# taz.de -- Krieg in Nahost: Im luftleeren Raum
       
       > UNO-Generalsekretär António Guterres hat die Gräueltaten vom 7. Oktober
       > relativiert. Schon oft hieß es bei Gewalt gegen Juden, dass sowas von
       > sowas kommt.
       
 (IMG) Bild: New York, 25.10.: Antonio Guterres im Hauptquartier der Vereinten Nationen
       
       Die nunmehr Volljährige, die zu meiner Hausgemeinschaft gehört, hält mich
       für finanziell ungeschickt und im Grunde verarmt. Wie sonst wäre zu
       erklären, dass sie nicht längst einen eigenen E-Scooter hat und sich
       stattdessen nach wie vor schwitzend auf dem Fahrrad abstrampeln muss? Das
       versaut einem ästhetisch ambitonierten Teenager einfach das gesamte
       Erscheinungsbild.
       
       Ich stelle hierzu fest: Der These der finanziellen Ungeschicklichkeit und
       damit der tendenziell leeren Haushaltskasse halte ich mit Freuden aufrecht.
       Begehrlichkeiten können somit durchaus effektiv in Schach gehalten werden.
       Ein neues Outfit für die kühlen Herbsttage? Sorry, aber ich bin finanziell
       ungeschickt.
       
       [1][Finanzminister Christian Lindner] würde gerne ebenfalls nach der
       Mertins-Methode handeln. Über seine Steuermehreinnahmen von knapp zwei
       Milliarden Euro im Vergleich zu den Erwartungen im Frühjahr konnte er sich
       aber nicht still und fein am Ministerschreibtisch freuen. Nein, er war
       gezwungen, sie öffentlich zu präsentieren. Und zugleich alle Ideen, was man
       mit diesem schönen Geld alles machen könnte, im Keim zu ersticken. Er tat,
       was er konnte, ungefähr so wie ein knurrender Mops, der sich als Kampfhund
       ausgibt.
       
       Eine Nachschulung im Fach Diplomatie könnte dem Herrn Lindner – und damit
       der gesamten Ampel – wohl zum Vorteil gereichen. Und warum nicht gleich
       auch António Guterres mitnehmen? Vielleicht ließe sich der luftleere Raum
       zwischen den Ohren des UNO-Generalsekretärs befüllen. Oder tun wir ihm
       Unrecht? Ist an seiner Aussage, [2][dass die Gräueltaten vom 7. Oktober
       nicht im luftleeren Raum geschehen sind], vielleicht doch etwas dran?
       
       ## Luft ist einfach überall
       
       Zunächst einmal: Zwischen israelischem Staatsgebiet und dem Gazastreifen
       besteht tatsächlich kein Vakuum. Auch kein Puffer oder irgendeine andere
       Form von Schutz für die Zivilbevölkerung. Ein Punkt für Guterres. Auf der
       Erde findet sozusagen eigentlich nichts in einem luftleeren Raum statt. Die
       Luft ist einfach überall! Sehr gut, dass der UNO-Generalsekretär uns alle
       noch einmal daran erinnert hat. Man vergisst es ja so leicht.
       
       Zweitens: Recht hat Guterres auch in dem Punkt, dass Gewalttaten nicht in
       einem Vakuum stattfinden. Wenn Kinder zum Beispiel geschlagen werden, dann
       haben sie ihren Eltern mit Sicherheit vorher Widerworte gegeben, etwas
       kaputt gemacht oder nachts wie verrückt geschrien. Auch Frauen [3][werden
       nicht im luftleeren Raum vergewaltigt]. Es kommt etwa oft vor, dass sie den
       betreffenden Männern vorher Sex verweigert, sie „Idioten“, „Schweine“ oder
       „Hurensöhne“ genannt haben. Man muss einfach den Kontext sehen.
       
       ## Pogrome häufig an Ostern
       
       Drittens: Gewalt spezifisch gegen Juden hat noch nie im luftleeren Raum
       stattgefunden. Die Pogrome in Osteuropa etwa fanden häufig an Ostern statt.
       Denn nur knapp zwei Jahrtausende vorher haben die Juden Jesus umgebracht
       (eigentlich die Römer, aber die Juden haben es nun mal nicht verhindert).
       Hätten sie das nicht gemacht und außerdem nicht immer die Brunnen der
       Christen vergiftet und christliche Kinder zum Frühstück verspeist, nunja,
       wer weiß, was dann gewesen wäre. Es ist jedenfalls falsch zu ignorieren,
       dass sowas von sowas kommt. Wer darauf besteht zu existieren, muss eben
       auch mit den Konsequenzen rechnen.
       
       Apropos Konsequenzen: Die linke Biedermeier-Ikone Sahra Wagenknecht [4][hat
       diese Woche nach monatelangen Geburtswehen endlich welche gezogen]. Im
       zitronengelben Kostüm präsentierte sie den Verein, der nun ihre neue Partei
       gründen soll. Wer mehr Inhalte erfahren will, soll bitteschön ihre Bücher
       lesen, sagt sie, denn „Lesen bildet“. Warum hat sie das nicht schon früher
       gesagt? Das hätte wohl auch Generalsekretär Guterres sehr geholfen.
       
       Derweil hat auch die nunmehr Volljährige viel im Netz gelesen, sich bei
       TikTok weitergebildet und sich völlig eigenständig einen E-Scooter
       bestellt, Mini-Nummernschildchen besorgt und eine Versicherung
       abgeschlossen. Wie erwachsen und tatkräftig. Ich hoffe, die Rechnungen
       landen nicht im luftleeren Raum.
       
       28 Oct 2023
       
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