# taz.de -- Selbstorganisierter Kampfsport: Solidarischer Kick im Boxring
       
       > Von Verbänden autonom organisierte Kampfsportabende locken nicht nur mit
       > Sport. Es geht vor allem um die politische Ausrichtung.
       
 (IMG) Bild: Politische Prügel: Thaiboxen beim Kampfabend Thirtysix Fights in Berlin
       
       Berlin taz | Am Samstagnachmittag öffnen sich die Scherengitter des
       Berliner Szeneclubs SO36 in Kreuzberg für ein besonderes Event: Keine Musik
       oder Tanzveranstaltung, sondern die dritte Ausgabe der
       Kampfsportveranstaltung „Thirtysix Fights“ steht auf dem Programm.
       
       Angesetzt sind 14 Begegnungen in der verschiedensten Kampfsportdisziplinen,
       acht drei Boxkämpfe, acht im Thaiboxen und zwei nach dem Kickbox-Regelwerk
       K1. Diese Mischung der unterschiedlichen Kampfsportdisziplinen entspreche
       ungefähr der Verteilung der Anmeldungen, sagt einer der Organisatoren der
       taz.
       
       Die Kämpfer*innen kommen aus allen Teilen Deutschlands sowie aus dem
       europäischen Ausland. Das Augenmerk liege „auf einer möglichst diversen und
       internationalen Zusammensetzung und auf Paarungen, die dem Publikum
       hochwertige und unterhaltsame Kämpfe versprechen“.
       
       Die Gala ist bewusst als Zuschauersportveranstaltung konzipiert, neben dem
       sportlichen Messen im Ring soll Geld für das Frauenhaus in Cizîrê [1][in
       Rojava, dem kurdisch geprägten Teil von Nordsyrien], gesammelt werden. Der
       Organisationskreis setzt sich aus kampfsportaffinen Menschen der Berliner
       Antifa-Szene zusammen und ist dem kurdischen Befreiungskampf verbunden.
       Auch bei den zwei vorherigen Kampfabenden im SO36 wurden Spenden für
       Projekte in Rojava gesammelt.
       
       Vergleichbare von unten organisierte Kampfsportevents mit eindeutig
       politischer Ausrichtung, die von linken Szenen organisiert werden, gibt es
       auch andernorts in Deutschland. Auch im europäischen Ausland finden immer
       häufiger Kampfabende statt, die jenseits der etablierten Verbände
       organisiert werden. Alle paar Wochen gibt es solche Veranstaltungen, die
       alle ihr Publikum haben. Durch diese Regelmäßigkeit ist das Maß an
       Professionalität aufseiten der Organisation mit der Zeit ebenso angestiegen
       wie das sportliche Niveau der der Athlet*innen.
       
       ## Rechte müssen draußen bleiben
       
       Bei all diese Kampfsportevents steht das antifaschistische Ansinnen,
       Sportler*innen, Klubs und Gyms auszuschließen, [2][die Verbindungen in die
       extreme Rechte haben]. Zudem sollen möglichst viele „Flinta-Paarungen“
       ermöglicht werden, um die Arenen zu einem sicheren Ort für Frauen, Lesben,
       Intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen zu machen.
       Wichtig ist den Veranstaltern dabei die Selbstorganisation ohne die
       jeweiligen Box- und Kampfsportverbände im Rücken.
       
       Generell gehen die Thirtysix-Fights-Macher*innen im Gespräch mit der taz
       jedoch nicht auf Distanz zu den Verbänden, „denn diese bieten ja in der Tat
       professionelle Strukturen, wie Räume, Punkt- und Ringrichter*innen
       sowie Regelwerke“. Durch den Fokus auf ihre jeweilige Einzeldisziplin haben
       diese aber „klare Grenzen“. Selbstorganisierte Veranstaltungen seien da
       meist flexibler. Zudem könne „eine Veranstaltung mit einer politischen
       Ausrichtung wie das Thirtysix Fights nur schwerlich mit einem etablierten
       Kampfsportverband durchgeführt werden,“ sind sich die
       Organisator*innen sicher.
       
