# taz.de -- Studie zu Ursachen des Vogelsterbens: Vor allem Landwirtschaft ist schuld
       
       > Eine Studie zeigt: Pestizide und Dünger belasten Vogelpopulationen in
       > Europa – und zwar weit stärker als die fortschreitende Urbanisierung.
       
 (IMG) Bild: Goldregenpfeifer stehen auf Deutschlands roter Liste der vom Aussterben bedrohten Arten
       
       Berlin taz | Die Landwirtschaft ist im Vergleich zu Verstädterung und
       Temperaturanstieg laut [1][einer neuen Studie] die Hauptursache des
       Vogelsterbens in Europa. Vor allem Pestizide und Dünger seien der
       bedeutendste Treiber des Rückgangs von Vogelpopulationen, schreibt eine
       Gruppe um Stanislas Rigal und Vincent Devictor von der Universität
       Montpellier in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of
       Sciences.
       
       Damit widersprechen die ForscherInnen zum Beispiel dem Deutschen
       [2][Bauernverband], der seiner Meinung nach [3][einseitige
       Schuldzuweisungen] gegen die Landwirtschaft kritisiert hat. Die Studie
       beruht Experten zufolge auf sehr umfangreichen Daten zum Vogelbestand auf
       20.000 Untersuchungsflächen in 28 Ländern von 1980 bis 2016.
       
       „Der Rückgang der Vögel spiegelt wider, dass viele andere Arten
       zurückgehen, zum Beispiel Wildkräuter, Bestäuber, andere Insekten und
       womöglich sogar Bodenorganismen“, sagte Katrin Böhning-Gaese, Direktorin
       des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums, laut Science
       Media Center. Zudem hielten Vögel die Insekten im Wald sowie in der
       Landwirtschaft im Zaum und sie verbreiteten Pflanzensamen, ergänzte
       Christian Hof, Biologe an der Technischen Universität München. „Sie haben
       aber auch einen ästhetischen Wert. Es konnte in verschiedenen Studien des
       Senckenberg Instituts nachgewiesen werden, dass es Menschen in Gebieten mit
       mehr Vögeln besser geht.“
       
       Doch die Bestände von mehr als 100 analysierten Arten fielen der Studie
       zufolge im 37 Jahre langen Untersuchungszeitraum um ein Viertel. Am
       stärksten war der Rückgang mit 57 Prozent bei den Arten, die in
       Agrarlandschaften leben. Vogelspezies, die vor allem in urbanen Gebieten
       vorkommen, seien lediglich um 28 Prozent zurückgegangen.
       
       ## Versiegelung von Flächen schadet auch
       
       Die ForscherInnen verglichen, wie sich die Vogelpopulationen und der Anteil
       der Fläche im Lauf der Zeit entwickelt haben, auf der besonders viel
       [4][Pestizide und Dünger] genutzt werden. Die WissenschaftlerInnen
       analysierten auch die statistischen Zusammenhänge der Vogelbestände
       einerseits und der versiegelten oder bewaldeten Fläche sowie der
       Durchschnittstemperaturen andererseits.
       
       Das Ergebnis: Die Ausweitung intensiver Landwirtschaft mit mehr Pestiziden
       und Düngern belasteten die Vogelzahlen mit Abstand am stärksten. Die Stoffe
       können zum Beispiel Insekten schaden, die von Vögeln gefressen werden.
       
       Zunehmende Urbanisierung hatte ebenfalls einen negativen, wenn auch
       geringeren Effekt. Die steigenden Temperaturen schadeten Populationszahlen
       insgesamt, aber einige Arten profitierten. In manchen statistischen Tests
       hatten die zunehmende Flächen mit Bäumen keinen Effekt, in anderen einen
       positiven.
       
       „Die neue Errungenschaft der Studie ist der große Umfang, die Datenqualität
       und die explizite Verknüpfung der Vogeldaten mit der Intensität der
       Landwirtschaft und anderen Faktoren“, sagte Biologe Hof. Jörg Hoffmann vom
       bundeseigenen Julius Kühn-Forschungsinstitut für Kulturpflanzen dagegen
       kritisierte die Studie als „nicht überzeugend“. Die verwendeten Daten zum
       Verkauf von Pestiziden und Düngern zum Beispiel seien „in dieser Form“
       nicht geeignet, um Ursachen und Wirkungen zu erkennen.
       
       ## Experte rät, weniger Pestizide und Dünger zu nutzen
       
       Biologe Hof dagegen bezeichnete die Daten ausdrücklich als „solide“: „Denn
       was als intensiv genutzte Fläche gilt, hängt davon ab, wie viel Geld pro
       Hektar für Pestizide und Düngemittel ausgegeben wird.“ Zwar seien genauere
       Angaben für einzelne Flächen besser, aber auf diese hätten Ökologen aus
       Datenschutzgründen keinen Zugriff. Deshalb sei es legitim, „dass die
       Kollegen hier Daten auf Länderbasis verwenden“.
       
       Hof empfahl: „Wir sollten weniger intensiv wirtschaften. Vor allem müssen
       wir von dem hohen Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden wegkommen.“
       
       16 May 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://doi.org/10.1073/pnas.2216573120
 (DIR) [2] /Bauernverband-ueber-Voegelsterben/!5408577
 (DIR) [3] https://www.bauernverband.de/presse-medien/pressemitteilungen/pressemitteilung/dbv-rueckgang-des-brutvogel-bestandes-hat-viele-ursachen
 (DIR) [4] https://ec.europa.eu/eurostat/cache/metadata/en/aei_ps_inp_esms.htm
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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