# taz.de -- Alkoholverkaufsmonopol in Schweden: „Freiheitsreform“ als Schnapsidee
       
       > Die schwedische Regierung will mittels leichter Lockerung der Regeln für
       > den Alkoholverkauf das Land etwas näher an das restliche Europa rücken.
       
 (IMG) Bild: Bis jetzt gibt es diese Getränke in Schweden nur im staatlichen Geschäft Systembolaget
       
       Er sparte nicht mit großen Worten: Eine „Freiheitsreform“ nannte Schwedens
       Premier Ulf Kristersson den Gesetzesvorschlag, der sofort ein Thema des
       Tages wurde. Schweden werde damit ein bisschen mehr wie das restliche
       Europa, so Kristersson. Er meinte den Teil von Europa, in dem es sehr
       einfach ist, Alkohol zu kaufen. Notfalls nachts im Tankstellenshop. Ganz so
       weit würde Schweden natürlich niemals gehen, das wäre unvorstellbar.
       Dennoch, ein Hauch von mehr Alkoholfreiheit lag auch hier plötzlich in der
       Luft.
       
       Dass selbst dieser Hauch ewig diskutiert wurde und auf starke Reaktionen
       stößt, liegt an der streng geregelten Gesamtlage. Wenn ich zum Beispiel
       meinen kleinen Ort zum Einkaufen nicht verlassen wollte, käme ich nur mit
       guter Vorplanung legal an Alkohol. Bis spätestens Mittwoch muss ich
       bestellen, und ab Freitag steht die heiße Ware im Dorfladen zur Abholung
       bereit. Um diesen Service anzubieten, mussten die Ladenbesitzerinnen einen
       Antrag beim staatlichen Monopolgeschäft Systembolaget stellen – und sich
       gedulden.
       
       Seit 1955 gibt es das Monopol. Systembolaget hat den Auftrag, Menschen
       aufzuklären und vor übermäßigem Konsum zu schützen. Das tun die
       Alkoholläden etwa mit kurzen Öffnungszeiten – samstags nur bis 15 Uhr,
       sonntags geschlossen. Und Käufer, die sonst mit 18 mündig sind, müssen hier
       mindestens 20 sein. Angetrunkene bekommen nichts und an den Kassen stehen
       „Ach, ich will doch nicht“-Kisten, damit die Schwelle zum Sinneswandel
       niedrig ist.
       
       Nur wenige Monate nach Antragstellung kam der Systembolaget-Gutachter im
       Dorfladen vorbei, um sich von dessen Seriosität und der bedauernswerten
       Lage des Ortes zu überzeugen: Menschen ohne eigenes Fahrzeug müssten einen
       der raren Busse in die Kreisstadt nehmen, nur um eine Flasche Wein zum
       Essen zu kaufen.
       
       ## Jubel über die Lizenz für die Alkoholverkaufsaußenstelle
       
       Der Gutachter hatte ein Einsehen und erteilte dem Laden die Lizenz als
       Alkoholverkaufsaußenstelle – was in örtlichen Facebook-Gruppen erfreut
       bejubelt wurde. Weitere sechs Wochen später konnte es auch schon losgehen.
       
       Ich beschreibe das in all seiner Pracht, um Lesenden ohne Schwedenerfahrung
       ein Gefühl dafür zu geben, wie groß das Thema hier ist. Aber sollte dieses
       Monopol etwa abgeschafft werden?
       
       Die Frage ist sogar Teil des EU-Wahl-O-Mats. Und, Entwarnung: Nein, auf
       keinen Fall!, sagen fast alle Parteien. Die Zentrumspartei zeigt sich zwar
       offen für leichte Reformen, aber vor allem solle das Monopol eine
       innerschwedische Angelegenheit bleiben.
       
       Nur die Moderaten, also Kristerssons Partei, wollen den Sinn der
       Monopolstellung des Staates grundsätzlich überprüfen. Erst mal sind sie nur
       für längere Öffnungszeiten. Und, jetzt kommt's: Sie wollen, dass kleine
       Brauereien und Weinbauern eigene Produkte künftig ab Haus und Hof selbst
       verkaufen dürfen. Das ist sie, die „Freiheitsreform“, die Kristersson am
       Donnerstag vorstellte.
       
       Zehn Jahre lang war darüber debattiert worden, Gutachten wurden erstellt.
       Nun hatte auch der christdemokratische Sozialminister Jakob Forssmed keine
       Einwände: 600 Kleinbetriebe dürften profitieren, und vor allem: Das Monopol
       sei deswegen nicht in Gefahr, sagt er.
       
       ## Kritiker wittern Ende des Alkoholmonopols
       
       Natürlich wäre auch diese neue Freiheit genau geregelt: Verkauft werden
       darf nur im Anschluss an Verköstigungen und nicht nach 20 Uhr. Gäste sollen
       dann bis zu 0,7 Liter Hochprozentiges und je drei Liter Wein, sogenanntes
       Starkbier (also Bier) und Cidre mit nach Hause nehmen dürfen. Und vor allem
       würde das Gesetz nur für sehr kleine Betriebe gelten – höchstens 75.000
       Liter Hochprozentiges, höchstens 400.000 Liter Bier oder höchstens 200.000
       Liter Wein dürften sie produzieren
       
       Betreiber solcher kleinen schwedischen Weingüter und Brauereien freuen
       sich. Darauf haben sie lange gewartet. Kritiker wittern hingegen den Anfang
       vom Ende des Monopols – und negative gesundheitliche Folgen für die
       Bevölkerung.
       
       Nach WHO-Angaben aus dem Jahr 2019 übrigens konsumierten Menschen in
       Deutschland durchschnittlich 10,56 Liter reinen Alkohol pro Jahr. In
       Schweden nur 7,1. Ob das neue Gesetz daran etwas ändern würde, ließe sich
       frühestens ab Sommer 2025 sehen. Ab dann soll der Vorschlag gelten, wenn er
       durchkommt – und wenn weder Schwedens Gesetzesrat noch die EU-Kommission
       Einwände haben.
       
       ## Spontane Weinabende bleiben ein Problem
       
       Bis dahin leben die Schweden weiter mit den ihnen vertrauten strengen
       Grenzen – wenn auch manche von ihnen gelegentlich Wege daran vorbei finden.
       Dass ich beim Grillen mit Nachbarn einen Wodka-Latte gereicht bekam mit den
       Worten, der Wodka sei selbst gemacht, wirkte jedenfalls nicht ungewöhnlich.
       
       Ich selbst muss nur 15 Kilometer bis zum nächsten richtigen Schnapsladen
       fahren, sollte ich die Mittwochs-Bestellfrist verpassen. Spontane
       Weinabende blieben bei meiner schlechten Vorratshaltung ein Problem. Aber
       ich ahne, wo ich klopfen kann, sollte ungeplant ein Drink mal
       unausweichlich sein.
       
       8 Jun 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anne Diekhoff
       
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