# taz.de -- Gefangene in Belarus: Zum Sterben nach Hause
       
       > Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko amnestiert über 2.000
       > Häftlinge. Auch todkranke politische Gefangene werden freigelassen.
       
 (IMG) Bild: Amnestiert auch einige politische Gefangene: Staatschef Alexander Lukaschenko
       
       Berlin taz | Der autokratische belarussische Präsident Alexander
       Lukaschenko kann auch anders und lässt zur Abwechslung einmal Gnade walten:
       Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung der Ex-Sowjetrepublik von der
       Besatzung durch Nazi-Deutschland unterzeichnete er am vergangenen Dienstag
       ein Gesetz über eine Amnestie von Häftlingen.
       
       Offiziellen Angaben zufolge sind von dieser Regelung insgesamt 7.850
       Verurteilte betroffen. Unverzüglich freikommen sollen 2.090
       Gefängnisinsass*innen, 800 Bewährungsstrafen werden erlassen, genau
       so wie 40 Personen ihre Administrativhaft. Die Haftstrafen von 260
       Gefangenen werden zur Bewährung ausgesetzt sowie in 4.550 Fällen
       Gefängnisstrafen jeweils um ein Jahr reduziert. Personen, die „in
       extremistische“ und „terroristische“ Aktivitäten involviert gewesen sind,
       sollen jedoch nicht unter die Amnestie fallen.
       
       Bei einem öffentlichen Auftritt am Dienstag dieser Woche hatte Lukaschenko
       angedeutet, dass auch Inhaftierte, die in Zusammenhang mit ihrer Teilnahme
       an Massenprotesten 2020 verurteilt worden waren, von dem Straferlass
       profitieren könnten. Vor allem jedoch sollten Personen auf freien Fuß
       kommen, die ernsthaft erkrankt seien.
       
       Im Zuge der gefälschten Wiederwahl Lukaschenkos am 9. August 2020 war es in
       Belarus zu wochenlangen Massenprotesten gekommen. Mehr als 35.000 Menschen
       wurden festgenommen, Repressionen gegen Andersdenkende massiv verschärft.
       Das Register von „[1][Extremisten] ist seitdem deutlich gewachsen – auf
       mehr als 4.000 Personen. Auch der belarussische Geheimdienst KGB war nicht
       untätig: Auf seiner Liste von „Terroristen“ stehen derzeit mehr als 400
       Namen.
       
       ## Versuchter Staatsstreich
       
       Angaben verschiedener Menschenrechtsorganisation zufolge sitzen derzeit
       1.409 [2][politische Gefangene] in Gefängnissen und Straflagern ein. Laut
       der belarussischen Menschenrechtsgruppe Vjasna (Frühling) gibt es unter
       ihnen aktuell 254 Personen mit schweren Erkrankungen und/oder
       Beeinträchtigungen.
       
       Am Mittwoch meldete Vjasna die Freilassung von mindestens neun politischen
       Gefangenen, drei Frauen und sechs Männer. Unter ihnen ist auch Rygor
       Kastuhusjou. Der 67-jährige oppositionelle Politiker war bei der
       Präsidentenwahl 2010 für die Partei Belarussische Volksfront (BNF) gegen
       Alexander Lukaschenko angetreten.
       
       Seit 2017 ist Kastuhusjou Vorsitzender der BNF, die mittlerweile verboten
       ist. Am 12. April 2021 wurde Kastuhusjou festgenommen. Der Vorwurf lautete
       unter anderem auf Verschwörung und versuchten Staatsstreich – mit dem Ziel,
       die Macht zu ergreifen.
       
       Im September 2022 wurde Kastuhusjou zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt.
       Seitdem hat sich sein Gesundheitszustand rapide verschlechtert. In Haft
       wurde eine Krebsdiagnose gestellt. Dennoch kam Kastuhusjou mehrmals in
       Isolationshaft und wurde nach einer Operation im vergangenen April wieder
       ins Gefängnis verlegt.
       
       ## Illegitimer Präsident
       
       In einem Brief an seine Frau vom vergangenem Februar, den die
       oppositionelle Novaya Gazeta Europe zitiert, heißt es: „In sechs Jahren
       werden es 50 Jahre sein, dass wir unser Leben miteinander verbringen. Ich
       habe früher immer über dieses Datum nachgedacht. Ich möchte viele Gäste
       einladen und groß feiern. Doch mittlerweile blicke ich leider viel
       pessimistischer darauf. Mein Optimismus ist geschwunden, denn es scheint
       eine schwierige Aufgabe zu sein, noch sechs Jahre zu leben.“
       
       Lukaschenko ist seit 1994 an der Macht. Die westlichen Staaten erkennen die
       Ergebnisse der Wahl 2020 nicht an und betrachten den 69-Jährigen nicht als
       legitimen Staatschef. Wegen des harten Repressionskurses haben mehrere von
       ihnen gegen Lukaschenko Sanktionen verhängt. Die letzte Amnestie in Belarus
       war 2022 verfügt worden. Politische Gefangene waren nicht davon betroffen.
       
       4 Jul 2024
       
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