# taz.de -- Wikileaks und Informationsfreiheit: Assanges letzter Rechtsweg?
       
       > Ein Gericht soll entscheiden, ob Julian Assange ein Recht auf Berufung
       > hat. Seine Frau erhebt erneut schwere Vorwürfe gegen die CIA.
       
 (IMG) Bild: Ein Lkw unterwegs auf der Autobahn in Deutschland: Free Assange
       
       Seit 13 Jahren kämpft Julian Assange um seine Freiheit. Der Gründer der
       Plattform Wikileaks ist in den Vereinigten Staaten wegen Spionage
       angeklagt, weil Wikileaks 2010 700.000 geheime Dokumente zu US-Aktivitäten
       im Irak und in Afghanistan veröffentlichte. Sollte ihm in den USA der
       Prozess gemacht werden können, [1][droht dem Australier dort ein Strafmaß
       von bis zu 175 Jahren Gefängnis]. Von 2012 bis 2019 hielt sich der heute
       zweiundfünzigjährige Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London
       auf, um einer Auslieferung zu entgehen.
       
       [2][Am kommenden Dienstag und Mittwoch] schlägt Assange seinen womöglich
       letzten in Großbritannien möglichen Rechtsweg ein. Zwei Richter werden
       dabei prüfen, ob Assange im [3][letzten richterlichen Urteil] zu Recht kein
       weiteres Berufungsverfahren gewährt wurde.
       
       Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in London äußerte die Anwältin
       Stella Assange, Assanges Ehefrau und Mutter seiner beiden Kinder, die
       Befürchtung, dass ihr Mann sterben könnte, sollte er in die USA
       ausgeliefert werden.
       
       Nach der 2010 erfolgten Veröffentlichung der als geheim klassifizierten
       US-Akten, darunter eine Videoaufnahme des Beschusses von Zivilist:innen
       in Bagdad, wurden in Schweden Vergewaltigungsvorwürfe gegen Assange laut.
       Es gab jedoch weder eine Anklageerhebung noch eine Einvernehmung Assanges,
       ein Haftbefehl bestand aber bis 2019.
       
       Manche sagen, eine Untersuchung des [4][damaligen UN-Sonderbeauftragten für
       Folter, des Schweizers Nils Melzer], [5][der den schwedischen Behörden
       vorwarf], Beweise manipuliert und eine sonst übliche Zusicherung, den
       Angeklagten nicht an die USA zu überstellen, nicht gewährt zu haben, habe
       zur Einstellung der schwedischen Anklage beigetragen.
       
       ## Hat die CIA geplant, Assange zu ermorden?
       
       Das waren nicht die einzigen Probleme Assanges. Während er sich in der
       ecuadorianischen Botschaft aufhielt, wurde er, wie später bekannt wurde,
       mit Sicherheitskameras und versteckten Mikrofonen überwacht, nachdem eine
       spanische Sicherheitsfirma ein neues Überwachungssystem installiert hatte.
       
       Dahinter steckte die CIA, so Whistleblower der Firma, die sich an die
       spanische Zeitung El País und die spanische Polizei wandten. Nun hat das
       Team um Assange gegen die CIA zwei Klagen in Spanien und den USA erhoben:
       In den USA läuft [6][eine Zivilklage], so Stella Assange. In Spanien jedoch
       soll es um die Weitergabe privater Informationen Assanges gehen.
       
       Zudem erhebt sie erneut die bisher schwerste Anschuldigung gegen die
       amerikanischen Sicherheitsbehörden: Stella Assange wirft der CIA vor,
       geplant zu haben, Julian Assange zu ermorden. Auch über diesen Vorwurf wird
       in Spanien vor Gericht verhandelt werden.
       
       Dass Assanges Ausweisung in die USA überhaupt wieder droht, liegt an einem
       politischen Umbruch in Ecuador. Nach einem Regierungswechsel zeigte
       Ecuadors neuer Präsident Lenín Moreno wenig Sympathie für Assanges weiteren
       Aufenthalt in seiner Londoner Botschaft. Moreno erlaubte der Polizei, die
       Botschaft zu betreten und den lästig gewordenen Gast in Gewahrsam zu
       nehmen.
       
       Im April 2019 wurde Assange schließlich von der Londoner Metropolitan
       Police in der Botschaft verhaftet und zu einem 50-wöchigen Arrest
       verurteilt, weil er seine Bewährungsauflagen durch die Flucht in die
       Botschaft verletzt habe.
       
       Diese Strafe musste Assange im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh
       absitzen, wo er bis heute, fast fünf Jahre später, weiterhin festgehalten
       wird. Währenddessen haben die USA ihr Gesuch für Assanges Ausweisung
       gerichtlich kräftig angekurbelt.
       
       Stella Assange und Wikileaks Chefredakteur Kristinn Hrafnsson betonten am
       Donnerstag, nicht zum ersten Mal, dass Assanges Fall das Recht auf freie
       Information aller Menschen weltweit und die Arbeit aller
       Journalist:innen betreffe.
       
