# taz.de -- Die Wahrheit: Teambildung im Stahlbad Bayern
       
       > Vor den Wahlen im weiß-blauen Freistaat gibt es ein Testprogramm für
       > sauberes rot-gelb-grünes Verhalten. Besuch bei einem Polit-Therapeuten.
       
 (IMG) Bild: Die maibaumfeste Einheit macht die Stärke der Bayern aus
       
       Schorsch Huber ist ein Hüne von einem Mann und wird gern geholt, wenn es
       darum geht, den Dorf-Maibaum von Aising mit bloßen Händen in kamintaugliche
       Einzelteile zu zerkleinern. Die Gruppe aus dem Berliner Reichstag unter der
       Leitung von Mentalcoach Detlef Müller passt den Urbayern ab, als dieser
       gerade einen bewegungsunwilligen Zuchtbullen auf den Schultern in den Stall
       trägt.
       
       Drei Schützlinge hat Müller heute mitgebracht in die tiefe bayerische
       Provinz, einen Freidemokraten, eine Grüne und eine Sozialdemokratin, die im
       praktischen Alltagsversuch lernen sollen, einander in schwierigen
       Situationen zu vertrauen. Nun müssen die drei Delegierten den kernigen
       Landmann Huber höflich, aber bestimmt auf allerlei Probleme hinweisen wie
       fehlende Blühstreifen oder den mangelhaften Amphibienschutz auf seiner
       Hofanlage. Wenige Augenblicke und ein paar g’pfefferte Watschen später sind
       die drei und ihr Coach auf der Flucht vor Huber und seinem Hornochsen.
       
       „Ihn zu überzeugen, war gar nicht Sinn der Übung“, raunt uns Erfolgstrainer
       Detlef Müller während des Vollsprints zum rettenden Kleinbus zu. „Bei
       unseren Teambuilding-Events ist immer der Weg das Ziel, wissen Sie.“
       
       Seitdem der studierte Psychologe Müller für die Regierungsparteien als
       vertrauensbildende Maßnahmen Abenteuer-Exkursionen ins ampelhassende Bayern
       anbietet, läuft es in der Hauptstadt neuerdings wie am Schnürchen. „Der
       andauernde Flirt mit der weiß-blauen Gefahr stärkt die Teamfähigkeit und
       verleiht der Allianz ein trotziges Mia-san-mia-Gefühl“, schwadroniert der
       Spin-Doctor.
       
       ## Ungleiches Dreierbündnis
       
       Wie uns Müller berichtet, hat sich das ungleiche Dreierbündnis nach dem
       Gezänk der Anfangszeit dazu verpflichtet, neben dem Kabinett auch alle
       übrigen rot-grün-gelben Volksvertreter zweimal im Jahr zum „Bonding“ ins
       bayerische Stahlbad zu schicken. Mit wahnsinnigem Erfolg. Die neuerdings
       vom einfachen Delegierten bis rauf ins Kanzleramt wie ein Herz und eine
       Seele agierende Spitzentruppe mischt durch ihr geschlossenes Auftreten seit
       Monaten die Bundespolitik auf. „Sie glauben gar nicht, was ein bisschen
       rohe Gewalt und Adrenalin an positiver Gruppendynamik auslösen kann“,
       schwärmt der Mentalist. „Dieser Spirit wirkt natürlich auch auf die
       Wählerinnen und Wähler total sexy.“
       
       Nach kurzer Fahrt kommen wir auf einem Feld am Stadtrand von Rosenheim zum
       Stehen. Als Vorbereitung für den Überraschungsbesuch beim Jahrestreffen der
       108 CSU-Kreisverbände verteilt der PR-Fachmann vorsorglich schon mal Helme,
       Brustpanzer und Gelenkschoner aus Hartplastik. Auf dem Weg ins Bierzelt
       erklärt Müller uns nochmal den Plan. Zur Einlaufmusik von Paul Linckes „Das
       ist die Berliner Luft, Luft, Luft!“ will man sich in der allgemeinen
       Verwirrung bis zur Bühne durchkämpfen und den Lodenhut-Trägern das
       kommunistische Manifest im Gender-Sprech um die Ohren hauen.
       
       „Danach erfolgt die Ankündigung des Sondervermögens für eine
       flächendeckende Förderung des Hochdeutschen. Kurz vor dem Rückzug kommt
       noch die Info, dass alle seit Veranstaltungsbeginn verspeisten Weißwürste
       ausnahmslos vegan waren“, freut sich Müller.
       
       ## Konspirativer Einsatz
       
       Bevor die Pforte zur Hölle geöffnet wird, steckt das Trio nochmal
       konspirativ murmelnd die Köpfe zusammen und macht sich anschließend
       klatschend gegenseitig Mut. Siebzehn Minuten später steht die Festhütte
       hellauf in Flammen. Über dem Veranstaltungsort kreisen Hubschrauber, und
       aus den umliegenden Nachbargemeinden dröhnt das auf- und abschwellende
       Geheul von Sirenen. Unter dem immensen Fahndungsdruck beschließt Müller,
       gemeinsam mit uns über die Staatsgrenze nach Österreich zu flüchten.
       
       Bevor sich die Ampelzelle beim Trachtenumzug im oberpfälzischen Bruck den
       nächsten Kick für ihre Fortschrittskoalition holt, wollen wir in unserem
       Versteck erst mal das neue Top-Ergebnis für die Regierung von Olaf Scholz
       im ARD-Deutschlandtrend abwarten. Falls der bayerische Budenzauber
       irgendwann nachlässt, möchte Müller seinen Aktionsradius auf Thüringen,
       Sachsen und Teile von Mecklenburg-Vorpommern ausweiten.
       
       „Das vorhandene Potenzial reicht da mindestens noch für fünf
       Legislaturperioden!“, frohlockt der Polit-Therapeut. Seine Kursteilnehmer
       jubeln, als im Fernsehen ein Rekordzustimmungswert von 75 Prozent für die
       Ampelregierung bekannt gegeben wird. Um vor der nächsten Bundestagswahl in
       ähnlich schwindelnde Höhen aufzusteigen, kann die unter Friedrich Merz
       schwer kriselnde CDU wohl nur noch auf ein Wunder hoffen. Vielleicht sollte
       sie es beim Quoten-Derwisch Müller mit einem unmoralischen Wechselangebot
       versuchen.
       
       4 Jul 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patric Hemgesberg
       
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