# taz.de -- Chaos bei der Deutschen Bahn: Stehengelassen
       
       > Bauarbeiten verkauft die Bahn Reisenden auf dem Weg von Hannover nach
       > Bremen als Bombenentschärfung. Zur Rettung kommt Ersatz in Form eines
       > Busses.
       
 (IMG) Bild: Warten, auf den Zug oder auch den Ersatzverkehr, gehört bei der Deutschen Bahn dazu
       
       Noch blöder als Bahn-Bashing finde ich nur Medien-Bashing – aus Gründen.
       Wer findet, Reisen habe problemlos abzulaufen, soll sich auf Ausflüge in
       virtuellen Welten beschränken, weil in der Realität auf dem Weg von A nach
       B [1][Unvorhersehbares passieren kann], erst recht, wenn Maschinen und
       andere Menschen im Spiel sind.
       
       So kann ich mir noch jeden Umstand, in den mich die Deutsche Bahn wirft,
       als Herausforderung verklären und sei es nur, mich in Geduld zu üben. Und
       die meisten Abenteuer sind ja gut ausgegangen: Ich kam immer am Ziel an,
       wenn auch mal erst am nächsten Tag oder mit zerrütteten Nerven, weil ich
       nicht alleine reiste, sondern mit zwei Kindern und/oder Fahrrädern.
       
       Ich habe Verständnis für alles: menschliches Versagen (Hartmut Mehdorn
       beauftragen, die Bahn börsenfit zu machen), Unwetter (Schnee, Hitze). Und
       was bitte kann der Bahn-Vorstand dafür, dass Frauen aufgehört haben,
       haufenweise Personal zu produzieren?!
       
       Mit dieser Einstellung – die zwischen Pseudogelassenheit und Bräsigkeit
       oszilliert – saß ich am Sonntagmorgen im Regionalexpress von Hannover nach
       Bremen, als um 9.18 Uhr und damit zwei Minuten vor Abfahrt die Durchsage
       kam: „Dieser Zug fährt aufgrund einer Bombenentschärfung nur bis Achim.“ In
       der Bahn-App stand nichts dazu, was sich irgendwann im Laufe des Tages
       geändert haben soll.
       
       ## Es fuhr ein Bus, genau einer
       
       Von klarer Kommunikation habe allerdings keine Rede sein können, erzählt
       mir eine Mitreisende, die am Nachmittag versuchte, von Bremen wieder zurück
       nach Wunstorf bei Hannover zu kommen. „Die Informationen wechselten und
       waren widersprüchlich.“ Später stellte sich auch heraus, dass es keine
       Bombe gegeben hatte, sondern eine kurzfristig geplante „Kampfmittelsuche“
       im Rahmen von Bauarbeiten.
       
       Anstatt umgehend aus dem Zug zu hechten, blieb ich am Morgen auf meinem
       Platz sitzen (bräsig) und dachte „na, es wird wohl Schienenersatzverkehr
       geben“ (pseudogelassen). Ich sollte recht behalten: Es fuhr ein Bus. Aber
       eben auch nur einer. Für hunderte Fahrgäste aus einem gut besetzten
       Regionalexpress mit mehreren Doppelstockwagen.
       
       Der Bus fasste rund 85 Personen auf Sitz- und Stehplätzen. In ihn
       quetschten sich so viele Menschen, dass sie nicht standen, sondern eher
       vertikal nebeneinander lagen. Manche pressten die Hände an die Scheiben,
       vielleicht um zu verhindern, dass andere Fahrgäste sie erdrückten. Die
       Fahrt mit dem Auto von Achim nach Bremen über die Autobahn dauert etwa 20
       Minuten. Ich weiß nicht, ob sich der Busfahrer getraut hat, den
       Zwischenhalt in Mahndorf anzusteuern.
       
       Zurück am Achimer Bahnhof blieben etwa 100 Personen, denen zu dämmern
       begann, dass zwar kein weiterer Bus kommen würde, dafür aber der nächste
       Zug, der weitere Fahrgäste ausspucken würde. Einige traten daraufhin den
       Rückzug an, andere wie ich begannen Taxis herbei zu telefonieren. Ein
       junger Mann neben mir rief den Kundenservice der Bahn an und erfuhr, er
       müsse auf einen Bus warten.
       
       ## Taxikosten werden nicht übernommen
       
       Das hätte auch ich tun sollen, die Taxikosten würden nicht übernommen,
       erklärte mir am Dienstag eine Sprecherin der Bahn, die sich für alle
       Unannehmlichkeiten entschuldigte. Es habe eine Kommunikationslücke gegeben,
       die nun „intern aufgearbeitet“ werde. Außerdem habe die Bahn „eine
       ausreichende Anzahl an Bussen als Ersatzverkehr bestellt“. Was die Bahn für
       ausreichend hält, wisse sie nicht, auch nicht, ob das Busunternehmen diese
       bereit gestellt habe. Das Unternehmen sagt, es seien zwei Busse im Einsatz
       gewesen.
       
       Meine Mitreisende nahm auf Raten eines Schaffners auf dem Rückweg einen IC,
       der über Rotenburg nach Verden umgeleitet wurde. In Rotenburg seien sie und
       weitere Fahrgäste mit dem selben Ziel aus dem Zug geworfen worden, weil sie
       ihren Nahverkehrs-Fahrschein nicht upgraden konnte, erzählt sie; die App
       sei jedes Mal abgestürzt. Einfach mitnehmen wollten die Schaffner:innen
       sie nicht, ihnen hätte dafür das „Okay“ von oben gefehlt.
       
       6 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Acht-Stunden-Verspaetung/!5933041
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eiken Bruhn
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Deutsche Bahn
 (DIR) Hannover
 (DIR) Bremen
 (DIR) Bauarbeiten
 (DIR) Verspätung
 (DIR) Deutsche Bahn
 (DIR) Deutsche Bahn
 (DIR) Deutsche Bahn
 (DIR) Bahn für alle
 (DIR) Verkehrswende
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Deutsche Bahn: Schienenersatzverkehr ist teuer
       
       Ausfallende Züge, Streckensperrung für die Generalsanierung – der Ersatz
       mit Bussen auf der Straße kostet die Deutsche Bahn Millionen.
       
 (DIR) Investitionsstau auf der Schiene: Aufbruchstimmung vor Bahnsanierung
       
       Der Bund sichert weitere Milliarden für die Deutsche Bahn zu. Fahrgäste
       können schrittweise auf mehr Zuverlässigkeit hoffen – doch es gibt Haken.
       
 (DIR) Deutschlandticket: Jedes zehnte Abo bereits gekündigt
       
       Das Deutschlandticket ist ein Abo. Mehr als jeder zehnte Käufer hat es seit
       der Einführung Anfang Mai wieder beendet. Auch etwa nur, um zu pausieren.
       
 (DIR) Zu wenig Barrierefreiheit in der Bahn: Samt Rollstuhl des Zuges verwiesen
       
       Ein Rolli-Fahrer wird am Hamburger Hauptbahnhof aus dem Zug gezwungen.
       Begleitet von der Polizei. Der Grund: Er wollte nur eine Station
       weiterfahren.
       
 (DIR) Erfolg des Deutschlandtickets: Es lockt in Busse und Bahnen
       
       Das Deutschlandticket gibt es nun seit vier Monaten, zuletzt nutzten es
       rund 10 Millionen Menschen. Laut Verkehrsverband könnten es noch mehr sein.