# taz.de -- Die Wahrheit: Et hätt noch immer jotjejange!
       
       > Jecken-Partei rettet Deutschland. Jetzt und für gänzlich alle Zeiten.
       > Unterwegs mit dem rheinischen Frohsinn, der noch alles alaaft hat.
       
 (IMG) Bild: NRW-Innenminister Herbert Reul (Mitte) warnt aber besorgt vor der neuen Jecken-Partei
       
       Die Alarmglocken in der ehemaligen Feuerwache im Kölner Agnesviertel
       schrillen so laut, dass wir uns erschrocken die Ohren zuhalten müssen.
       Sekunden später rutschen zwei Funkenmariechen und ein Mann im Bauerngewand
       aus dem kölschen Dreigestirn an Stangen ins Erdgeschoss. Nach kurzem Sprint
       schwingen sich die drei auf einen rosafarbenen Traktor mit Martinshorn.
       
       Eines der Mariechen startet den 500 PS starken Porsche-Motor. Als das
       Automatiktor der Halle sich vollständig geöffnet hat, knattert der Trekker
       mitsamt Anhänger, auf dem ein riesiges Kölschfass und eine mobile
       „Rievkooche“-Brateinheit festgezurrt sind, unter Sirenengeheul ins Freie
       und lässt uns in einer Wolke aus Ruß und stinkenden Abgasen zurück.
       
       Peter Schmitz-Palm hustet und versucht mit wedelnder Hand vergeblich für
       Frischluft zu sorgen. „In Berlin ist ein Protest von Landwirten mal wieder
       völlig aus dem Ruder gelaufen“, erklärt uns der Domstädter grinsend und
       eigentlich im breiten Kölsch, hier der Verständlichkeit halber teilweise
       übersetzt. „Ist doch klar, dass wir da zur Deeskalation unseren Bauern
       hinschicken.“
       
       Der 72-Jährige leitet die „Jecke Eingreiftruppe“ des Festkomitees Kölner
       Karneval und ist in seiner Funktion als Ehren-Karnevalsprinz für die
       Koordination und Durchführung von Rettungseinsätzen in ganz Deutschland
       zuständig. „Unser erklärtes Ziel ist es, als Botschafter des rheinischen
       Frohsinns Krisen und Konflikte mit viel Alaaf und Spaß an der Freud zu
       lösen.“ Dafür steht dem eingetragenen Verein dank großzügiger Sponsoren ein
       stattlicher Fuhrpark zur Verfügung.
       
       ## Hochfrisierte Elektro-Dienstwagen
       
       „Angefangen von unserer Harley-Davidson-Motorrad-Staffel, über zehn auf
       Formel-1-Niveau hochfrisierte Elektro-Dienstwagen des Kölner Ordnungsamts,
       bis hin zum zweimotorigen Sportflugzeug auf dem hauseigenen Rollfeld,
       können wir hier absolut aus dem Vollen schöpfen“, verkündet der
       Fastelovends-Veteran stolz.
       
       Gerade als Schmitz-Palm uns die satellitengestützte Einsatzleitstelle im
       Obergeschoss zeigen will, geht der nächste Notruf ein. Wie „Mister
       Karneval“ via Funk erfährt, ist jetzt auch noch an der Elbe der öffentliche
       Frieden in Gefahr. Kaum dass wir uns im Expresstempo als „Tünnes und Schäl“
       verkleidet haben, hasten wir mit dem Berufsjecken und einem herbeigeeilten
       Tanzkorps der „Roten Funken“ Richtung Startbahn.
       
       Neunzig Minuten später kreisen wir an Bord einer „ruut-wießen“ Skyvan SC.7
       über dem Großraum Hamburg. Laut Schmitz-Palm sind in der Hansestadt
       Lkw-Fahrer und „Klimakleber“ der Letzten Generation während der Rushhour
       aneinandergeraten. Die mündliche Kurz-Einweisung in die Kunst des
       Fallschirmspringens haben wir aufgrund der dröhnend lauten Karnevalsmusik
       im Cockpit nur zur Hälfte verstanden.
       
