# taz.de -- Erdoğan und die säkulare Kultur: Gute Miene zum autoritären Spiel
       
       > Recep Tayyip Erdoğan eröffnet den Neubau des Kunstmuseums Istanbul
       > Modern. Kurz vor der Stichwahl ist der Noch-Präsident auf Stimmenfang.
       
 (IMG) Bild: Präsident Erdogan am 19. Mai im Wahlkampf vor dem Kunstmuseum Istanbul Modern
       
       Bleibt Türkiye, so heißt die Türkei seit Neuem auf Geheiß ihres
       Dauerpotentaten, doch modern? Schwer zu sagen, ob Recep Tayyip Erdoğan
       diese Message senden wollte, als er kürzlich im Kunstmuseum Istanbul Modern
       aus den Händen von Oya Eczacıbaşı ein Bild des Hauses entgegennahm. Seit
       Monaten hatte die türkische Kunstszene gerätselt, wann der Neubau des 2004
       in einer Lagerhalle an der Uferpromenade des Stadtteils Karaköy eröffneten
       Kunstmuseums endlich öffnen würde.
       
       Der langgestreckte, an ein Schiff erinnernder Bau, den der
       Industriellenclan Eczacıbaşı bei dem Architekten Renzo Piano in Auftrag
       gegeben hatte, war fertig, Nachfragen wurden aber ausweichend beantwortet.
       Offenbar scheute die Unternehmerfamilie, die auch die IKSV-Stiftung
       betreibt, die die Istanbul Biennale ausrichtet, die Zeit vor den Wahlen.
       Schließlich öffnete das Haus am 4. Mai still und leise seine Pforten.
       
       Doch so wie schon der Architekt Erol Tabanca sein privates Kunstmuseum
       Odunpazarı in Eskişehir 2019 nur in Erdoğans Anwesenheit eröffnen durfte,
       kamen auch die Eczacıbaşıs in Istanbul nicht um den Staatschef herum.
       Offizieller Anlass für den Auftritt auf dem Terrain der säkularen Kultur,
       die Erdoğan sonst gern mit Hassreden überzieht, war der „Tag der Jugend und
       des Sports“. Dafür hätte es auch das nahe Sportstadion getan.
       
       Doch Erdoğan wollte die Kulisse des kulturellen Leuchtturms für die zweite
       Wahlrunde instrumentalisieren. Eine Kampfansage an die Moderne wurde die
       Präsidentenrede zwar nicht. Doch die gequälten Gesichter von Bülent
       Eczacıbaşı und seiner Frau Oya, der Direktorin des Museums, bei Erdoğans
       Ansprache wirkten wie ein Sinnbild für die Lage der Kunst in der Türkei am
       Vorabend seines mutmaßlichen Siegs: Gute Miene zum autoritären Spiel
       machen.
       
       27 May 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arend
       
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