# taz.de -- Schwund der Artenvielfalt: Woher weiß die Wissenschaft das?
       
       > Unbekannte Arten sterben aus und werden neuentdeckt. Wie der braune
       > Klumpen, den sie „mystery species“ nennen. Wir haben da ein paar Fragen.
       
 (IMG) Bild: Neue Art aus der neuseeländischen Tiefsee
       
       Aussterbende Arten liegen im Trend, Wissenschaftler sprechen sogar vom
       „[1][Massenaussterben]“. Der letzte Exodus ähnlichen Ausmaßes fand vor
       über 66 Millionen Jahren statt, bei dem unter anderem die Dinos dran
       glauben mussten. Zurzeit sterben pro Tag über 150 Arten, darunter solche,
       die bisher noch gar nicht bekannt sind – sagt die Wissenschaft, unter
       anderem der [2][Zoologe Matthias Glaubrecht,] Autor des Buchs „Das Ende der
       Evolution“.
       
       Ende, Untergang, aus und vorbei – ich will natürlich nichts davon
       bestreiten, ahnungslos wie ich in Sachen Arten bin. Aber auch wenn ich
       keine Ahnung von Arten hab, hab ich Fragen zu den Arten, von denen die
       Wissenschaft keine Ahnung hat.
       
       Vor allem eine: Wie lässt sich feststellen, dass eine Art ausgestorben ist,
       die man zu ihren Lebzeiten gar nicht als Art identifiziert hat? Braucht es
       dazu nicht mindestens einen Leichnam samt Obduktionsbericht? Oder
       organisieren die Überlebenden eine Art öffentliches Begräbnis für ihre
       aussterbenden andersartigen Artgenossen und schalten Todesanzeigen?
       
       Und selbst, wenn es irgendwas davon gäbe, woher weiß die Wissenschaft, dass
       von der von uns gegangenen unbekannten Art nicht noch mindestens ein
       weiteres Exemplar an einem unbekannten Ort ausartet?
       
       ## Ein brauner Klumpen, den sie „mystery species“ nennen
       
       Glücklicherweise sterben unbekannte Arten aber nicht nur aus, sondern es
       werden auch neue entdeckt. Diese Woche zum Beispiel hat ein Forschungsteam
       behauptet, auf einer Expedition im Meer östlich von Neuseeland 100 bisher
       unbekannte Arten gefunden zu haben, darunter etliche Weichtiere, drei
       Fische, eine Garnele, einen Kopffüßer, eine Koralle und eine bisher
       unbestimmte Art.
       
       Es ist ein brauner Klumpen, den sie „mystery species“ nennen und den sie
       erst mal der Kategorie „Blob“ zugeordnet haben. Ein Blob ist ein bisher
       nicht ganz verstandener Einzeller, irgendwas zwischen Pilz und Tier, hat
       720 Geschlechter, keinen Magen, aber Hunger.
       
       Der Fundort ist der 800 Kilometer lange Bounty Trough, eine Senke in
       Zealandia, dem unterseeischen Gebiet, das aus der Aufspaltung des
       Superkontinents Gondwana entstand, wie auch Südamerika, Afrika, die
       Antarktis, Indien und Australien.
       
       Beauftragt wurde die Expedition von [3][Ocean Census], einer
       internationalen Vereinigung von Wissenschaftlern, die eine Volkszählung der
       Unterwasserbevölkerung durchführen. Kein Scheiß. Nach Angaben von Ocean
       Census sind bis zu 90 Prozent der maritimen Lebewesen nicht bekannt.
       
       90 Prozent?
       
       Ich bin zwar eine Arten-Ahnungslose, aber 90 Prozent ist ziemlich viel,
       oder? Ich frage mich: Was zur Qualle kann uns die Unterwasserwissenschaft
       eigentlich über die Gesellschaft der Ozeane erzählen, wenn sie so gut wie
       gar nichts über deren Lifestyle weiß? Und was ich auch nicht verstehe:
       Woher weiß die Wissenschaft, wie viel von dem, was sie weiß, eigentlich
       Nichtwissen ist? Mit anderen Worten: Mit welchen Unbekannten rechnen die
       Wissenschaftler unbekanntes Wissen aus?
       
       ## Wer Blobs sucht, ist bei der SPD falsch
       
       Der Grund, warum die große Unbekannte jetzt bekannt werden muss: Nur, wer
       jedes Rädchen in den Betreiberfirmen der Ozeane kennt, kann sie auch
       retten, also die Ozeane und damit auch die Rädchen.
       
       Warum ich ausgerechnet in dieser Woche den wertvollen Platz hier
       verschwende, um ahnungslose Fragen über unentdeckte Arten zu stellen? Weil
       ich nach zwei Jahren Russlandkrieg gegen die Ukraine auch in dieser Woche
       nichts Unbekanntes von der SPD gehört habe.
       
       Es gibt in der SPD keine unentdeckten Arten, keine mystery species, keinen
       Blob. Da bin ich mir zu 99 Prozent sicher. Wie diese Partei funktioniert,
       ist detailliert bekannt, und es findet sich immer wieder ein Rädchen, das
       die Reihen schließt. Deshalb wird die SPD weiter vor sich hin wesen und
       nicht aussterben.
       
       24 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.spektrum.de/news/erdgeschichte-das-sechste-massenaussterben/1889650
 (DIR) [2] https://www.deutschlandfunkkultur.de/biodiversitaet-artensterben-folgen-100.html
 (DIR) [3] https://oceancensus.org/?utm_source=uniofoxford&utm_medium=partner-comms&utm_campaign=launch
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Doris Akrap
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Geraschel
 (DIR) Artenvielfalt
 (DIR) Biodiversität
 (DIR) GNS
 (DIR) Schwerpunkt USA unter Donald Trump
 (DIR) Kolumne Geraschel
 (DIR) Schwerpunkt AfD
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) AfD, Trump und Co.: Die Lust an Untergangsprognosen
       
       Alle tun so, als seien Thüringen, Sachsen und Brandenburg schon an die AfD
       gefallen. Vielleicht wäre besser, Umfragen weniger Bedeutung beizumessen.
       
 (DIR) „The Zone of Interest“ in Voraufführung: Verstörende Rezeption
       
       Der gefeierte Holocaustfilm „Zone of Interest“ zeigt, dass die Nazis ihre
       Kinder liebten und trotzdem Massenmörder waren. Hatte daran jemand Zweifel?
       
 (DIR) Berichterstattung über AfD: Die Frage, was der AfD nutzt
       
       Die mediale Debatte über die AfD wird immer wieder von der Frage bestimmt,
       was der AfD nutzt und was nicht. Nutzt das dem Journalismus?