# taz.de -- Wochenende in Thüringen: Risse im Idyll
       
       > Bei einem Ausflug nach Thüringen sind die Zeichen rechter Einstellungen
       > nicht zu übersehen. Dabei ist es so schön dort.
       
 (IMG) Bild: Wo die Welt noch in Ordnung zu sein scheint: der Thüringer Wald
       
       Ein Wochenende in Thüringen, ein großes Haus, in das alle Freund:innen
       reinpassen. Sie kommen angereist aus Hamburg, Berlin, Frankfurt am Main,
       Leipzig, London und Boulder. Sie haben gemeinsam was mit Medien studiert,
       in Magdeburg, vor vielen Jahren. Heute arbeiten sie für Pharmaunternehmen,
       im öffentlichen Dienst, bei einer NGO, in der IT-Branche, als
       Journalist:innen. Manche von ihnen sind in Ostdeutschland aufgewachsen,
       andere im Westen. Nachwendekinder allesamt.
       
       Das Haus in dem kleinen Dorf am Rande des Thüringer Walds war ein
       Zufallsfund, ein Glücksgriff. Es hat eine Terrasse und einen Hühnerstall,
       nebenan wohnen Schafe und auf dem Hügel oberhalb grasen zwei Pferde. Der
       Frühling ist eingeschlagen und hat alles zum Explodieren gebracht, in gelb
       und grün und weiß, unter azurblauem Himmel.
       
       Spaziergang am Samstagmorgen, zum Dorfkern, zum Schwarzen Brett. Schauen,
       was so geht. In Brandenburg habe ich es schon oft erlebt, dass dort wenig
       oder gar nichts steht. Aber hier nicht, hier gibt es das Yoga-Angebot
       „Knickknack“ für Senior:innen, vor kurzem hat ein Osterfest stattgefunden
       und die Kirche lädt wöchentlich zu Kaffee und Kuchen ein. Ich laufe an
       einem Auto vorbei, am Rückspiegel hängt ein Wimpel: „Ostdeutschland –
       Heimatliebe“, in altdeutscher Schrift. Schwarz- Weiß-Rot.
       
       ## Spalt zwischen Auge und Herz
       
       Am Mittag brechen wir auf zu einem Ausflug. Die Landschaft zieht an mir
       vorbei, sie sieht aus wie ein Windows-Hintergrund. Dazwischen Dörfer, wo
       die Welt dem Anschein nach noch in Ordnung ist. Jedes Dach scheint neu
       gedeckt, die Fassaden sind frisch gestrichen, überall Gemüsegärten und
       Familienautos im Carport. Sind das die blühenden Landschaften? Wir
       passieren ein Ortsschild. Daneben ist ein kleiner [1][Galgen aufgestellt,
       an ihm hängt eine Ampel], mühevoll gebastelt.
       
       Wenig später parken wir die Autos und steigen um in eine altertümliche
       Bergbahn, die einst die Bewohner:innen des kleinen Gebirges per Seilzug
       mit Gütern versorgt hat und heute von der Deutschen Bahn betrieben wird.
       Man kann mit dem Deutschlandticket damit fahren. Ich schaue in das Tal, der
       Blick ist weit. Rechts von mir steht ein Mann, auf seinem Arm ein Tattoo,
       [2][„Freiwild“ steht darauf].
       
       Die Risse im Idyll. Sie lassen einen Spalt entstehen zwischen dem, was mein
       Auge sieht und mein Herz fühlt.
       
       Beim Abschiedsfrühstück sagt jemand: „Das Haus ist so schön und so schön
       groß. Vielleicht buchen wir gleich für nächstes Jahr?“ Jemand anderes
       erwidert: „Vielleicht warten wir lieber erst mal die Wahlen im September
       ab.“ Alle lachen ein bitteres Lachen. Ein hilfloses auch.
       
       5 May 2024
       
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