medhi hat das in Bewegung versetzt. Er ist heute zum
       ersten Mal dabei, hat vorher noch nie Flyer verteilt. „Es ist dringend
       notwendig“, sagt er. Auf den Flugblättern stehen ein paar Direktmaßnahmen
       übersichtlich aufgelistet, auf die sich das Linksbündnis aus Kommunisten,
       Grünen, Sozialisten und France Insoumise geeinigt habt: ein monatlicher
       Netto-Mindestlohn von 1.600 Euro, eine Deckelung der Preise von
       Lebensmitteln, die Rücknahme der umstrittenen Rentenreform, ein Plan zur
       Bekämpfung von Antisemitismus, Rassismus und Islamophobie. Auch steht dort
       geschrieben, wogegen Jordan Bardellas Partei RN in der Vergangenheit
       gestimmt hat – etwa die Besteuerung von „Superprofiten“ oder ein Programm
       zur Bekämpfung von Ärztemangel in ländlichen Gegenden.
       
       Manche Passant*innen lehnen die Flyer ab, weil sie ohnehin schon
       überzeugt sind. „Alles Gute“ wünschen sie im Vorbeigehen. Andere nehmen die
       Flyer freudig routiniert entgegen. „Am meisten Diskussion gab es bei einer
       Flyer-Aktion vor einer Schule, als die Eltern ihre Kinder abgeholt haben“,
       erzählt Morgane. Da seien nicht alle so in Eile gewesen, hätten sich auf
       Gespräche eingelassen. In den Gesprächen fiel ihr auf, dass viele Menschen
       überhaupt nicht wählen gehen. „Ich verstehe das und finde es interessant,
       mit ihnen darüber zu sprechen und ihnen vielleicht Lust zu machen, es doch
       zu tun, selbst wenn es nur ein oder zwei Leute sind“, sagt sie.
       
       Während Morgane, Medhi, Ugo Bernalicis und die Rentnerin Patricia Golabek
       am Stand stehen bleiben und den Metro-Eingang bespielen, ziehen drei junge
       Studenten los, um die Flugblätter in die Briefkästen im Viertel zu werfen.
       Ob es nicht sinnvoller sei, ein paar Kilometer aus Lille herauszufahren?
       Dort mit Menschen zu sprechen, wo durchschnittlich jede*r zweite
       rechtsextrem wählt? Die langjährige Aktivistin Patricia Golabek zuckt mit
       den Schultern. Dazu habe es Aufrufe gegeben, ja schon. „Ich selbst habe
       gesundheitliche Probleme und brauche einen Stock zum Gehen“, sagt sie. Für
       sie sei das zu anstrengend, aus der Stadt zu fahren. Die anderen wissen
       nicht ganz, was sie darauf sagen sollen. Es scheint so, als hätten sie
       darüber noch nicht nachgedacht.
       
       Die Situation beschreibt eine offene Wunde unter den Linken. „Langfristig
       muss die Linke einen großen Teil der unteren Mittelklasse in den
       Kleinstädten zurückgewinnen“, sagt auch Wirtschaftswissenschaftler Piketty.
       „Die soziale Ungleichheit muss als Thema die Überhand gewinnen über das
       Thema der Spaltung zwischen Stadt und Land.“
       
       Doch RN-Wähler*innen, das ist nicht nur die enttäuschte
       Arbeiter*innenklasse der deindustrialisierten Kleinstädte. Die
       Mittvierzigerin Régine etwa gehört vermutlich eher nicht zur Kundschaft der
       Kneipe „Le Flandre“. Sie fährt einen stattlichen SUV, arbeitet in einer
       Anwaltskanzlei in Lille, lebt in der Nähe von Seclin und bezeichnet sich
       überraschend als untere Mittelschicht. „Ja, ich wähle seit ein paar Jahren
       schon RN“, bekennt sie ohne Umschweife. Kaufkraft und finanzielle
       Verbesserungen interessieren sie allerdings nur mäßig. „Aber die soziale
       Hängematte muss ein Ende haben!“, ist ihre vehemente Überzeugung. Und:
       Sicherheit! Ja, auf dem Land sei alles mehr oder weniger in Ordnung. „Aber
       gehen Sie mal nach Lille. Da hängen diese ganzen Jugendlichen ab, überall
       wird man belästigt, selbst in den Läden.“
       
