# taz.de -- Krieg im Nahen Osten: Gefährliche Doppelmoral
> Im Gazastreifen gilt das Völkerrecht ganz offensichtlich nicht mehr. Dort
> sind die Regeln einer werteorientierten Außenpolitik bedeutungslos
> geworden.
(IMG) Bild: Ein Drohnenfoto zeigt Betende neben der Ruine der Al-Farouk-Moschee in Rafah
Angesichts der Entwicklungen im Gaza-Krieg wird deutlich, dass alle
Handlungen im Widerspruch zum Völkerrecht stehen: die Tötung von
Zigtausenden Zivilisten, von Journalisten und humanitären Helfern, die
weitreichende Zerstörung im Gazastreifen – [1][darunter Krankenhäuser],
Moscheen, Kirchen und Schulen – und das Aushungern der Bevölkerung. Nie
zuvor wurde der massive Kontrast zwischen den Prinzipien des Völkerrechts
und der aktuellen Kriegsführung täglich und über eine so lange Zeit vor
Augen geführt.
Die Konsequenzen für die Integrität der internationalen Beziehungen und
Ordnung sind bedeutend. Die Weltmächte haben die Weltordnung, die sie
größtenteils nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen haben, zerstört – nicht
zuletzt aufgrund einer Doppelmoral, die einerseits die bedingungslose
Einhaltung der Menschenrechte einfordert, sie aber in anderen Fällen
bewusst ignoriert.
Die Botschaft, die vom Gaza-Krieg ausgeht, lautet: Institutionen, Regeln
und Normen, auf denen eine wertebasierte Außenpolitik und eine globale
Weltordnung beruhen, sind bedeutungslos geworden. Wir befinden uns nun
praktisch im freien Fall in einem Weltsystem, in dem die Autorität von
Regierungen und grundlegenden Überzeugungen infrage gestellt wird. Das
verändert alles.
Gaza ist nicht nur ein [2][Friedhof für mittlerweile 33.000 Menschen],
sondern auch ein Friedhof der internationalen Ordnung geworden. Die größten
Unsicherheiten bestehen nun darin, ob eine neue, für alle faire Weltordnung
ohne einen großangelegten globalen Konflikt und Krieg entstehen kann, wer
die Grundlagen dafür legen wird und wie sie gestaltet werden kann.
Und in Deutschland? [3][„Nie wieder“] bedeutet, dass die Lehren des
Holocaust universell gültig sind, und zwar für alle Menschen weltweit.
Bedauerlicherweise haben wir uns im deutschen Diskurs davon entfremdet und
erreichen sogar einen Punkt, an dem der Holocaust in Teilen
instrumentalisiert und als Rechtfertigung für den Verzicht auf moralische
Klarheit herangezogen wird.
11 Apr 2024
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