# taz.de -- Verbraucherschutz in Spanien: Mehr Rechte bei Vorerkrankungen
       
       > Wer eine Krebsbehandlung hinter sich hat, muss das in Spanien nicht mehr
       > offenlegen. Nicht alle EU-Länder folgen dieser Empfehlung des
       > EU-Parlaments.
       
 (IMG) Bild: Krebspatientin in Toledo, Spanien
       
       Madrid taz | Wer vom Krebs geheilt ist, muss ab Juni in Spanien die
       Krebserkrankung nicht mehr angeben. Das Recht auf Vergessen setzt Madrid
       per Verbrauchergesetz um. Alle auf der onkologischen Vorgeschichte
       basierenden Klauseln werden in Verträgen für nichtig erklärt.
       
       „Dieses Recht kommt allen Menschen zugute, die ihre Krebsbehandlung fünf
       Jahre vor dem Datum einer Vertragsunterzeichnung abgeschlossen haben, ohne
       dass es zu einem Rückfall kommt“, so Regierungschef Pedro Sánchez kürzlich
       im Treffen mit Betroffenenverbänden. Dies bedeute, „dass die Patienten
       nicht mehr diskriminiert werden, wenn es um den Abschluss eines
       Wohnungskredits oder den Zugang zu Versicherungen geht“.
       
       In Spanien gelten [1][rund 2,2 Millionen Menschen als vom Krebs geheilt].
       Selbst Erwachsene, die als Kind Krebs hatten, mussten das bisher als
       Vorerkrankung angeben. „Das ist ein großer Fortschritt“, sagt Elordi
       García. Die heute 45-Jährige erkrankte vor zehn Jahren an Leukämie. „Als
       ich wieder gesund war und einen Wohnungskredit beantragte, gab mir keine
       Bank die dazugehörende Lebensversicherung, die das Darlehen absichert“,
       erinnert sie sich. Nur eine Bank bewilligte den Kredit „allerdings ohne
       Versicherung und zu einem Zinssatz, der rund 40 Prozent höher war“.
       
       ## Nur einige Länder haben die EU-Empfehlung gefolgt
       
       Spanien setzt damit eine Empfehlung des Europaparlaments von Anfang 2022
       um, nach der alle Mitgliedstaaten bis 2025 das Recht auf Vergessen von
       Krebserkrankungen einführen sollen. Bisher haben dies Frankreich, Belgien,
       die Niederlande, Rumänien sowie Italien und Portugal getan. Die Fristen
       setzt Spanien enger als die anderen EU-Länder. Dort müssen Geheilte zehn
       Jahre auf das Vergessen warten, doppelt so lange wie ab jetzt in Spanien.
       
       Jedes Jahr wird bei 280.000 Menschen in Spanien Krebs diagnostiziert. 50
       Prozent der männlichen Patienten und 60 Prozent der weiblichen werden
       langfristig geheilt. Die bisherige Diskriminierung ist weitreichend, das
       zeigt die Studie „Junge Menschen und Leukämie“ (2022) der von Opernsänger
       Josep Carreras gegründeten Stiftung gegen Leukämie. „8 von 10 Überlebenden
       unter 39 Jahren haben Schwierigkeiten bei Verträgen über Bank- oder
       Versicherungsprodukte“, resümiert Carreras, der mit 40 selbst an Blutkrebs
       erkrankte. „Der gleiche Anteil hat Schwierigkeiten bei
       Fruchtbarkeitsbehandlungen oder Adoptionen“, schreibt er.
       
       Auch auf dem Arbeitsmarkt tun sich Geheilte aller Altersstufen schwer. 21
       Prozent der Erkrankten müssen aufhören zu arbeiten und weitere 14 Prozent
       sehen sich gezwungen, den Job zu wechseln. „Natürlich bist du nicht
       verpflichtet, bei der Arbeitssuche über deine Krankheiten zu reden, aber
       wie erklärst du, dass du mehrere Jahre nicht aktiv warst?“, fragt García.
       „Und selbst bei der in Spanien geltenden periodischen Erneuerung des
       Führerscheins werden ehemalige Krebspatienten diskriminiert“, weiß García
       aus eigener Erfahrung: „Wir müssen alle drei Jahre zum Sehtest und
       psychologischen Eignungstest.“ Der Rest der Bevölkerung muss das bis zum
       Alter von 65 alle zehn, ältere alle fünf Jahre.
       
       Für die Spanische Vereinigung gegen Krebs, dem größten Betroffenenverband,
       bedeutet „das Recht auf Vergessen einen großen Schritt in Richtung sozialer
       Absicherung“. Bei der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs
       schauen sie neidisch. „In Deutschland stehen wir in dieser Frage leider
       erst am Anfang“, erklärt Mathias Freund, Vorsitzender des Kuratoriums der
       Stiftung. Laut deutschem Versicherungsvertragsgesetz müssen Fragen zur
       Gesundheit immer wahrheitsgemäß beantwortet werden. „Vorsichtig geschätzt
       gibt es in Deutschland etwa 400.000 Langzeitüberlebende im Alter von bis zu
       39 Jahren, für die ein Recht auf Vergessen hochrelevant wäre“, sagt Freund.
       
       1 Jun 2023
       
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