# taz.de -- Serie „The Regime“ auf Sky: Die Neurosen der Autokratin
       
       > In der Serie „The Regime“ richtet die Kanzlerin Elena Vernham ihr Land
       > zugrunde. Eine bitterböse Karikatur der Autokratien unserer Zeit.
       
 (IMG) Bild: Kate Winslet als Elena Vernham in „Das Regime“
       
       Vor nichts hat die sonst unerschrockene und vor Selbstbewusstsein
       strotzende Kanzlerin Elena Vernham ([1][Kate Winslet]) mehr Angst als vor
       schwarzem Schimmel. Davon schlummert nach Meinung der titelgebenden
       Hauptfigur der HBO-Serie „The Regime“ jede Menge in den Wänden ihres
       riesigen Regierungspalastes. Also muss stets ein Angestellter mit
       Hygrometer vor der autokratischen Herrscherin herlaufen und mit gedämpfter
       Stimme vor zu hoher Feuchtigkeit warnen.
       
       Als Unteroffizier Herbert Zubak (Matthias Schoenaerts) diesen Job
       übernimmt, macht der eher einfach gestrickte Soldat erst einmal alles
       falsch und wird zur Nachtschicht verdonnert, bis er die Kanzlerin vor einem
       vermeintlichen Attentäter rettet und bald zum einflussreichen Berater
       avanciert. Mit einem Augenzwinkern und mitunter auch ganz schön krawallig
       karikiert „The Regime“ die gefühlt immer zahlreicher werdenden
       [2][autokratischen Staatslenker] unserer Zeit.
       
       Angesiedelt ist diese durchgeknallte Polit-Posse in einem
       mitteleuropäischen Fantasieland, das landschaftlich wie [3][die Schweiz]
       aussieht. Die Paradeuniformen der Soldaten wirken osteuropäisch und in dem
       kleinen Land werden wie im tiefsten Niederbayern vor allem Zuckerrüben
       angebaut. Es existieren aber auch Kobaltminen, weswegen die namenlose
       Republik auch zur Interessensphäre sämtlicher Großmächte von Washington bis
       Peking wird.
       
       ## Kleidung schick, Führungsstil grenzwertig
       
       Der mittlerweile 82-jährige Regisseur Stephen Frears setzt Kate Winslet als
       Kanzlerin mit ausgewachsener Persönlichkeitsstörung, die hingebungsvoll ihr
       höfisches Umfeld terrorisiert, gekonnt in Szene. Das grenzwertige Verhalten
       der im modischen Zwirn durch den Palast rauschenden Kanzlerin erinnert an
       Donald Trump, dem zahlreiche Psychiater per Ferndiagnose unter anderem eine
       Angststörung, bösartigen Narzissmus und eine dissoziale
       Persönlichkeitsstörung attestierten.
       
       Das alles trifft Pi mal Daumen auch auf Elena Vernham zu, die irgendwann
       die Temperatur in ihrem Palast, einer Mischung aus Tempelhofer Flughafen
       und Wes Andersons „Grand Budapest Hotel“, so herunterkühlen lässt, dass
       alle bibbernd in Winterkleidung herumlaufen, während sie in einer
       eisgekühlten Badewanne sitzend per Zoom an einer Kabinettssitzung teilnimmt
       und über die unerträgliche Hitze klagt.
       
       Aber keines der unterwürfigen Kabinettsmitglieder darf ihr sagen, dass
       womöglich ihre Wahrnehmung verschoben sein könnte. Sie hört nur auf ihren
       Berater Herbert Zuback, der wie einst Rasputin am Zarenhof zu Beginn des
       20. Jahrhunderts zum wirkmächtigen Einflüsterer wird. Rasputin hatte
       angeblich den Zarensohn geheilt, Herbert sorgt dafür, dass dem an Epilepsie
       erkrankten Sohn der Kanzlerin die Medikamente weggenommen werden, da er die
       nur für westlichen Schnickschnack hält. Der Kanzlerin verpasst der
       selbsternannte Berater, der bald in einer Galauniform herumläuft,
       Senfumschläge und überall im Regierungspalast werden dampfende Kartoffeln
       aufgestellt, um die Luftqualität zu verbessern.
       
