# taz.de -- Muslime in Deutschland: „Oh Gott, beschütze Deutschland“
       
       > Ich war in Hamburg in einer Moschee, in der der Iman für Deutschland
       > gebetet hat. In der medialen Diskussion wird diese Seite des Islam
       > ausgeblendet.
       
 (IMG) Bild: Nicht Hamburg-St. Georg, sondern Hamburg-Horn: Schuhe vor dem Innenraum der Al-Nour-Moschee
       
       Ich bin Muslim, aber seit der Coronapandemie bin ich nicht mehr in die
       Moschee gegangen. Das lag an Corona, aber auch daran, dass meine ehemalige
       Moschee in der Nähe meines alten Büros lag. Während der Home-Office-Zeit
       ging ich also nicht mehr und irgendwie kam ich danach nicht wieder in den
       Rhythmus. Neben der Pandemie spielten also auch Bequemlichkeit und
       Gewohnheit eine Rolle.
       
       Seit ein paar Monaten arbeite ich freitags von zuhause, flexibel, oder nur
       halbtags. Und da Freitag der heilige Tag in der muslimischen Woche ist,
       komme ich endlich wieder dazu, regelmäßig zum Freitagsgebet zu fahren. Aber
       ich bin inzwischen umgezogen. Also wohin?
       
       Ich bin einfach zum Hamburger Hauptbahnhof gefahren und in Richtung St.
       Georg gelaufen, schließlich gibt es dort mehr als 20 Moscheen. Ich ging zur
       ersten Moschee, von der ich wusste, dass dort Arabisch gesprochen wird, und
       sah davor zwei Polizisten stehen.
       
       Das hat mir erst mal Angst gemacht. Und vielleicht wurde ich auch von ein
       paar verinnerlichten Vorurteilen überrascht: Sind die Polizisten wegen uns
       oder für uns da? Ist das eine verfassungskonforme Moschee? Sollte ich
       lieber umdrehen? Schnell verstand ich, dass die Polizei da war, um die
       Sicherheit der Betenden zu gewährleisten.
       
       Leider war die Moschee zu voll, sie mussten die Türen schließen. Und das,
       obwohl sie drei Freitagsgebete machen, um so vielen Gläubigen wie möglich
       Platz zu bieten. Also wohin?
       
       Ich erinnerte mich, dass ich einmal in einem Café am Steindamm gesessen und
       beobachtet hatte, wie viele muslimisch gekleidete Leute in eine kleine
       Seitenstraße gingen. Ich eilte in diese Straße und betrat die Moschee, ohne
       zu wissen, um welche es sich handelte. Von draußen erkennt man nicht, dass
       sich im Erdgeschoss eine größere Moschee befindet, aber immerhin besser als
       ein Fabrikgebäude.
       
       Ich betete und wartete auf die Freitagspredigt. Es kam ein älterer Imam,
       vielleicht 70 Jahre alt, mit einem erleuchteten Gesicht, wie wir es von
       unseren Imamen gewohnt sind. Er sprach eine Sprache, die ich nicht
       verstand. Weder Türkisch, Kurdisch noch Farsi.
       
       Diese Moschee war voll, und es kamen immer noch mehr Menschen dazu. Sie
       hatten sehr unterschiedliche kulturelle Hintergründe, Hautfarben, und
       wahrscheinlich auch Sprachen. Ich fing an, ein wenig zu träumen, als der
       Imam plötzlich anfing, auf Deutsch zu sprechen. Er übersetzte das, was er
       zuvor in seiner Muttersprache gesagt hatte. Er predigte über die Bedeutung
       des Wassers im Islam und wie wir als Muslim*innen damit umgehen sollten.
       Dann sprach er über die [1][Wasserknappheit in Niedersachsen] und darüber,
       was wir als Teil der Gesellschaft dagegen tun können.
       
       Als wäre das nicht überraschend genug, folgte am Ende noch ein Gebet, das
       mir in Erinnerung geblieben ist. Typischerweise wird am Ende des
       Freitagsgebets für mehr Frieden, Barmherzigkeit und Vergebung für alle
       Muslime gebetet. Dieser Imam bat dann noch, dass unsere Heimatländer in
       Frieden leben mögen, und schließlich für Deutschland: „Oh Gott, beschütze
       dieses Land und mache es sicher.“
       
       ## Geeint durch ein Leben in Deutschland
       
       Wieder muss ich mich fragen, warum mich das beeindruckt hat. Bin ich so
       sehr beeinflusst von der medialen Diskussion über den Islam in Deutschland,
       dass ich erwartet habe, Deutschland würde hier keine Rolle spielen? Oder es
       würde sogar gegen Deutschland oder gegen die deutsche Gesellschaft
       gesprochen?
       
       Es war einfach schön zu sehen, wie so viele unterschiedliche Menschen durch
       ihre Religion und ihr Leben in Deutschland geeint sind. Gerne würde ich mit
       dem Tagesschau-Sprecher [2][Constantin Schreiber] diese Moschee besuchen
       und darüber diskutieren. Ich würde ihn gerne fragen: Warum hat er für sein
       [3][Buch „Inside Islam. Was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird“] nicht
       eine größere Auswahl an Moscheen besucht? Aber leider hat er sich aus
       Selbstschutz gecancelt. Und so bleibt diese Seite des muslimischen Lebens
       in Deutschland weiterhin unbeachtet.
       
       10 Oct 2023
       
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