# taz.de -- COP28 in Dubai: Kontroverse Kunstdünger
       
       > Bei der Weltklimakonferenz will die Bundesregierung ihre Förderung von
       > Dünger aus Wasserstoff bewerben. Entwicklungsorganisationen kritisieren
       > das.
       
 (IMG) Bild: Düngen auf Gipfelhöhe: Feldfrüchte auf einer Kieferplantage im Nationalpark Mount Kenya
       
       Berlin taz | Bei einer Diskussion unter dem Titel „[1][Die Zukunft düngen]“
       will die Bundesregierung am 8. Dezember bei der Weltklimakonferenz dafür
       werben, in Afrika und Lateinamerika aus mit Hilfe von erneuerbarer Energie
       erzeugtem Wasserstoff Mineraldünger herzustellen. Entwicklungsministerin
       Svenja Schulze hat bereits im März angekündigt, Kenia noch in diesem Jahr
       weiteres Geld für so ein Projekt zu überweisen. Deutsche
       Entwicklungsorganisationen kritisieren die Förderung von Kunstdünger.
       
       Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg soll es bereits einen Kredit in Höhe
       von [2][60 Millionen Euro] für ein Vorhaben mit einer neuen Düngerfabrik in
       der Region Olkaria geben. „Kenia will seinen künftig produzierten grünen
       Wasserstoff prioritär für die Ernährungssicherheit seiner Bevölkerung
       einsetzen, was [3][gegen Hunger und Klimawandel] zugleich hilft und Kenias
       Abhängigkeit von Düngemittelimporten senken wird“, so die SPD-Politikerin.
       In Kenia sei derzeit rund ein Zehntel der Bevölkerung – 5 Millionen
       Menschen – von Ernährungsunsicherheit und Hunger betroffen. Die Idee: Die
       synthetischen Dünger sollen die Ernten steigern.
       
       Deutsche Entwicklungsorganisationen fordern die Bundesregierung auf,
       künftig weder die herkömmliche noch die „klimaneutrale“
       Kunstdüngerproduktion in Afrika zu fördern. „Wir halten nichts von solchen
       Programmen. Wenn Bauern so teure Dünger kaufen, und dann eine Ernte
       schlecht ist oder die Verkaufspreise zu niedrig ausfallen, sind die
       Landwirte gleich überschuldet“, sagt Francisco Marí, Welternährungsreferent
       des evangelischen Hilfswerks Brot für die Welt auf Anfrage der taz.
       „Gleichzeitig kann man in Afrika oft gar nicht die Erträge mit diesen
       Düngern wirksam steigern, weil zum Beispiel der pH-Wert der Böden dort
       nicht geeignet ist“, ergänzt Lutz Depenbusch, Agrarexperte bei der
       katholischen Organisation Misereor.
       
       Doch das könne man auch durch agrarökologische Anbaumethoden ohne
       Kunstdünger und Abhängigkeit von der Düngerindustrie erreichen, sagt
       Brot-für-die-Welt-Experte Marí. „Der wichtigste Nährstoff für Pflanzen,
       Stickstoff, lasse sich durch Hülsenfrüchte wie Bohnen im Boden fixieren.
       Das sei auch klimafreundlicher als jeglicher Dünger. Beim Einsatz sowohl
       von synthetischen als auch organischen Düngern wie Gülle oder Mist wird das
       extrem klimaschädliche Lachgas frei.
       
       ## Marí: „Kunstdünger sind nicht nötig“
       
       Das gilt auch für „klimaneutralen“ Dünger, der mit „grünem“ Wasserstoff aus
       erneuerbaren Energien erzeugt wird. „Eine Alternative zum Kunstdünger ist
       auch, Tierhaltung in die Landwirtschaft vor Ort zu integrieren“, so
       Depenbusch von Misereor. Die Exkremente des Viehs könnten als Dünger
       dienen. So arbeiten auch Biobauern.
       
       Marí räumt zwar ein, dass die Ernten ohne Kunstdünger teils geringer seien.
       „Aber die niedrigeren Erträge werden ausgeglichen durch die niedrigeren
       Kosten.“ So hätten die Bauern am Ende mehr Geld zur Verfügung, um sich zu
       ernähren. [4][Mehr als die Hälfte der Hungernden weltweit sind nach
       UN-Angaben Kleinbauern]. „Kunstdünger sind nicht nötig“, urteilt Marí.
       
       Depenbusch hält das Kenia-Projekt auch aus energiepolitischer Sicht für
       falsch. Die Düngerproduktion sei einer der energieintensivsten
       Industrieprozesse. Zudem könnte es sogar sein, dass der dort hergestellte
       Dünger gar nicht im Land verwendet wird, sondern schließlich auf dem
       Weltmarkt verkauft wird, also doch nicht direkt der Ernährungssicherheit in
       Kenia diene.
       
       Misereor und Brot für die Welt verlangen deshalb, dass die Bundesregierung
       mit dem Geld für die Kunstdüngerproduktion lieber agrarökologische Methoden
       fördert. Sie sei ja auch der „Agrarökologie-Koalition“ von rund 50 Staaten
       beigetreten. Dazu passe nicht, jetzt synthetische Dünger stärker zu
       fördern, kritisierte Depenbusch.
       
       Schulzes Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
       Entwicklung (BMZ) wies die Vorwürfe zurück. Es unterstütze beispielsweise
       die Entwicklung „von Entscheidungshilfetools, um eine effiziente Düngung in
       Verbindung mit Bodenfruchtbarkeits-Maßnahmen zu ermöglichen“, teilte ein
       Sprecher der taz mit. „Zudem fördert das BMZ im Landwirtschaftssektor
       schwerpunktmäßig die Produktion organischer Düngemittel-Alternativen.
       Dadurch soll insgesamt die Abhängigkeit von Mineraldünger verringert sowie
       der individuelle Verbrauch solcher Düngemittel deutlich reduziert werden.“
       Das Ministerium finanziere auch andere Projekte für Agrarökologie.
       
       Die Preise für Mineraldünger seien in den vergangenen drei Jahren etwa
       wegen des russischen Kriegs gegen die Ukraine auf Rekordniveau gestiegen
       und schwankten weiter stark, auch wenn sie zurückgegangen seien, so das
       Ministerium weiter. „Viele Länder Afrikas waren besonders davon betroffen.
       Der Aufbau von eigenen klimafreundlichen Produktionskapazitäten für
       Mineraldünger in Afrika kann dieses Risiko reduzieren.“
       
       8 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.german-climate-pavilion.de/cop28-program/fertilising-the-future-using-green-hydrogen-value-chains-to-address-the-climate-food-security-nexus--event
 (DIR) [2] https://www.bloomberg.com/news/articles/2023-09-04/germany-backs-kenya-hydrogen-in-raft-of-african-climate-pledges?utm_medium=social&utm_source=twitter&utm_campaign=socialflow-organic&cmpid=socialflow-twitter-business&utm_content=business&leadSource=uverify%20wall
 (DIR) [3] https://www.bmz.de/de/aktuelles/aktuelle-meldungen/deutschland-und-kenia-ausweitung-der-klimapartnerschaft-150772
 (DIR) [4] https://www.wfpusa.org/programs/farming/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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