# taz.de -- Rassismus bei der BVG: #Weil sie diskriminieren
       
       > Zum ersten Mal werden die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wegen
       > Diskriminierung verurteilt. Kontrolleure hatten einen Fahrgast
       > rassistisch beleidigt.
       
 (IMG) Bild: US Opernsänger Jeremy Osborne Mitte Mai in Berlin am U-Bahnhof Klosterstraße
       
       Berlin taz | Es ist ein historisches Urteil, das das Amtsgericht Mitte
       gefällt hat: Zum ersten Mal in ihrer Geschichte wurden die Berliner
       Verkehrsbetriebe (BVG) wegen Diskriminierung eines Fahrgastes verurteilt.
       1.000 Euro Schadensersatz muss die BVG, die immer wieder wegen
       [1][gewalttätigen Kontrolleuren und Security] in die Schlagzeilen gerät,
       dem Schwarzen Jeremy Osborne zahlen. Der Opernsänger hatte 2.000 Euro
       gefordert. Ob die BVG das Urteil akzeptiert oder in Berufung geht, wollte
       der landeseigene Betrieb auf taz-Anfrage nicht mitteilen.
       
       Osborne hatte die BVG verklagt, nachdem er im Oktober 2020 von
       Kontrolleur*innen rassistisch diskriminiert und angegriffen worden war.
       Der 37-Jährige war in der U2 Richtung Alexanderplatz unterwegs, als vier
       Kontrolleur*innen einstiegen und ihn nach seinem Fahrschein fragten.
       Der gebürtige US-Amerikaner hatte zwar ein Ticket, wollte aber zunächst die
       Dienstausweise der zwei Männer und zwei Frauen sehen. „Sie waren in Zivil
       und kamen echt unseriös rüber“, sagt Osborne zur taz.
       
       Als diese ihn daraufhin aufforderten, am Spittelmarkt auszusteigen, kam es
       zum Streit. „Sie haben mich als Schwarzkopf bezeichnet und gesagt, ich
       nutze [2][Black Lives Matter] nur als Ausrede und dass ich mich in
       Deutschland zu benehmen habe.“ Einer der Männer habe ihn dann auf eine
       Metallbank gestoßen, woraufhin er Schrammen an Unterarm und Oberschenkel
       erlitten habe, die er später im Krankenhaus habe behandeln lassen müssen.
       
       „Als die Polizei kam, wurde ich sofort als der Täter behandelt“, sagt
       Osborne. Obwohl er das Opfer war, habe er einen Platzverweis bekommen.
       Angezeigt hat er die Kontrolleur*innen trotzdem.
       
       ## Nicht der erste gewalttätige Vorfall durch Kontrolleure
       
       Die Kontrolleur*innen, die bei einem Subunternehmen, dem
       Sicherheitsdienstleister B.O.S., angestellt waren, gaben ihrerseits an, von
       Osborne beleidigt und provoziert worden zu sein. Einer von ihnen erstattete
       ebenfalls Anzeige. „Er hat behauptet, ich hätte ihn geschlagen. Die
       Videoaufnahmen beweisen jedoch, dass das nicht stimmt“, so Osborne. „Es ist
       eine typische Masche, zu lügen und Gegenanschuldigungen aufzustellen. Das
       passiert bei der BVG regelmäßig.“ Letztlich hätten sie sich jedoch in
       Widersprüchen verfangen.
       
       Laut Berliner Zeitung wurde bereits im April ein Fahrkartenkontrolleur des
       B.O.S. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von acht
       Monaten und zu 2.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt. Er soll den Schwarzen
       US-Amerikaner Abbeý Odunlami am U-Bahnhof Weberwiese nach einem Streit um
       sein Ticket lebensgefährlich verletzt haben. Auf taz-Anfrage will sich das
       Unternehmen nicht zu den Vorwürfen äußern und verweist auf die BVG.
       