       ## Nur eine kurze Atempause
       
       Assanges Leidensweg durch Gerichte und Gefängnis sei im Vergleich zu dem,
       was [7][Chelsea Manning] widerfahren ist, unverhältnismäßig. Manning hatte
       sich Zugang zu den geheimen Informationen verschafft und diese an Wikileaks
       weitergegeben. Manning wurde dafür zwar zu 35 Jahren Haft verurteilt,
       jedoch schon nach sieben Jahren von Präsident Obama [8][auf freien Fuß
       gesetzt.]
       
       Im Januar 2021 urteilte die britische Richterin Vanessa Baraitser in einem
       Berufungsverfahren, dass Assanges Ausweisungsantrag zu stoppen sei, da nach
       Ansicht psychiatrischer Gutachten zu Assanges mentaler Verfassung die
       Gefahr bestehe, dass er in US-amerikanischen Strafanstalten in den Suizid
       gedrängt werde.
       
       Das Urteil brachte nur eine kurze Atempause. Noch am Ende desselben Jahres
       waren die US-Anwälte durch diplomatische Zusicherungen, dass Assange gut
       behandelt werde, bei weiteren Berufungsverfahren erfolgreich. Assanges
       Verteidigung versuchte wiederum, beim britischen Obersten Gerichtshof
       Einwände einzulegen, stieß jedoch auf Ablehnung.
       
       2022 stimmte dann die damalige britische Innenministerin Priti Patel der
       Ausweisung zu. Weitere Versuche der Verteidigung Assanges blieben ohne
       Erfolg. Das Verfahren am kommenden Dienstag und Mittwoch entscheidet ein
       letztes Mal, ob Assange ein weiterer Berufungsweg offensteht. Über die
       genauen Inhalte des Berufungsverfahrens wollte man bisher keine
       Einzelheiten mitteilen.
       
       Selbst wenn Assanges Rechtsteam nächste Woche gewinnt, bedeutet das
       keineswegs, dass Assange freikommt, sondern lediglich, dass sein Fall in
       einem weiteren Verfahren angehört werden kann. Sollte Assange den Einspruch
       der nächsten Woche verlieren, bleibt ihm lediglich die Möglichkeit, zu
       versuchen, über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in
       Straßburg seine Ausweisung in die USA zu verhindern.
       
       ## Zusicherungen der USA wohl wenig wert
       
       In einer Erklärung von Anfang Februar betonte die derzeitige
       UN-Sonderbeauftragte für Folter, Alice Jill Edwards, dass Assanges Leben in
       den Vereinigten Staaten gefährdet sei. Die diplomatischen Zusicherungen der
       USA, Assange eine menschliche Behandlung in US-Strafanstalten zu
       gewährleisten, stelle keine ausreichende Garantie dar. Bedenken gebe es,
       weil Chelsea Manning den Vorwurf erhebt, sie sei in Haft gefoltert worden.
       
       Die Zusicherungen der USA kämen, so sagt Stella Assange, vom gleichen
       Sicherheitsapparat, der beabsichtigte, Assange zu ermorden. Auf der
       Pressekonferenz sagte sie weiter: „Sie werden ihn zweifellos in ein Loch
       werfen, so tief im Boden, dass ich glaube, dass ich ihn nie mehr
       wiedersehen werde. Und das, nachdem er 13 Jahre Missbrauch und Folter über
       sich ergehen lassen musste. Glauben Sie wirklich, ein Mensch kann das
       überleben?“
       
       [9][Assanges Gesundheit habe in der Isolationshaft im Belmarsh-Gefängnis
       gelitte]n, so Stella Assange. Er habe nicht nur einen kleinen Herzinfarkt
       erlitten, sondern sei auch frühzeitig gealtert und müsse nun verschiedene
       Medikamente nehmen.
       
       Laut Stella Assange fordern die USA die Ausweisung ihres Ehemanns für ein
       politisches Vergehen. Das Abschiebeabkommen zwischen den USA und dem
       Vereinigten Königreich würde Ausweisungen in solchen Fällen jedoch strikt
       verbieten. Neben dem Rechtsweg versuche die australische Regierung, sich
       für Assange in den USA einzusetzen.
       
       Auch das britische Innenministerium unter James Cleverly könnte, so Stella
       Assange, die Entscheidung seiner Vorgängerin Priti Patel, der Ausweisung
       Assanges zuzustimmen, durchaus überprüfen lassen. Wie wahrscheinlich eine
       Kehrtwende im Fall Julian Assange in einem Jahr ist, in dem sowohl in den
       USA als auch im Vereinigten Königreich gewählt wird, ist jedoch fraglich.
       
       Für Dienstag und Mittwoch sind in London und weltweit Proteste in
       Solidarität mit Assange geplant.
       
       19 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [6] /USA-gegen-Wikileaks-Gruender-Assange/!5871968
 (DIR) [7] /Buch-Readmetext-von-Chelsea-Manning/!5893626
 (DIR) [8] /Haftentlassung-von-Chelsea-Manning/!5406750
 (DIR) [9] /Anwaeltin-Stella-Assange-ueber-Ehemann/!5924836
       
       ## AUTOREN
       
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