# taz.de -- Teilprivatisierung des Hamburger Hafens: Streit über Verkauf von Tafelsilber
       
       > Die weltgrößte Reederei, MSC, erwirbt immer mehr Anteile des Hafens. Die
       > Hansestadt will die Mehrheit behalten. Trotzdem gibt es Kritik.
       
 (IMG) Bild: Die geplante Teilprivatisierung des Hamburger Hafens stößt auf Widerstand
       
       Hamburg taz | Verdi sagte den für Mittwoch geplanten Protest in der
       Hamburger Innenstadt kurzfristig ab. Eigentlich war die Gewerkschaft davon
       ausgegangen, dass die Bürgerschaft bereits in ihrer Sitzung am Mittwoch
       über [1][den Einstieg der weltgrößten Reederei, MSC], in den Seehafen
       abstimmt. „Da die Entscheidung nun nicht mehr im November fällt, haben wir
       die Demo verschoben“, sagt Gewerkschaftssekretär Lars Stubbe.
       
       Die Schweizer Reederei MSC kommt mit ihrem geplanten Einstieg bei der
       Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) dennoch gut voran. Seit Oktober
       konnte sie rund 14 Prozent der „freien“ HHLA-Aktien erwerben. Die zweite
       Angebotsfrist läuft noch bis zum 4. Dezember. Insgesamt will die
       Mediterranean Shipping Company 49,9 Prozent des Logistikkonzerns an der
       Elbe übernehmen. Dazu muss sich die Stadt noch von einem Teil ihres
       HHLA-Pakets trennen. Dazu ist eine Mehrheit in der Bürgerschaft notwendig.
       Nach Teilprivatisierung und Börsengang sind noch 69 Prozent des Kapitals
       Eigentum der Hansestadt.
       
       [2][Hamburgs Senat versucht, mit dem MSC-Deal einen Befreiungsschlag zu
       landen.] Frühere Träume von einem immerwährenden Wachstum des Welthandels
       und von Deutschlands größtem Hafen sind geplatzt. Im alten
       Hafenentwicklungsplan war bereits für 2020 ein Containerumschlag von 17
       Millionen Containern, in der Fachsprache TEU (Twenty-Foot Equivalent Unit)
       erwartet worden. Tatsächlich wurde lediglich die Hälfte erreicht, 8,5
       Millionen TEU. Besserung scheint nicht in Sicht. Im ersten Halbjahr gingen
       gerade mal 3,8 Millionen TEU über die Kaikante.
       
       Dabei scheint Hamburgs geografische Lage nur vordergründig wie ein
       Nachteil. Die 100 Kilometer lange Revierfahrt die Elbe hoch lohnt sich,
       denn je länger ein Schiff unterwegs ist, desto günstiger wird die Fahrt.
       Zumal Hamburg als Metropolregion und Industriestandort ein Schwergewicht
       des Im- und Exports ist. Aber lahmende Globalisierung, Corona und die
       wirtschaftliche Krise Chinas – auf das ein Drittel des Hafenumschlags
       entfällt – lassen den maritimen Motor stottern. Zudem belastet die in
       Teilen marode Infrastruktur des Hafens den rot-grünen Senat in
       Milliardenhöhe.
       
       ## HHLA wickelt zwei Drittel des Hafenumschlags ab
       
       Der im Sommer von der bislang populären Wirtschaftssenatorin Melanie
       Leonhard (SPD) vorgestellte Hafenentwicklungsplan verharrt angesichts der
       komplizierten Gemengelage im Ungefähren. Dabei hat der Senat durchaus
       Durchgriffsmöglichkeiten, weil ihm alle Flächen im Hafen gehören. Auf
       dieser öffentlichen Infrastruktur arbeitet die „Suprastruktur“, Firmen wie
       die HHLA. Das Unternehmen wickelt etwa zwei Drittel des Hafenumschlags ab.
       Zugleich ist der Konzern international aufgestellt. Ihm gehören Terminals
       in Italien, Estland und der Ukraine, dazu Dutzende ausländische
       Beteiligungen und ein europaweites Bahnnetz.
       
       Dieser „Modal Split“ dürfte die Begehrlichkeiten des familiengeführten
       Reedereikonzerns geweckt haben. MSC ist nach eigenen Angaben an mehr als 70
       Häfen beteiligt. Auch andere große Reedereien wie Hapag-Lloyd oder die
       chinesische Cosco besitzen Terminals nicht nur in Hamburg, sondern
       weltweit. Längst liefern Reedereien von „Haus zu Haus“ und dafür ist eine
       reibungslos funktionierende Logistikkette notwendig.Zukünftig will sich der
       Senat mit 50,1 Prozent begnügen, er bliebe also Herr im Hause. Allerdings
       fielen die fetten Gewinne, welche die HHLA regelmäßig überweist, zukünftig
       etwas magerer aus. Leonhard setzt aber wie der grüne Koalitionspartner
       darauf, dass frisches Kapital hereinkommt. „Uns ging es darum, die HHLA
       ganz grundsätzlich anders auszurichten.“ Die MSC-Millionen, die der Senat
       kassieren will, sollen denn auch in den Hafen fließen. MSC seinerseits
       verspricht üppige Investitionen in die HHLA. Deren Chefin Angela Titzrath
       sieht dafür allerdings keinen Bedarf. Während ihrer Amtszeit sei die Firma
       aus eigener Kraft „zu einer Perle“ geworden.
       
       Gesellschaft, Politik, vor allem die Grünen, aber auch die HHLA sind
       [3][über den Einstieg der reichen Reederei uneins]. Dabei geht es in dem
       Streit weniger um konkrete Bedingungen wie etwa sichere Arbeitsplätze als
       vielmehr um die generelle Ablehnung einer Veräußerung des Tafelsilbers der
       Stadt. Die Linksfraktion schlägt sogar die Rekommunalisierung der HHLA vor,
       um die Kooperation der deutschen Seehäfen voranzubringen, wie sie grüne und
       SPD-Politiker seit Langem fordern.
       
       23 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hermannus Pfeiffer
       
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