# taz.de -- Daten des Ostausschusses: Russland-Handel bricht stark ein
       
       > Getrieben vom Gaslieferstopp orientieren sich deutsche Firmen um: Das
       > Geschäft mit Zentralasien boomt, auch das Geschäft mit der Ukraine nimmt
       > zu.
       
 (IMG) Bild: Teurer Wiederaufbau: Installation neuer Leitungen, die von Russlands Bomben zerstört wurden
       
       Berlin taz | Eine Zahl sticht heraus: 2.100 Prozent Plus bei den Einfuhren
       aus Russland im ersten Halbjahr. Eine Bilanz, die in aktuellen Kriegszeiten
       kritisch beäugt werden könnte. Doch zum einen ging es in dem speziellen
       Fall nur um Fische und Fischerzeugnisse. Zum anderen ist der satte
       Importzuwachs von 1.000 auf 22.000 Euro dann doch eher als Kuriosum zu
       bewerten. Vielleicht waren es ein paar Dosen echter [1][Kaviar] zusätzlich.
       
       Ansonsten ist der deutsche Handel mit Russland eingebrochen. Das zeigen
       Zahlen des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft. Die Unternehmen,
       traditionell stark im Geschäft mit Osteuropa, orientieren sich neu:
       Zentralasien wird wichtiger, die Ukraine ebenso.
       
       Allein im ersten Halbjahr brachen die Einfuhren aus Russland um 89 Prozent
       im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein – [2][getrieben vom Importstopp für
       Gas und Öl]. Bei manchen Produktgruppen liegt das Minus weit über 90
       Prozent, was auch den Sanktionen geschuldet ist. Auch der Wert der Exporte
       schrumpfte um 40,5 Prozent. Geliefert werden noch chemische Erzeugnisse,
       Medikamente, Nahrungsmittel. „Die Entflechtung vom russischen Markt läuft
       in hohem Tempo“, sagte Catharina Claas-Mühlhäuser, Vorsitzende des
       Ostausschusses. „Wir beobachten eine tiefgreifende Neuordnung unserer
       Wirtschaftsbeziehungen mit und in der Region.“
       
       So nimmt der Handel vor allem mit zentralasiatischen Ländern zu. Vor allem
       Kirgisistan (368,5 Prozent im ersten Halbjahr) und Tadschikistan (112,5
       Prozent) gewinnen. Auch der Handel mit Armenien, Belarus und Georgien wuchs
       jeweils deutlich. Die Geschäfte mit Russland gleicht das jedoch nicht aus:
       So legte der gehandelte Warenwert mit den erwähnten Ländern zwischen erstem
       Halbjahr 2022 und erstem Halbjahr 2023 um rund eine Milliarde Euro zu,
       gleichzeitig schrumpfte der Handel mit Russland um 26,7 Milliarden Euro.
       
       ## Sonderkonjunktur in Russlands Nachbarländern
       
       In den Nachbarländern Russlands gebe es eine gewisse Sonderkonjunktur,
       sagte Claas-Mühlhäuser. Zahlreiche Russen hätten sich dort nach der Flucht
       aus ihrer Heimat angesiedelt. Außerdem würden Produkte jetzt direkt
       geliefert, bis zum Kriegsausbruch seien sie über Russland gekommen. Den
       Schluss, dass Unternehmen im großen Stil die Sanktionen gegen Russland
       umgingen, lassen die Daten nicht zu. Eine Erklärung, warum die Sanktionen
       womöglich nicht so gut greifen, hatte Claas-Mühlhäuser trotzdem parat: „Die
       Liste der Staaten, die die Sanktionen nicht unterstützen, ist länger als
       die der Staaten, die sie unterstützen.“ Sie forderte mehr Personal für das
       Bundesamt für Ausfuhrkontrolle.
       
       Vor allem die kriegserschütterte Ukraine hat aus Sicht des Ostausschusses
       Wachstumspotenzial. Der Wiederaufbau könne nicht warten, sagte
       Claas-Mühlhäuser. Hier verspricht sich die deutsche Wirtschaft Aufträge.
       Bereits jetzt denken Firmen trotz des Krieges über neue Investitionen in
       dem Land nach. So investiert beispielsweise der Agrar- und Pharmakonzern
       Bayer rund 60 Millionen Euro in eine Saatgutfabrik. Auch ein
       Windparkprojekt ist geplant. Im ersten Halbjahr 2023 legte der Handel um
       fast 25 Prozent zu – wobei in den Zahlen auch Rüstungsgüter enthalten sind,
       die nicht gesondert ausgewiesen werden.
       
       Eine Großaufgabe wird es sein, das Energienetz der Ukraine
       wiederherzustellen und mit neuer Technik effizienter aufzustellen. Immer
       wieder stehen Elektrizitätswerke unter Beschuss der russischen Armee.
       Christian Bruch, stellvertretender Vorsitzender des Ostausschusses, sieht
       große Chancen für die Ukraine im Energiesektor und bei Windanlagen und
       Solarparks. So habe die Ukraine bereits vor dem Krieg daran gearbeitet,
       Wasserstoff mittels erneuerbarer Energien herzustellen.
       
       Claas-Mühlhäuser sagte, der Wiederaufbau solle eng mit dem
       EU-Beitrittsprozess verknüpft werden. Das stelle sicher, dass gleiche
       Normen und Standards gälten. Und es bringe Transparenz. Bisher würde vor
       allem die allgegenwärtige Korruption im Land bremsen. Hier sieht die
       Vorsitzende des Ostausschusses allerdings Bewegung: [3][Zuletzt hatte
       Präsident Wolodimir Selenski seinen Verteidigungsminister wegen
       Korruptionsvorwürfen ausgetauscht.]
       
       20 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Björn Hartmann
       
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