       Schmitz-Palm scheint das in keinster Weise zu beunruhigen. „Et hätt noch
       immer jotjejange!“, brüllt uns die Frohnatur den Artikel 3 des kölschen
       Grundgesetzes als Lebensversicherung entgegen und katapultiert uns aus
       5.000 Metern Höhe durch die offene Luke.
       
       Direkt danach jettet er kopfüber und mit angelehnten Armen an uns vorbei.
       Sicher gelandet, aber ohne Schmitz-Palm und weit abgedriftet, erreichen wir
       den Ort des Geschehens viel zu spät. Was wir in Hamburg zu sehen bekommen,
       ist allerdings mehr als bemerkenswert. Brummi-Lenker, rote Funken,
       Polizeibeamte und Aktivisten liegen sich zu „Schnaps, das war sein letztes
       Wort“ schunkelnd in den Armen.
       
       Schmitz-Palm ist derweil in seinem festlichen Prinzengewand tänzelnd
       zwischen den Pkw-Reihen unterwegs. Wir beobachten argwöhnisch, wie er den
       Fahrern und Fahrerinnen bestens gelaunt und scheinbar nicht zum ersten Mal
       Frischgezapftes aus dem Kölschkranz kredenzt. Nachdem drei SUV-Lenker mit
       ihren Vehikeln alkoholisiert ineinandergefahren sind, geht auf der B5 durch
       das Hamburger Zentrum schließlich auch ganz ohne Blockade nichts mehr.
       
       Schmitz-Palm beschließt, für die Rückfahrt in die Domstadt Köln
       ausschließlich brechend volle Regionalbahnen zu nutzen, um genervte Pendler
       unterwegs mit kölschem Liedgut und rhythmischen Donnerschlägen auf der
       „Decken Trumm“ zu verwöhnen. Im Bahnhof von Rotenburg an der Wümme werden
       wir schließlich durch eine beeindruckende Schwarmleistung aller Fahrgäste
       in die Abteil-Zwischenräume bugsiert und beim Öffnen der Türen nach draußen
       gedrückt. Die zweistündige Wartezeit bis zur nächsten Bahn nutzen wir auf
       Geheiß unseres Guides für einen frivolen Umzug durch Rotenburgs
       Fußgängerzone.
       
       Wie uns das schwer angeschickerte Feierbiest schließlich unterwegs verrät,
       möchte er durch die Transformation seines Karnevalsvereins in eine Partei
       demnächst massiv Einfluss auf die Bundespolitik nehmen. „Als Vorsitzender
       der dann neugegründeten Fastelovends Union Deutschland will ich unseren
       Forderungen nach einer Abschaffung des Aschermittwochs und einer
       ganzjährigen Verkleidungspflicht für Staatsbedienstete Gehör verschaffen.“
       
       Schmitz-Palm rechnet damit, mit der abgekürzt FUD-Partei bei der nächsten
       Bundestagswahl „aus dem Stand“ 20 Prozent zu erreichen und möchte sich
       deshalb folgerichtig als Kanzlerkandidat aufstellen lassen. „Ein Prinz als
       Regierungschef ist genau das, was es braucht, um aus einer närrischen eine
       jecke Republik zu machen!“, grient er, der sich nach eigener Aussage
       bereits mit Karnevalisten in Venedig und Rio zu einer
       „Interessengemeinschaft“ vernetzt hat.
       
       „Damit die FUD den Planeten rettet, die AfD in die Schranken weist und
       überall wieder Toleranz und Fröhlichkeit einkehren lässt, ist es allerdings
       nötig, dass wir Jecken auf absehbare Zeit die Weltherrschaft übernehmen.“
       Das Lachen bleibt uns beim Anblick des Partylöwen im Halse stecken: Zum
       ersten Mal an diesem jecken Tag meint Peter Schmitz-Palm scheinbar etwas
       völlig ernst.
       
       5 Feb 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patric Hemgesberg
       
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