       Ähnlich sieht man es beim Friendly Fire Fight Club aus Zürich. Der lädt am
       18. Mai zum Boxabend in den „unkommerziellen Kultur- und Begegnungsraum
       Zentralwäscherei“. Björn Resener, einer der Organisator*innen der
       Events in Zürich, sagt, es gebe „keine Berührungsängste mit
       Kampfsportverbänden ohne große politische Ansprüche“. Die beiden
       Veranstaltungen des Clubs, die in Zürich schon stattfanden, haben 600 sowie
       1.100 Besucher*innen angelockt.
       
       „Das waren oft Leute, die noch nie zuvor bei einem Kampfsport-Event waren“,
       so Resener. In Zürich gehe es vor allem und die Stärkung der
       „antifaschistischen Kampfsport-Szene in unserer Region“. So soll bei jeder
       Paarung eine ortsansässige Kämpfer*in dabei sein. Die Gegner*innen
       kamen hingegen „aus Bern und Basel, aber auch aus Berlin, Leipzig,
       Frankfurt, Marseille und Paris“.
       
       ## Offen für Publikum
       
       Worin sich Thirtysix Fights und der Friendly Fire Fight Club von ähnlichen
       linken Szenekampfsportveranstaltungen unterscheidet, ist der Grad der
       Öffnung nach außen. Die Events haben Hunderte von Zuschauer*innen, andere
       Veranstaltungen hingegen „vermeiden aus unterschiedlichen Gründen, in der
       Öffentlichkeit präsent zu sein“, erläutern die Berliner
       Organistor*innen. „Damit richten sich diese Veranstaltungen
       ausschließlich an einen eingeschränkten Personenkreis.“
       
       All diese Kampfsportveranstaltungsformaten erinnern an [3][die Idee des
       Arbeitersports der Weimarer Republik]. Während der bürgerliche Sport der
       Weimarer Republik die Verlängerung einer auf Wettbewerb ausgerichteten
       Gesellschaft in die Freizeit dargestellt hat, verbanden die
       Arbeitersportvereine politische Agitation sowie erlebte Solidarität mit
       gemeinschaftlicher sportlicher Betätigung. Konkurrenzdenken sollte nicht
       der ausschlaggebende Antrieb sein.
       
       Oder wie Thirtysix Fights es 100 Jahre später formuliert: „Der Fokus liegt
       nicht auf einer kommerziellen oder rein sportlichen Ausrichtung, im
       Vordergrund steht der politische Charakter. Wir möchten nicht den
       Konkurrenzgedanken, sondern die Bereitschaft zur Solidarität betonen.“
       
       4 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Christopher-Wimmers-Land-der-Utopie/!5961581
 (DIR) [2] /Rechtsextreme-trainieren-fuer-den-Umsturz/!5716428
 (DIR) [3] /Arbeiter-in-der-Sportgeschichte/!5807954
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Kunow
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Antifa
 (DIR) Boxen
 (DIR) Kampfsport
 (DIR) Solidarität
 (DIR) Rojava
 (DIR) US-Wahl 2024
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Rechtsextremismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kampfsport im SO36: Für Rojava in den Ring
       
       Die Kampfsportveranstaltung „Thirtysix Fights“ will die autonome kurdische
       Bewegung stärken. Die Einnahmen gehen an ein Frauenprojekt in Syrien.
       
 (DIR) Sport im US-Wahlkampf: Ganz nah am Käfig
       
       Donald Trump wird bei den Kampfabenden der UFC gefeiert wie ein Superstar.
       Er macht den Ring zur Wahlkampfarena.
       
 (DIR) Arbeiter in der Sportgeschichte: Hundert Jahre Zweisamkeit
       
       Der Arbeitersport trat an als Alternative zum bürgerlichen Turnen. Doch vor
       100 Jahren begann die Spaltung in Sozialdemokraten und Kommunisten.
       
 (DIR) Rechtsextreme trainieren für den Umsturz: Rechter Kampf unter Palmen
       
       Thailand zählt zu den Hotspots einer globalisierten Fitness- und
       Kampfsportszene. Das zieht auch militante Neonazis an. Ein Buchauszug.