       Es gibt noch wohlhabendere RN-Wähler*innen als Régine. In Croix, das zum
       Großkonglomerat von Lille gehört und im selben Metronetz verbunden ist, ist
       die Konzentration an sehr reichen Bewohner*innen unter den höchsten in
       Frankreich. Hier stehen hübsche Villen hinter hochgezogenen Zäunen, ein
       Tennisplatz bietet Freizeitbeschäftigung, das gesamte Viertel wird
       videoüberwacht. Zu sprechen ist hier niemand, man ist verschanzt hinter
       Zäunen oder fährt mit dem Auto direkt in die Garage. Es gibt buchstäblich
       kaum Kontakt zur Straße. Stärkste Kraft in Croix sind die neoliberalen
       [5][Macron-Parteien] geworden, gefolgt von einer grünen Kandidatin des
       Linksbündnis NFP. Und doch hat auch hier der Rassemblement National an
       dritter Stelle ganze 28 Prozent der Stimmen erhalten. Tatsächlich
       schmeichelt das Wirtschaftsprogramm von Jordan Bardella den Reichen. Die
       Partei hat gegen die Besteuerung der Superprofite gestimmt und will
       zukünftig Unternehmen und Arbeitnehmer steuerlich entlasten.
       
       Zurück in der Kneipe „Le Flandre“ in der Kleinstadt Seclin: „Ich habe
       Angst, ja“, sagt Inès, die draußen vor dem Café steht und an ihrer
       Zigarette zieht. Nicht vor einem autoritären Umbau, auch nicht vor einer
       rechtsextremen Regierung als solcher. „Wenn der RN gewinnt, dann wird hier
       alles brennen“, fürchtet sie. Sie selbst wisse nicht, wen sie wählen soll.
       „Aber wenn der RN durchkommt, werden uns alle vorwerfen, Rassisten zu sein,
       man wird uns zerstören wollen. Ich habe Angst vor einem Bürgerkrieg.“
       
       „Ihnen sage ich gar nichts“, ruft ein anderer Mann schnippisch und baut
       sich mit verschränkten Armen vor dem Eingang des Lokals auf. „Ich werde
       eure Umfragen nicht noch weiter füttern.“ Doch der Mann im Trägerhemd
       bleibt trotzdem stehen. „Ich glaube nicht, dass ich wählen gehe“, sagt er.
       „Sein Vater“, sagt RN-Wähler Pascal, „wäre vor vielen Jahrzehnten einmal
       fast der Bürgermeister von Seclin geworden.“ Als Kommunist. Und jetzt wähle
       er also RN? „Nein, nein.“ Der Mann wendet sich ab. Ein paar Minuten später
       taucht er wieder auf. „Na los, fragen Sie mich alles.“
       
       Im Tête-à-Tête an einem Tisch drinnen stellt er sich als Alain Crespel vor
       und erzählt wie in einem Bekenntnis, dass der Rechtsextremismus ihm Angst
       mache. Auch er sei tief enttäuscht von den vermeintlich linken Politikern.
       Aber der RN sei rassistisch. Es scheint, als sei es ihm äußerst peinlich,
       das zu sagen. Er ist ein Freund von Pascal. Ob er mit ihm darüber redet?
       „Nein, nie“, antwortet Alain knapp. Man kenne sich lange, lasse sich seine
       Ansichten. Dann korrigiert er seine Aussage von vorhin: Ja, ja, natürlich
       gehe er wählen am Sonntag. Allein, um die Erinnerung seines kürzlich
       verstorbenen und antifaschistischen Vaters aufrechtzuerhalten, und weil es
       auch sonst einfach notwendig sei.
       
       Laut Thomas Piketty gibt es neben Nichtwähler*innen eine andere Gruppe,
       auf die es am Sonntag ankommt. „Alles wird von den Macron-Wählern
       abhängen“, sagt er. „Ich hoffe sehr, dass sie die Linke dem RN vorziehen,
       trotz der unverantwortlichen Aussagen der Regierung, die teilweise die
       nationalistische Rechte mit der Linken gleichsetzt.“ Wenn die
       Wahlbeteiligung hoch sei, gebe es eine Chance, dass die linken Kräfte
       wenigstens einigermaßen gleichauf mit den Rechten seien, und dann auch
       gleich stark im Parlament vertreten. „Damit bleiben die Karten offen.“
       
       6 Jul 2024
       
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