# taz.de -- Die Verständnisfrage: Sind lange Nägel nicht unpraktisch?
       
       > Wie kommen Frauen mit langen Nägeln im Alltag klar, fragt ein Leser. Eine
       > Nail Artist, die selbst gerne lange Nägel trägt, antwortet.
       
 (IMG) Bild: Die Nägel sind das verbindende Medium
       
       In der Verständnisfrage geht es jede Woche um eine Gruppe, für deren
       Verhalten der Fragesteller_in das Verständnis fehlt. Wir suchen eine
       Person, die antwortet.
       
       Ralf Rüggeberg, 60, IT-Spezialist aus Bischofsheim, fragt: 
       
       Wie kommen Frauen mit langen Nägeln im Alltag zurecht?
       
       Charissa Chioccarelli, 33, Nail Artist aus Berlin, antwortet. 
       
       Die Frage wird mir immer wieder gestellt, meist von Männern oder älteren
       Frauen. Ich betreibe ein Nagelstudio und trage selbst gerne lange Nägel.
       Oft schwingt in der Frage ein abwertender Unterton mit. [1][Lange Nägel
       haben für viele außerhalb der Szene ein trashiges Image]. Dabei ist Nail
       Art eine total unterbewertete Kunst- und Ausdrucksform, immerhin werden da
       auf winziger Fläche aufwendige Kunstwerke erschaffen.
       
       Münzen aufzuheben ist das Einzige, was mir im Alltag manchmal schwerfällt.
       Sonst habe ich absolut keine Probleme. Eine Antwort auf unangenehme Fragen
       umgehe ich und mache mir einen Witz daraus. Wenn jemand fragt, wie ich mit
       meinen Nägeln den Haushalt schmeiße, sage ich: „[2][Ach, dafür bezahle ich
       jemanden.“] Und versuche, darüber hinwegzulachen.
       
       Es ärgert mich, wenn die Nägel im Widerspruch zu meinem Muttersein gesehen
       werden. Eine Frau sagte mir neulich: „Deine Nägel sind ja toll, aber ich
       habe ein Kind, deshalb könnte ich das nicht.“ Als ich antwortete, dass ich
       auch Mutter bin, war sie überrascht. Warum sollte sich das ausschließen?
       
       Das Image von langen Nägeln hängt mit vielen Faktoren zusammen. Zum einen
       liegt der Ursprung der Nail Art, wie wir sie kennen, in der Black und
       Latinx Community in den USA. Lange gab es rassistische Konnotierungen,
       Nails wurden als „ghetto“ und „trashy“ betrachtet. Sie waren Teil einer
       Subkultur.
       
       ## Kritik an Nail Art ist oft misogyn und rassistisch
       
       Wie so oft wurden auch lange Nägel erst dann aufgewertet, als weiße
       Menschen begannen, sich dafür zu interessieren. Das ist total
       problematisch. Als weiße Beitreiberin eines Nail-Art-Studios ist es mir
       wichtig, immer den Credit zu geben und mit Kund*innen über die Wurzeln
       von Styles zu sprechen.
       
       Auch [3][misogyne Bilder] spielen eine Rolle, weil einfach alles, was
       traditionell für Weiblichkeit steht, gesellschaftlich abgewertet wird. Ich
       sehe das [4][intersektional], die Nägel stehen an einigen Schnittstellen.
       Auch für viele queere und trans Menschen haben sie eine besondere
       Bedeutung.
       
       Das Schöne ist, dass die Nails uns verbinden. Oft komme ich in der U-Bahn
       ins Gespräch mit Menschen, die mir Komplimente für meine Nägel machen. Bei
       uns im Studio wollte ich einen Space schaffen, der über die Nägel
       hinausgeht. Die Nägel sind das verbindende Medium – sowohl für uns Nail
       Artists als auch für die Kund*innen.
       
       Wie manche sich ein Bild in ihrer Wohnung aufhängen, trage ich Kunst auf
       meinen Nägeln. Ich schaue sie ständig an und freue mich. Heute trage ich
       schlichte weiße Nägel mit süßen roten Kirschen. Und es geht für mich darum,
       das Image zu reclaimen: Ja, ich bin weiblich, ja, ich trage gerne lange
       Nails. Gleichzeitig bin ich Mutter und Geschäftsfrau. Das schließt sich
       alles nicht aus.
       
       Häh? Haben Sie manchmal auch diese Momente, wo Sie sich fragen: Warum sind
       andere Leute so? Wir helfen bei der Antwort. Wenn Sie eine Gruppe Menschen
       besser verstehen wollen, dann schicken Sie Ihre Frage an
       verstaendnis@taz.de.
       
       21 Mar 2024
       
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