# taz.de -- Klimaaktivistin in Vietnam in Haft: Mit Steuergesetz gegen Kritikerin
       
       > In Vietnam ist erneut eine führende Umweltexpertin zu mehrjähriger Haft
       > verurteilt worden. Ihr wird vorgeworfen, Steuern hinterzogen zu haben.
       
 (IMG) Bild: Hoang Thi Minh Hong hatte 2013 in Vietnam die Umweltorganisation Change gegründet
       
       Berlin taz | Ein Gericht in Ho-Chi-Minh-Stadt hat am Donnerstag die
       prominente vietnamesische Klimaaktivistin Hoang Thi Minh Hong zu drei
       Jahren Haft wegen angeblicher Steuerhinterziehung verurteilt. Hong hatte
       2013 die unabhängige Klimaschutzorganisation [1][Change] gegründet und sich
       gegen Wildtierhandel und für Klimaschutz eingesetzt.
       
       Die international mehrfach preisgekrönte Frau war 1997 als erste
       Vietnamesin in der Antarktis gewesen, was sie landesweit bekannt gemacht
       hat. Sie hatte vor Gericht zugegeben, Einnahmen ihrer Organisation nicht
       vollständig versteuert zu haben. Vietnams Steuergesetze für NGOs sind sehr
       vage formuliert und lassen die Bürger oft im Unklaren. Hongs Anwalt
       bezeichnete das Strafmaß als zu hoch.
       
       Zudem ist Hong mindestens die fünfte unter dem [2][Vorwand der
       Steuerhinterziehung inhaftierte vietnamesische Umweltaktivistin]. In diesem
       Monat wurde mit Ngo Thi To Nhien sogar eine renommierte Umweltforscherin
       wegen angeblicher Steuerhinterziehung festgenommen.
       
       Nhien war Direktorin der vietnamesischen Initiative für die Energiewende
       ([3][Viet]), dem ersten Thinktank in Vietnam, der auf dem Gebiet der
       Energiewende forscht und sich dem Umbau von fossilen Brennstoffen hin zu
       erneuerbaren Energien verpflichtet fühlt.
       
       ## Kurze Entspannung zum Biden-Besuch
       
       Die Absolventin der Universität Flensburg berät seit Jahren
       Energieprojekte, die von der Weltbank, der Uno, der EU und von
       verschiedenen vietnamesischen Ministerien finanziert werden. Sie war auch
       für das Goethe-Institut als Expertin tätig.
       
       Nhiens Festnahme und Hongs Verurteilung erfolgten nur wenige Tage nach dem
       [4][Vietnam-Besuch von US-Präsident Joe Biden]. Im Vorfeld des Besuches
       hatte Hanoi als Geste des guten Willens zwei inhaftierte Bürgerrechtler
       vorzeitig aus der Haft entlassen.
       
       Neben dem Religionsrechtler [5][Nguyen Bac Truyen], der mit seiner Frau
       nach Deutschland ausreisen durfte, wurde auch dem Umweltaktivisten Mai Phan
       Loi, Journalist und Direktor einer gemeinnützigen Organisation für
       Umweltbildung, erlaubt, in die USA auszureisen.
       
       Umweltfragen sind in Vietnam sensibel. Durch die geografische Lage ist das
       Land vom Klimawandel besonders betroffen. Das führte in den letzten Jahren
       in der Bevölkerung zu einer Sensibilisierung für Umweltthemen und zu
       Beschwerden über Firmen, die Umweltsünden begehen.
       
       Proteste entluden sich beispielsweise 2016 an einer Fabrik, deren Abwässer
       ein massives Fischsterben an der zentralvietnamesischen Küste auslösten.
       Die Regierung reagierte darauf mit Festnamen von Protestführern.
       
       ## Regierung in Hanoi mag Zivilgesellschaft nicht beteiligen
       
       Internationale Abkommen wie das Freihandelsabkommen mit der EU verpflichten
       das südostasiatische Land zu Klimaanpassungen wie zu einer Beteiligung der
       Zivilgesellschaft daran. Doch alle vier unabhängigen vietnamesischen
       ExpertInnen, die laut Abkommen an der Umsetzung beteiligt werden sollten,
       wurden inhaftiert.
       
       Vietnams repressive Praktiken finden zu einer Zeit statt, in der die EU,
       Japan und die USA die Regierung Vietnams mit 15,5 Milliarden US-Dollar bei
       der Energiewende unterstützen. Diese Abkommen sehen aber eine Beteiligung
       von Zivilgesellschaft und Medien vor. Doch sind aus der Zivilgesellschaft
       kaum noch Experten in Freiheit, die das tun könnten.
       
       Ein unabhängiger Experte, der nicht namentlich zitiert werden will, sagte
       der taz: „Vietnam meint, gelernt zu haben, ohne unabhängige NGOs
       auszukommen.“
       
       ## „Ohne Umweltschützer keine Energiepartnerschaft“
       
       Phil Robertson von Human Rights Watch (HRW) sagt: „Nachdem die
       vietnamesische Regierung Menschenrechtsverteidiger und Demokratieaktivisten
       inhaftiert hat, nimmt sie nun diejenigen ins Visier, die sich für eine
       sauberere und nachhaltigere Umwelt einsetzen. Internationale Geber müssen
       Vietnams Führung klarmachen, dass die Just Energy Transition Partnership
       nicht vorankommen kann, solange Umweltaktivisten angegriffen werden.“
       
       Human Rights Watch sei schockiert, dass die „Regierung in Hanoi entschieden
       hat, dass jeder, der für die Bekämpfung des Klimawandels seine Stimme
       erhebt, politisch gegen die regierende Kommunistische Partei in Vietnam
       ist.“
       
       Die Festnahme der Umweltforscherin Nhien verurteilte auch das
       UN-Hochkommissariat für Menschenrechte. Vietnamesischstämmige
       Menschenrechtler in Deutschland sind besonders um das Leben des
       inhaftierten Umweltaktivisten Dang Dinh Bach besorgt, der schweren
       Misshandlungen in der Haftanstalt ausgesetzt ist.
       
       28 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://changevn.wordpress.com
 (DIR) [2] /Hanoi-missbraucht-Steuergesetze/!5938278
 (DIR) [3] https://vietse.vn/en/
 (DIR) [4] /US-Praesident-Biden-besucht-Vietnam/!5956599
 (DIR) [5] /Entlassung-aus-Haft-in-Vietnam/!5959030
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marina Mai
       
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       hierzulande.
       
 (DIR) Zensur der Berichterstattung: Vietnam sperrt Website der taz
       
       taz.de ist in Vietnam nicht mehr erreichbar. Vermutlich weil die taz über
       die drohende Entführung Nguyễn Thị Thanh Nhàns aus Deutschland berichtet
       hat.