       „The Regime“ lässt nichts aus, um die bornierte Selbstgefälligkeit
       autokratischer Herrscher zu karikieren. Gleich zu Beginn wird der Jahrestag
       der angeblich mit Wahlen demokratisch legitimierten Machtübernahme
       gefeiert. Die Vorgängerregierung, immer wieder als marxistisches Diebespack
       bezeichnet, wird zum Erzfeind stilisiert, während in der Peripherie des
       kleinen Landes mit Alpenpanorama ein erbitterter und blutiger Arbeiterkampf
       tobt und Oppositionsführer Keplinger (Hugh Grant) in einem Verlies im
       Keller des Palastes sitzt. Stellenweise ist diese brachiale Karikatur
       angesichts der brutalen Repression in vielen Ländern der Welt, die unter
       derartigen Despoten zu leiden haben, grenzwertig. Dennoch trifft „The
       Regime“ den Zeitgeist.
       
       ## Ähnlichkeiten mit realen Staatsoberhäuptern
       
       Stephen Frears Serie, deren Skript unter anderem von Will Tracy
       („Succession“ und „The Menu“) geschrieben wurde (eine Folge stammt sogar
       aus der Feder von Schriftsteller Gary Shteyngart), zielt auf keine
       bestimmte Person oder ein bestimmtes Regime ab.
       
       Die übertrieben künstliche, mitunter ins Surreale abgleitende Inszenierung
       der Kanzlerin und ihres Hofstaates ist wie eine Folie, auf die sich die
       Absurditäten verschiedener autokratischer Herrscher und illiberaler
       Demokratien projizieren lassen.
       
       Deshalb kommt Elena Vernham auch wie ein Crossover verschiedener
       Staatsführerinnen aus Geschichte und Popkultur daher. Ihr Vater liegt wie
       einst Lenin im gläsernen Sarkophag im schlosseigenen Mausoleum. Wenn es
       etwas zu feiern gibt, singt sie hingebungsvoll auf der Bühne wie Evita,
       auch wenn sie völlig unmusikalisch ist.
       
       Das Kabinett applaudiert brav, wenn sie tanzend im Stil der gerade neu
       verfilmten „Mean Girls“ in der landeseigenen Weihnachts-TV-Show mit
       maximalem Fremdschämfaktor auftritt. Sie läuft aber auch mal mit
       Julia-Timoschenko-Haarkranz herum und trägt dabei ein Kleid, das von
       Königin Elsa aus dem Disney-Animations-Film „Frozen“ stammen könnte.
       
       ## Sie will doch nur geliebt werden
       
       Um von innenpolitischen Problemen abzulenken, überfällt sie das Nachbarland
       und polemisiert gegen die USA, während sie morgens durch ihren Rosengarten
       spaziert wie Präsident Snow in der „Tribute von Panem“-Filmreihe. Mit ihrer
       Impertinenz sorgt sie dafür, dass soziale und politische Konflikte
       eskalieren, bis ihr Land schließlich im Bürgerkrieg zu versinken droht.
       
       Dabei ist Kanzlerin Elena Vernham bis zum letzten Augenblick davon
       überzeugt, von ihren Untertanen uneingeschränkt geliebt zu werden, sogar
       wenn längst Explosionsgeräusche zu hören sind, während sie im Palast den
       Weihnachtsbaum schmückt.
       
       Beachtlich ist Kate Winslets schauspielerischer Einsatz, wenn sie mit
       leicht heruntergezogenem Mundwinkel lispelnd die autoritäre Kanzlerin gibt,
       die genau jene Mischung aus fehlendem Selbstbewusstsein und überzogen
       narzisstischer Egomanie performt, für die Trump berühmt ist. Denn für die
       Posse gegen die Autokraten dieser Welt dürfte die Macher im Jahr des
       US-Präsidentschaftswahlkampfes vor allem Trump inspiriert haben.
       
       4 Mar 2024
       
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