# taz.de -- Diskrimierung im Rudersport: Oben ohne in Yale
       
       > Schlechte Boote und kalte Duschen: So sah das Rudern in Yale aus –
       > zumindest für Frauen. Um das zu ändern, griff ein Achter zu einer
       > ungewöhnlichen Maßnahme.
       
 (IMG) Bild: Ruderinnen der Yale University 1976
       
       Rudern gehört nicht zu den Sportarten, die auszuüben Frauen lange verwehrt
       wurde. Bereits in den 1800er Jahren wurde in England ein Frauen-Vierer
       gefeiert, deren Chefin Ann Glanville nach einem Sieg über ein Männerteam
       von Queen Victoria höchstpersönlich gratuliert wurde.
       
       Die Ruderinnen der US-Universität Yale mussten dagegen 1976 erst mit
       entblößten Oberkörpern demonstrieren, bevor ihnen gleiche Rechte wie ihren
       rudernden Kommilitonen eingeräumt wurden – obwohl sich in ihren Reihen
       gleich zwei Vizeweltmeisterinnen befanden.
       
       Für Frauen war die Ausbildung in Yale erst seit 1969 uneingeschränkt in
       jedem Bereich möglich, mit offenen Armen wurden sie allerdings nicht
       empfangen. Dies galt besonders für die Ruderinnen, die rückblickend von
       unverschämten Belästigungen durch ihre Ruderkollegen berichteten.
       
       Im Kraftraum zu trainieren sei beispielsweise fürchterlich gewesen,
       erinnert sich Anne Warner: „Die Männer johlten und beschimpften uns aufs
       Übelste.“ Konsequenzen mussten sie nicht befürchten, denn die
       Universitätsleitung sah die Ruderer als wichtige Aushängeschilder und
       betrachtete die Ruderinnen bloß als Freizeitsportler, wie der damalige
       Frauen-Trainer Nat Case sagt.
       
       ## Eis auf der Haut
       
       Entsprechend wurden den Frauen lediglich veraltete Holzboote zur Verfügung
       gestellt, während die Yale-Männer über hochmoderne Modelle verfügten. Viel
       schlimmer für die Frauen war jedoch die Situation nach dem Training: Dann
       gingen die Männer im komfortablen „Bob Cooke-Bootshaus“ duschen, für die
       Ruderinnen stand dagegen nur ein kleiner, mit vier notdürftigen
       Duschmöglichkeiten ausgestatteter Campinganhänger zur Verfügung.
       
       Das wäre zwar unangenehm, aber nicht weiter problematisch gewesen, hätte
       nicht ein Streit zwischen der Uni und der Kommune von Derby über die
       ungeklärte Abwasserfrage dazu geführt, dass es im Camper kein warmes Wasser
       gab – und die verschwitzten, frierenden Frauen im Bus auf ihre Kommilitonen
       warten mussten, bis sie endlich wieder zurück nach Yale gebracht wurden, um
       dort duschen zu können.
       
       [1][Im kalten Winter 1976 hatten die Ruderinnen genug und entschieden sich
       dafür, eine Demo organisieren], „bei der wir der Leiterin der
       Frauensport-Abteilung zeigen, wie die Körper aussehen, die allen so egal
       sind“. Am 3. März war es dann so weit: Die Frauen versammelten sich im Büro
       besagter Leiterin, riefen: „Wir sind heute hier, um zu zeigen, wie
       ungeschützt wir sind“, während sie ihre Oberkörper entblößten. [2][„Title
       IX“ hatten sie auf Brüste und Rücken geschrieben], so heißt das 1972 in
       Kraft getretene, Geschlechterdiskriminierung verbietende Gesetz.
       
       „An einem Tag wie heute gefriert der Regen auf unserer Haut, und wir sitzen
       dann eine halbe Stunde lang im Bus, während das Eis schmilzt und sich mit
       dem Schweiß in unserer Unterwäsche mischt“, erklärten die Frauen. Der Chef
       der Universitätszeitung, David Zweig, sagte später, er sei während der
       kurzen Demo „der Beobachter gewesen, der nichts beobachtete“, denn er
       hatte, vorgewarnt, bewusst mit dem Rücken zu den Frauen dagestanden. „Ich
       erinnere mich aber noch genau an die Emotionen, die den Raum erfüllten,
       Schock, Überraschung, Wut, Schmerz – es gibt kein einzelnes Wort, das diese
       fünf Minuten treffend beschreiben könnte.“
       
       Zweig schrieb auch einen kurzen Demobericht für die New York Times, der auf
       der Titelseite erschien – und dann ging alles ganz schnell. Bereits eine
       Woche später gab es im Camper warmes Wasser, ein knappes Jahr später waren
       Frauen-Duschräume fertiggestellt.
       
       [3][Erst nach der Demo informierten die Ruderinnen ihren Trainer Nat].
       Vorab hatten sie ihm bewusst nichts über ihren Plan erzählt, eine der
       Studentinnen erinnerte sich später, dass ihnen das aber sehr schwergefallen
       war: „Nat war der einzige Mensch in Yale, der uns als vollwertige
       Sportlerinnen sah.“
       
       24 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://vault.si.com/vault/2012/05/07/naked-power#:~:text=One%20cold%20March%20day%20in%201976,%20Chris%20Ernst,,political%20statement%20that%20would%20resonate%20around%20the%20country.
 (DIR) [2] https://en.wikipedia.org/wiki/Title_IX
 (DIR) [3] https://www.espn.com/espnw/title-ix/story/_/id/7985418/espn-magazine-1976-protest-helped-define-title-ix-movement
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Elke Wittich
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Erste Frauen
 (DIR) Rudern
 (DIR) Gleichberechtigung
 (DIR) Sexismus
 (DIR) IG
 (DIR) Kolumne Erste Frauen
 (DIR) Kolumne Erste Frauen
 (DIR) Goldmedaille
 (DIR) Basketball
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Marathonwandern in den Niederlanden: Mit zwei Paar Socken durch das Land
       
       1916 durfte zum ersten Mal ein Frau am größten Wanderevent der Welt
       teilnehmen. Annie Berkhout ist unfassbare 66 Mal auf die Strecke gegangen.
       
 (DIR) Meisterin im Krocket: Ungenügend gewürdigt
       
       Über das Leben der Krocket-Pionierin Laura Catherine Joad ist wenig
       bekannt. Eine kleine Marmorplakette in der englischen Provinz erinnert an
       sie.
       
 (DIR) Kolumne Erste Frauen: Bloß nicht herumsitzen
       
       Hélène de Pourtalès ist die erste Frau, die je als Seglerin bei den
       Olympischen Spielen startete – und erste Goldmedaillengewinnerin der
       Geschichte.
       
 (DIR) Kolumne Erste Frauen: Wie der Basketball in Frauenhand kam
       
       Seit 1893 spielen Frauen Basketball. Ohne das Engagement der Sportlehrerin
       Senda Berenson wäre das nicht möglich gewesen.