# taz.de -- Militärische Forschung an Unis: CDU schießt gegen Zivilklausel
       
       > Die Verpflichtung der Bremer Hochschulen, nicht für militärische Zwecke
       > zu forschen, sei nicht zeitgemäß. Untergraben wurde die Klausel schon
       > früher.
       
 (IMG) Bild: Die Bremer CDU greift die Zivilklausel an und will der Uni militärische Forschung ermöglichen. Doch die wird eh schon praktiziert
       
       Bremen taz | „Ausschließlich friedliche Zwecke“ sollen die Hochschulen im
       Land Bremen verfolgen – so sagt es das Gesetz. Die Bremer CDU würde das
       gerne ändern und in Zukunft auch weniger friedliche Forschungsvorhaben
       erlauben. Die Vorgabe des Landes, dass sich Hochschulen eine Zivilklausel
       geben müssen, solle gestrichen werden. „Zeitenwende auch im Land Bremen
       wagen“, heißt es im Bürgerschaftsantrag der Fraktion in [1][Bezug auf das
       Schlagwort von Bundeskanzler] Olaf Scholz (SPD).
       
       Ein „Verbot von militärischer Forschung“ und von „Einwerbung von
       entsprechenden Drittmitteln“ erscheine nicht mehr zeitgemäß angesichts der
       geopolitischen Herausforderungen. Es brauche einen „neuen Blick auf die
       Militärforschung an Bremischen Hochschulen“, fordert die CDU. Schließlich
       sei die Verteidigungsfähigkeit eine Voraussetzung für Frieden – und
       Deutschland habe hier großen Nachholbedarf.
       
       Die Zivilklausel war ursprünglich eine reine Selbstverpflichtung. Die Uni
       Bremen hatte sich aus einem linken Selbstverständnis heraus schon 1986 eine
       solche Regelung gegeben – als erste Hochschule bundesweit, nur in Japan gab
       es damals bereits Vorbilder.
       
       „Der Akademische Senat lehnt jede Beteiligung an Wissenschaft und Forschung
       mit militärischer Nutzung beziehungsweise Zielsetzung ab und fordert die
       Mitglieder der Universität auf, Forschungsthemen und -mittel abzulehnen,
       die Rüstungszwecken dienen können“, heißt es in der Zivilklausel. Die
       Hochschulen Bremen und Bremerhaven folgten dem Vorbild 2012.
       
       ## Kooperationen mit Rüstungsindustrie
       
       Doch trotz der freiwilligen Selbstverpflichtung gab es immer mal wieder
       Kooperationen mit der Rüstungsindustrie: Die Uni zählte 2013 in einer
       selbst in Auftrag gegebenen Recherche für den Zeitraum von 2003 bis 2011
       mindestens zwei Dutzend Forschungsarbeiten, die [2][„in Zusammenarbeit mit
       militärisch aktiven Firmen“] entstanden waren. Unter anderem finanzierte
       das Pentagon ein Weltraumforschungsprojekt.
       
       Damals war das ein Grund für einige Aufregung. Junge Grüne und Jusos in
       Bremen waren sich einig, dass Militär und Waffen grundsätzlich abzulehnen
       sind – und konnten sich mit dieser Ansicht [3][sogar bei den jeweiligen
       Mutterparteien durchsetzen.] 2015 verankerte das damals rot-grün regierte
       Bremen nach mehrjähriger Diskussion in seinem Hochschulreformgesetz einen
       neuen Paragraphen, der den Bremer Hochschulen die zivile Forschung und
       Lehre vorschrieb.
       
       Die Hoffnung war, dass eine Verankerung im Bremer Hochschulreformgesetz
       Rechtssicherheit geben sollte. Doch der tatsächliche Nutzen ist heute
       unklar: 2016 kooperierte die Hochschule Bremen direkt mit der deutschen
       Armee und übernahm einen Teil der Grundausbildung für
       Verwaltungsangestellte der Bundeswehr im dualen Frauenstudiengang
       Informatik.
       
       Das ganze sei gesetzeskonform, hieß es v[4][om Bremer Senat auf Nachfrage:]
       Schließlich sei die Bundeswehr als Verteidigungsarmee ja dem Frieden
       verpflichtet. „Mit dieser Argumentation darf die Bundeswehr an jeder
       Hochschule Forschung und Lehre betreiben“, stellte die Sprecherin der
       damaligen Oppositionspartei Die Linke gegenüber der taz fest. „Für den
       Senat spielt die Unterscheidung in nicht-militärische Partner und
       militärische Partner keine Rolle mehr.
       
       ## Nutzung für zivile – und für militärische Zwecke
       
       Außerdem hat es auch weiterhin Kooperationen mit der Rüstungsindustrie
       gegeben: Die Uni ließ sich seit 2012 für zehn Jahre lang eine Professur zur
       Raumfahrttechnologie vom Rüstungskonzern OHB stiften; gleichzeitig trug und
       trägt die Forschung an der Uni auch zur Entwicklung der Satellitensysteme
       an der OHB bei, die zwar zum Teil zivilen Zwecken dienen, zum Teil aber
       [5][auch von der Bundeswehr genutzt und in Auftrag gegeben] werden.
       
       Solche „Dual-Use-Projekte“, die sowohl militärischen, als auch zivilen
       Zwecken dienen, wurden von Kritiker*innen von Beginn an als Einfallstor
       für militärische Forschung trotz Zivilklausel identifiziert. Ausgerechnet
       das kommt den Grünen jetzt bei der Argumentation gegenüber der CDU
       entgegen. Grüne und SPD wollen dem CDU-Antrag nicht folgen und die
       Zivilklausel erhalten.
       
       Die CDU verweist in ihrem aktuellen Antrag auf eine Studie der
       Expertenkommission Forschung und Innovation: Durch Kooperation zwischen
       militärischen und zivilen Sektoren könne man Leistungs- und
       Effizienzsteigerungen erzielen, die vielen Zivilklauseln an deutschen
       Hochschulen würden das verhindern.
       
       Der Verweis auf die Studie soll die Bremer Regierungsfraktionen ebenso wie
       der Verweis auf die Zeitenwende in Erklärungsnot bringen. Schließlich hat
       der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sich seit Anfang März
       positiv auf die Studie bezogen – und gefordert, man [6][müsse „die strikte
       Trennung von militärischer und ziviler Forschung und Entwicklung
       überdenken“].
       
       Dass die Trennung so strikt in der Praxis gar nicht ist, nutzen die Grünen
       jetzt für sich. „Synergieeffekte sind auch mit der in Bremen geltenden
       Zivilklausel nicht komplett auszuschließen“, sagt Franziska Tell,
       wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen.
       
       29 May 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Zeitenwende-Rede-von-Olaf-Scholz/!5916372
 (DIR) [2] https://www.weser-kurier.de/bremen/ueber-20-projekte-mit-militaerischem-hintergrund-doc7e44vs2hjzmjmqngd03
 (DIR) [3] /Zivilklausel/!5092066
 (DIR) [4] /Zivilklausel-an-Bremer-Hochschulen/!5383831
 (DIR) [5] /Nach-Brandanschlaegen-in-Bremen/!5826944
 (DIR) [6] https://www.tagesspiegel.de/wissen/habeck-auf-start-up-konferenz-trennung-von-militarischer-und-ziviler-forschung-uberdenken-11570252.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lotta Drügemöller
       
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