# taz.de -- Fortschreitende Radikalisierung der AfD: Völkisches Denken führt zum Verbot
       
       > Die AfD wird immer radikaler und ist stolz darauf. Erste Stimmen fordern
       > ein Parteiverbot. Was würde das bedeuten? Die wichtigsten Fragen und
       > Antworten.
       
 (IMG) Bild: Protestgraffiti gegen die AfD in Hamburg
       
       Wer fordert ein Verbot der [1][AfD]? 
       
       Die lauteste Stimme ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz aus
       Chemnitz. Aber auch in anderen Parteien gibt es
       Verbotsbefürworter:innen, etwa die sächsische-Landtagsabgeordnete
       Kerstin Köditz (Linke). Der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz sieht
       ein AfD-Verbot immerhin als „allerletztes Mittel“. Bisher handelt es sich
       aber um Einzelstimmen.
       
       Wer entscheidet, ob eine Partei verboten wird? 
       
       Das Bundesverfassungsgericht, konkret der Zweite Senat unter
       Vizepräsidentin Doris König. Erforderlich ist eine Zweidrittelmehrheit der
       acht Richter:innen.
       
       Wer kann ein Parteiverbot beantragen? 
       
       Nur Bundestag, Bundesrat und/oder die Bundesregierung können einen
       Verbotsantrag stellen. Ob sie dies tun, ist eine politische Entscheidung.
       Sie können darauf verzichten, selbst wenn die rechtlichen Voraussetzungen
       für ein Verbot gegeben wären.
       
       Was sind die Kriterien für ein Parteiverbot? 
       
       Eine Partei kann verboten werden, wenn sie darauf ausgeht, die
       freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGO) zu beseitigen und zu
       beeinträchtigen. In seinem NPD-Urteil von 2017 hat das
       Bundesverfassungsgericht dies konkretisiert: Die fdGO habe vor allem drei
       Grundprinzipien: den Schutz der Menschenwürde, die Demokratie und den
       Rechtsstaat.
       
       Damit unvereinbar ist laut Bundesverfassungsgericht ein völkisches Denken,
       das von einem ethnisch homogenen Staatsvolk ausgeht, in das man nur
       hineingeboren werden kann. Dies stehe im Widerspruch zum Volksbegriff des
       Grundgesetzes, wonach alle deutschen Staatsbürger unabhängig von sonstigen
       Merkmalen wie Hautfarbe oder Religion zusammen das deutsche Volk bilden.
       Das völkische Denken verletze die Menschenwürde und das Demokratieprinzip,
       weil es eingebürgerte Deutsche nicht als gleichwertig anerkennt.
       
       Außerdem verletzt das völkische Denken die Menschenwürde, weil es Menschen
       generell nicht als gleichberechtigt ansieht. Vor allem wegen ihres
       völkischen Denkens wurde die Politik der NPD 2017 als verfassungswidrig
       eingestuft.
       
       Kommt es darauf an, ob eine Partei und/oder ihre Anhänger:innen Gewalt
       anwenden? 
       
       Nein, darauf kommt es nicht an. Entscheidend ist ein „planvolles Handeln“,
       um die Ziele zu erreichen. Nicht ausreichend ist nur das bloße Bekenntnis
       zu verfassungswidrigen Zielen.
       
       Welche Bedeutung hat es, dass die Ex-AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit
       Malsack-Winkemann an [2][den Umsturzplänen der Gruppe um Heinrich XIII.
       Prinz Reuß] beteiligt war? 
       
       Soweit bisher ersichtlich, ist Malsack-Winkemann die einzige
       AfD-Funktionärin, die an der mutmaßlichen terroristischen Vereinigung
       beteiligt war. Das offen antidemokratische Vorhaben der Gruppe kann also
       nicht der AfD zugerechnet werden. Die AfD verharmlost die Gruppe zwar,
       sympathisiert aber nicht mit ihr.
       
       Welche Bedeutung hat es, dass die AfD die EU auflösen will und Klimaschutz
       skeptisch sieht? 
       
       Die AfD vertritt viele Positionen, die sie unter dem geltenden Grundgesetz
       nicht verwirklichen kann. So ist die deutsche EU-Mitgliedschaft im
       Grundgesetz ausdrücklich festgeschrieben. Und das Bundesverfassungsgericht
       hat dem Staatsziel Umweltschutz auch ein Klimaschutzgebot entnommen.
       
       Um ihre Politik verwirklichen zu können, müsste die AfD also an vielen
       Stellen zunächst eine Änderung des Grundgesetzes erreichen. Das aber ist
       legitim und rechtfertigt kein Parteiverbot. Auch wer etwa die
       Schuldenbremse abschaffen oder aufweichen will, müsste dafür zunächst das
       Grundgesetz ändern.
       
       Erfüllt die AfD heute bereits die Voraussetzungen für ein Parteiverbot? 
       
       Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat dies in einem Gutachten vor
       einigen Wochen bejaht. Das Institut stellte dabei vor allem auf eine
       „rassistische national-völkische Ausrichtung“ der AfD ab, die eine
       „geschlossene und homogene Gesellschaft propagiert, in der Menschen unter
       Bezugnahme auf das Kriterium der Kultur in ein ‚Uns‘ und ‚die anderen‘
       unterteilt und hierarchisiert werden“.
       
       Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD-Bundespartei bisher als
       „Verdachtsfall“ eingestuft. Das Verwaltungsgericht Köln hat dies im März
       2022 bestätigt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die AfD hat
       Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster eingelegt, das noch nicht
       entschieden hat. Sollte der Verfassungsschutz die AfD-Bundespartei eines
       Tages als „gesichert extremistische Bestrebung“ einstufen, wäre dies
       gleichbedeutend mit der Aussage, dass er ein Verbot der AfD für möglich
       hält. Denn die Kriterien sind weitgehend identisch.
       
       In einigen Bundesländern wie Thüringen und Brandenburg werden die dortigen
       Landesverbände der AfD oder des AfD-Jugendverbandes Junge Alternative von
       den jeweiligen Landesämtern für Verfassungsschutz bereits als „gesicherte
       extremistische Bestrebung“ eingestuft.
       
       Kann auch ein einzelner AfD-Landesverband verboten werden? 
       
       Laut Gesetz kann das Verbot „auf einen rechtlich oder organisatorisch
       selbstständigen Teil einer Partei beschränkt werden“. Demnach könnte ein
       AfD-Landesverband, der die Voraussetzungen erfüllt, verboten werden,
       während andere Landesverbände, die die Voraussetzungen nicht erfüllen,
       weiterarbeiten könnten.
       
       Welche Lehren lassen sich aus den beiden gescheiterten Verbotsverfahren
       gegen die NPD ziehen? 
       
       Das erste Verbotsverfahren scheiterte 2003, weil zu viele V-Leute in den
       Gremien der NPD saßen. Das Bundesverfassungsgericht verlangt deshalb, dass
       während des Verfahrens in den Bundes- und Landesvorständen der Partei keine
       staatlichen Spitzel sitzen. Beim zweiten Anlauf scheiterte ein NPD-Verbot
       2017 an deren mangelnder Relevanz. Die Politik der NPD sei
       verfassungswidrig, die Partei habe aber nicht das Potenzial, ihre Ziele
       umzusetzen. Für die AfD, die auf dem Weg ist, stimmenstärkste Partei
       Deutschlands zu werden, ist dieses Kriterium irrelevant.
       
       4 Aug 2023
       
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