# taz.de -- Rassismus vor deutscher Heim-EM: Zu Gast bei Hatern
       
       > Welches Deutschland wird die Welt nach rassistischen Angriffen auf
       > Moukoko und Ngankam sowie der Pechstein-Rede bei der EM wohl sehen?
       
 (IMG) Bild: Opfer rassistischer Beschimpfungen: Moukoko beim EM-Auftaktspiel gegen Israel
       
       Die Gegenwart ist gruselig. Am Umbau der Gesellschaft arbeiten [1][neben
       Claudia Pechstein], der neuen Testläuferin auf rechtsaußen von CDU-Chef
       Friedrich Merz, die Hater auf Social Media, welche die deutschen
       U21-Fußballnationalspieler Youssoufa Moukoko und Jessic Ngankam wegen
       verschossener Elfmeter am Donnerstagabend mit Rassismus überzogen.
       
       Also besser zurück ins Jahr 2006? Das ist derzeit nicht nur die sportliche
       Vision von Bundestrainer Hansi Flick, der trotz krass wachsender
       Spötterschar nächstes Jahr bei der Heim-EM Euphorie auslösen möchte. So wie
       es das damals ebenfalls schlecht beleumundete Team von Jürgen Klinsmann bei
       der Heim-WM gemacht hat. Zurück ins Jahr 2006 wollen auch diejenigen, die
       die Europameisterschaft 2024 möglichst breit in die deutsche Gesellschaft
       tragen wollen.
       
       Turnierbotschafterin Célia Šašić sagte gerade, es sei wichtig, sich „als
       offener Gastgeber – so wie wir sind“ zu repräsentieren. „Wir dürfen auch
       ruhig ein Stück weit zeigen, wie weltoffen, gastfreundlich, divers und
       kommunikativ wir hier in Deutschland sind.“
       
       Wer fühlte sich nach diesem Satz nicht [2][an die WM 2006 erinnert], als
       Deutschland ein überwiegend gutes Bild abgab, von dem die eigene
       Bevölkerung letztlich noch mehr überrascht schien als die vielen Gäste. Der
       Eindruck „Wir sind ja gar nicht so, wie wir dachten“ machte sich mit einem
       gewissen Stolz breit. In der aktuellen Äußerung von Šašić scheint wiederum
       die Sorge mitzuschwingen, Deutschland könne sich anders zeigen, als man
       gern gesehen werden möchte.
       
       ## Worüber Pechstein schweigt
       
       Es lässt sich kaum ignorieren, dass eine Partei, für die Weltoffenheit und
       Diversität ein Graus ist, derzeit Rekord-Umfragewerte erzielt. Ein Glück,
       dürften sich die EM-Organisatoren denken, finden die Landtagswahlen in
       Brandenburg, Sachsen und Thüringen erst nach dem Turnier statt.
       
       In dieser Lage hilft es den Vertretern des Sports wenig, sich die
       Gesellschaft schönzureden. Gerade jetzt ist die Gelegenheit, offensiv die
       verbindende Kraft des Sports, die Grenzen zwischen Generationen,
       Religionen, Nationalitäten, Klassen und Andersdenkenden aufheben kann,
       voranzustellen und gesellschaftliche Impulse zu setzen.
       
       Mit keiner Silbe wurde diese Kraft [3][beim Impulsreferat der
       Eisschnellläuferin Claudia Pechstein] vergangene Woche beim CDU-Konvent
       erwähnt. Bei aller berechtigten Aufregung beim Pechstein-Auftritt um das
       Sichtbare (Bundespolizeiuniform) und das Hörbare (Ausgrenzung von
       nicht-traditionellen Familien und all denjenigen, die wie abgelehnte
       Asylbewerber aussehen könnten) lohnt es sich, auf das Nicht-Gesagte zu
       achten.
       
       Bislang konnte es sich kein Lobbyist des Sports leisten, in einem
       Grundsatzvortrag dessen Integrationspotential zu verschweigen. Ein
       naheliegendes Beispiel war meist das diverse Erscheinungsbild deutscher
       Auswahlteams. Jetzt wird die Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft
       sogar von einer deutschen Goldmedaillengewinnerin vorangetrieben.
       
       Sie befördert damit ein Klima, in dem es nichts Ungewöhnliches mehr ist,
       wenn deutsche Fußballprofis wie Moukoko und Ngankam, die vom
       Erscheinungsbild auch abgelehnte Asylbewerber sein könnten, am Rande des
       Auftakts der U21-EM mit rassistischen Bemerkungen überschüttet werden.
       
       Es bedarf schon längst einer Debatte über die Werte des Sports, die nicht
       vom Wunschdenken getragen wird, sondern sich mit der Realität befasst. So
       hätte eine Claudia Pechstein, die schon 2016 skandalisierte, dass sie ihrem
       Eindruck nach rechtlich schlechter gestellt sei als Flüchtlinge, niemals
       zur deutschen Fahnenträgerin bei den Olympischen Winterspielen in Peking
       ernannt werden dürfen. Was für ein Armutszeugnis für den deutschen Sport.
       
       Auch zu ihren jüngsten Äußerungen hätte man sich Stellungnahmen aus dem
       Sport gewünscht. EM-Botschafterin Šašić hätte etwa sagen können: „Claudia,
       du darfst ruhig auch ein Stück weit zeigen, wie weltoffen, gastfreundlich,
       divers und kommunikativ wir hier in Deutschland sind.“
       
       23 Jun 2023
       
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