       Im Fall von Jeremy Osborne wurden beide Ermittlungsverfahren nach fast
       einem Jahr von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Für den US-Amerikaner
       hatte die Gegenanzeige trotzdem fatale Konsequenzen: „Mein
       Einbürgerungsverfahren wurde verzögert. Ich hatte die Urkunde schon in der
       Hand, kurze Zeit später musste ich sie wegen des laufenden Verfahrens
       wieder zurückgeben“, erzählt er. Erst als er sich einen Anwalt nimmt,
       bekommt er die deutsche Staatsbürgerschaft zurück.
       
       ## LADG kommt nicht zur Anwendung
       
       „In dem Moment dachte ich, nein, das lasse ich mir nicht gefallen“, sagt
       Osborne. Er geht zum Antidiskriminierungsnetzwerk und legt bei der
       Ombudsstelle Beschwerde nach dem [3][Landesantidiskriminierungsgesetz]
       (LADG) ein. Damit können Betroffene in Berlin gegen Diskriminierung durch
       Behörden vorgehen.
       
       Die Ombudstelle setzt sich daraufhin mit der BVG in Verbindung und versucht
       zu schlichten. „Die BVG hat sich daraufhin bei mir entschuldigt. Diese
       Entschuldigung war eine Frechheit, es war eine Nicht-Entschuldigung“, sagt
       Osborne.
       
       Also verklagt er die BVG nach dem LADG. Zunächst jedoch ohne Erfolg. „Laut
       Gericht ist der Beförderungsvertrag zwischen der BVG und Osborne ein
       privatrechtliches Verhältnis“, so die Anwältin Claire Lops zur taz. Ein
       durchaus strittiger Punkt: „Die BVG übernimmt hier die Daseinsfürsorge. Die
       Berliner*innen können sich ja nicht aussuchen, mit welchem
       Verkehrsunternehmen sie fahren, es ist das einzige.“ Auch das
       [4][Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)] kann nicht angewendet werden,
       da der Vorfall länger als zwei Monate her ist.
       
       ## Sozialsenatorin begrüßt das Urteil
       
       Letztlich wird die BVG am 10. Juli wegen Verletzung der
       Persönlichkeitsrechte von Osborne verurteilt. „Es ist ein super Urteil,
       weil das Gericht klargestellt hat, dass das ganz klar rassistisch war“,
       sagt Anwältin Lops nach Bekanntwerden der Entscheidung am Dienstag. Das sei
       nicht unbedingt selbstverständlich. „Diskriminierung ist oft schwer zu
       beweisen und solche Fälle gehen oft anders aus. Da muss schon das N-Wort
       fallen, damit Gerichte das als Rassismus anerkennen.“
       
       Auch Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) freut sich über das Urteil.
       „Ich begrüße, dass das Gericht die rassistische Diskriminierung von Herrn
       Osborne und die daraus resultierende schwerwiegende
       Persönlichkeitsverletzung klar benannt und verurteilt hat“, so Kiziltepe
       zur taz. Die Leiterin der Ombudsstelle, Doris Liebscher, will die BVG nicht
       so leicht aus der Verantwortung entlassen: „Nach unserer Auffassung ist bei
       Fahrkartenkontrollen auch das LADG anwendbar“, so Liebscher zur taz.
       
       Bei der Ombudsstelle sind allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres
       34 Beschwerden über die BVG eingegangen. Im Jahr 2022 waren es 23. Die
       meisten erfolgten aufgrund von Diskriminierung wegen Behinderung (12),
       gefolgt von Rassismus (8), sozialem Status (8), (Alter (7) und Geschlecht
       (3). Mehrfachnennungen sind möglich.
       
       Dass Jeremy Osborne der Erste ist, der mit seiner Klage eine Verurteilung
       der BVG erreicht hat, ist für ihn ein großer Erfolg. „Die BVG macht einen
       auf Multikulti, aber das stimmt nicht.“ Er fordert, dass die
       BVG-Mitarbeiter*innen besser geschult werden. Oder gleich einen kostenlosen
       öffentlichen Nahverkehr, damit es gar nicht erst zu Konflikten kommt. Die
       vier Kontrolleur*innen arbeiten nach eigenen Angaben nicht mehr für die
       BVG.
       
       18 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] /Black-Lives-Matter/!t5320244
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 (DIR) [4] /Zehn-Jahre-Gleichbehandlungsgesetz/!5323345
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marie Frank
       
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