# taz.de -- Die Wahrheit: Schreiend ins Vakuum
       
       > Verkehrsinfarkt war gestern, bald gleiten wir mit Hyperloop-Technik durch
       > Transportröhren. Ein Zukunftsreport.
       
 (IMG) Bild: Die Hyperloop-Transportröhren müssen regelmäßig mit Gänseschmalz eingefettet werden
       
       An einem streng geheimen Ort gleich unterhalb des noch immer unfertigen
       Stuttgarter Bahnhofs verbirgt sich eine unterirdische
       Forschungseinrichtung, in der die Zukunft des überlasteten Nah- und
       Fernverkehrs entwickelt wird. Dort sind wir mit der Forschungsleiterin Dr.
       Sieglinde Klöter verabredet. Wie aus dem Nichts taucht eine aerodynamische
       Transportkapsel auf, zischend öffnet sich die Frontklappe. Mit zerzausten
       Haaren steigt die Wissenschaftlerin aus und stakst uns entgegen.
       
       Das Gestell ihrer Brille ist verbogen, die Gläser gesprungen. Der weiße
       Kittel trägt deutliche Spuren von Tomatensoße, Schokolade und Rotwein.
       „Herzlich willkommen im Deutschen Hyperloop-Testzentrum!“, ruft die
       43-Jährige dennoch schwer enthusiastisch. Dass sie ihre ausgestreckte Hand
       dabei in Richtung eines Feuerlöschers hält, der zwei Meter neben uns hängt,
       sehen wir ihr nach. „Sie müssen entschuldigen“, lacht Klöter. „Ich war in
       meiner Mittagspause kurz in Neapel und hab mir nach meiner Pizza noch ein
       Gelato und ein paar Gläser Wein gegönnt.“
       
       ## Sparsamer als eine Taschenfunzel
       
       Die Ingenieurin tastet sich an der Wand entlang zu ihrem Spind und kramt
       daraus eine Ersatzbrille sowie einen blitzsauberen Kittel hervor. Erst seit
       Kurzem ist Klöter Chefin des streng geheimen Projekts, das Bahn- und
       Flugverkehr in nicht allzu ferner Zukunft Konkurrenz machen soll, das
       Konzept mutet futuristisch an:
       
       „Den unterirdischen Transportröhren wird die Luft entzogen. Im Vakuum
       gleiten unsere Kapseln dann mit einer Geschwindigkeit von mehreren tausend
       Stundenkilometern zum Zielort“, erklärt uns die Fachfrau das revolutionäre
       System, das angeblich kaum mehr Energie verbraucht als Dr. Klöters
       Mini-Taschenfunzel, mit der sie in einen finsteren Tunnel leuchtet.
       
       Bevor wir uns versehen, sitzen wir mit der Leiterin in einer
       Transporteinheit. Wie uns die Wissenschaftlerin berichtet, wurde das
       Streckennetz vom Bund mit den Milliarden frustrierter Bahnkunden
       finanziert, die ihre Ticketerstattungen aus Zehntausenden von Zugausfällen
       verfallen ließen. Obwohl Dr. Klöter zuvor bekräftigt hat, dass die
       Hyperloop-Technik absolut sicher sei, bekreuzigt sie sich vor dem Start.
       Einige Minuten, nachdem wir schreiend in die Dunkelheit katapultiert
       wurden, sind wir schon in Paris angekommen.
       
       Unterwegs sind wir allerdings mächtig durchgeschüttelt worden, haben trotz
       besänftigender Harfenmusik aus dem Bordlautsprecher etliche Male das
       Bewusstsein verloren und ein paar interessante Out-of-Body-Erfahrungen
       gemacht. Als wir aus dem provisorischen Hyperloop-Bahnhof, einem
       Toilettenhäuschen in der Nähe des Champ de Mars, auf das Marsfeld stolpern,
       stellen wir zudem fest, dass uns Kleingeld, Fußnägel und mehrere
       Zahnimplantate fehlen.
       
       ## An mehreren Orten gleichzeitig
       
       „Mit dem Hyperloop-Verkehr werden Touristen bald in der Lage sein, alle
       europäischen Hauptstädte innerhalb eines Tagesausflugs abzuklappern“, zählt
       die Forscherin die Vorzüge ihrer Zukunftstechnologie auf, allerdings
       spricht sie nicht zu uns, sondern zu der Laterne neben uns. „Zehntausende
       von Jecken können nach dem Ende des Kölner Rosenmontagszugs direkt in
       Venedig einfallen und dort bis in den frühen Morgen die Sau rauslassen.“
       
       Auch Prominente sind am rasanten Transport interessiert: Während der Papst
       auf wundersame Weise an mehreren Orten nahezu gleichzeitig erscheinen will,
       haben die Grünen großes Interesse daran, im Notfall möglichst viel Distanz
       in möglichst kurzer Zeit zwischen sich und marodierende Bauernhorden zu
       bringen, ohne umweltschädliche Raketen von Elon Musk verwenden zu müssen.
       
       „Mit einem riesigen Pömpel können wir die Vakuum-Saugleistung noch
       verstärken und schon im Bruchteil einer Sekunde vor Ort sein“, erklärt uns
       Dr. Klöter das physikalisch kackeinfache Prinzip.
       
       ## Rohrkrepierer im Tunnel
       
       Nach Stippvisiten in London, Madrid und Wien erreichen wir unseren
       Hyperloop-Ausgangsbahnhof in der Forschungseinrichtung. Seit der ersten
       Fahrt sind gerade mal 20 Minuten vergangen. Wegen des starken Schwindels
       müssen Klöter und wir allerdings auf allen Vieren in die Lobby des
       Forschungszentrums kriechen. Bevor wir uns von Dr. Klöter verabschieden,
       beschenkt sie uns mit einer Dauerkarte für den Prototypen. „Wenn die
       Strecke offiziell eröffnet ist, wird es natürlich häufiger zu Verspätungen
       und Ausfällen kommen“, meint sie und fragt, ob wir nicht unter Tage als
       Röhrenwarte arbeiten wollen.
       
       Derzeit suche man Personal, das Rohrkrepierer aus den Tunnel fegt und
       vollgekotzte Transportkapseln reinigt, scheitere aber an Fachkräftemangel
       und Geheimhaltung. Eins sei aber sicher, verrät Frau Klöter. „Auf den
       oberirdischen Bahnhöfen der Deutschen Bahn dürfte es nach der
       Hyperloop-Jungfernfahrt wesentlich entspannter und pünktlicher zugehen.“
       Und vielleicht ist das der eigentliche Sinn des Projekts.
       
       16 Apr 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patric Hemgesberg
       
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