# taz.de -- „Judenstern“-Äußerung am Rande von Konferenz: OB Palmer provoziert wieder
       
       > Vor Frankfurter Studenten vergleicht er Reaktionen auf eigene
       > Provokationen mit NS-Praktiken. „Sprachvorschriften“ will Tübingens
       > Oberbürgermeister nicht akzeptieren.
       
 (IMG) Bild: Palmer wurde im Januar offiziell für eine dritte Amtszeit als Oberbürgermeister der Universitätsstadt Tübingen vereidigt
       
       Stuttgart dpa Eine verbale Auseinandersetzung von Tübingens
       Oberbürgermeister Boris Palmer mit einer Gruppe vor einer
       Migrationskonferenz in Frankfurt am Main sorgt für Aufsehen. Palmer hatte
       am Freitag vor einem Gebäude der Goethe-Universität zu Art und Weise seiner
       Verwendung des „N-Wortes“ Stellung bezogen. Er wurde daraufhin mit „Nazis
       raus“-Rufen konfrontiert. Daraufhin sagte Palmer zu der Menge: „Das ist
       nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt
       habe, an dem Ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt,
       ist man für Euch ein Nazi. Denkt mal drüber nach.“ Mehrere Medien
       berichteten über den Vorfall.
       
       Palmer bestätigte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, dass die
       Äußerungen so gefallen sind. „Ich habe die Methode der Protestierer, mir
       den Stempel als Nazi und Rassist aufzudrücken, niederzuschreien und
       auszugrenzen, als Vergleich herangezogen“, erklärte Palmer den Kontext aus
       seiner Sicht. Er habe den Protestierern erklärt, dass Nazis die Gräber
       seiner Vorfahren mit Hakenkreuzen beschmiert hätten und ihnen entgegnet,
       dass „ihre Methode der Ächtungen und Ausgrenzung sich nicht vom Judenstern
       unterscheidet“.
       
       Palmer bestätigte der dpa die Verfolgung seiner jüdischen Vorfahren durch
       die Nazis. 2021 hatte er seine Familiengeschichte auf Facebook
       thematisiert: Auf dem jüdischen Friedhof in Königsbach lägen seine Ahnen
       bis ins 18. Jahrhundert. 1937 sei die Familie dann die Flucht in die USA
       gelungen. Sein Vater blieb als „uneheliches Kind einer Nichtjüdin im
       Remstal und wurde in der Schule vom Lehrer Moses genannt, nicht Helmut“.
       
       Hessens Justizminister Roman Poseck (CDU) hielt ein Grußwort bei der
       Konferenz „Migration steuern, Pluralität gestalten. Herausforderungen der
       Einwanderungspolitik in Deutschland“, bei der Palmer über seine Ansicht zur
       nicht mehr gebräuchlichen Verwendung des N-Wortes sprach. „Die Wortwahl und
       die Beiträge von Boris Palmer an der Universität Frankfurt sind
       indiskutabel. Derartige Provokationen leisten Spaltung, Ausgrenzung und
       Rassismus Vorschub. Sie schaden in einer Debatte, die mit Sensibilität und
       Ernsthaftigkeit zu führen ist“, sagte der CDU-Politiker am Samstag in einer
       Pressemitteilung.
       
       ## Präsident der Goethe-Universität fordert Entschuldigung
       
       Auch der Präsident der Goethe-Universität, Enrico Schleiff, zeigte sich
       empört und fordert eine öffentliche Entschuldigung Palmers. „Jede explizite
       oder implizite den Holocaust relativierende Aussage ist vollkommen
       inakzeptabel und wird an und von der Goethe Universität nicht toleriert –
       dies gilt gleichermaßen für die Verwendung rassistischer Begriffe“, sagte
       Schleiff in einer Stellungnahme auf der Universitäts-Website.
       
       In einem Facebook-Post am Samstag erläuterte Palmer, er sage das N-Wort,
       weil er Sprachvorschriften nicht akzeptiere. „Das hoch umstrittene Wort“
       gehöre jedoch nicht zu seinem aktiven Wortschatz. „Ich benutze es nur, wenn
       darüber diskutiert wird, ob man schon ein Rassist ist, wenn man es
       verwendet. Darüber entscheidet für mich der Kontext.“
       
       Palmer hatte im Mai 2021 in einem Facebook-Beitrag über den früheren
       Fußball-Nationalspieler Dennis Aogo, der einen nigerianischen Vater hat,
       das sogenannte N-Wort benutzt. Mit diesem Begriff wird heute eine früher in
       Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze
       umschrieben. Palmers Äußerung hatte massive Kritik auch bei seinen
       damaligen grünen Parteikollegen ausgelöst.
       
       Ein [1][Parteiausschlussverfahren] endete vor einem Jahr mit dem
       Kompromiss, dass Palmer seine Mitgliedschaft bei den Grünen bis Ende dieses
       Jahres ruhen lässt. Im Oktober 2022 war er in Tübingen dann als
       unabhängiger Kandidat angetreten und war im ersten Wahlgang mit absoluter
       Mehrheit – unter anderem gegen die Kandidatin der Grünen – für eine dritte
       Amtszeit wiedergewählt worden.
       
       Palmer ist seit 2007 Oberbürgermeister in der schwäbischen
       Universitätsstadt. Mit pointierten Äußerungen etwa zur Flüchtlingspolitik
       sorgte er immer wieder für Kontroversen und sah sich Rassismusvorwürfen
       ausgesetzt. Bundesweites Aufsehen und Anerkennung brachte aber auch sein
       Management während der Corona-Pandemie. Baden-Württembergs
       Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte kurz nach der
       Wiederwahl Palmers auf eine schnellere Wiederaufnahme Palmers bei den
       Grünen gedrungen.
       
       29 Apr 2023
       
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