# taz.de -- Gewalt in Flüchtlingsunterkünften: Mit Empathie gegen männliche Gewalt
       
       > Das „Gentle“-Projekt will häuslicher Gewalt in Flüchtlingsunterkünften
       > entgegenwirken. Der Fokus liegt dabei auf Täterarbeit und Prävention.
       
 (IMG) Bild: Katja Kipping und Mina Orang hoffen, dass das Gentle Project auch unter Schwarz-Rot fortgesetzt wird
       
       Berlin taz | Mehr als 32.000 Menschen leben in Berlin in
       Flüchtlingsunterkünften. Menschen, die nicht nur auf der Flucht oder im
       Herkunftsland [1][traumatische Erfahrungen] und Gewalt erlebt haben,
       sondern auch in Berlin auf viele Schwierigkeiten treffen: Beengte
       Wohnverhältnisse, Probleme mit den Ämtern und [2][bei der Wohnungssuche],
       Sorge um Angehörige, Diskriminierung und vieles mehr.
       
       Konflikte zwischen den Bewohner*innen, aber auch innerhalb von Familien,
       bleiben da nicht aus. „Wo Menschen auf engem Raum zusammenleben, können
       Aggressionen entstehen“, sagt Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) am
       Montag bei der Vorstellung des „Gentle-Projekts“, das häuslicher Gewalt in
       Flüchtlingsunterkünften entgegenwirken soll.
       
       In den meisten Fällen sind die [3][Aggressoren Männer]. 87 Hausverbote
       wurden im vergangenen Jahr von Flüchtlingsheimen ausgesprochen, also sieben
       bis acht pro Monat. In diesem Jahr waren es bislang 25. Doch nicht immer
       reicht es aus, Opfer und Täter räumlich zu trennen: So gab es im
       vergangenen Jahr in Berliner Flüchtlingsunterkünften zwei Femizide: Ein
       Mann tötete seine Frau in Lichtenberg, in Pankow wurde eine sechsfache
       Mutter von ihrem Ehemann getötet. In letzterem Fall hatte der Täter wegen
       mehrfacher Bedrohungen Hausverbot.
       
       Gebracht hat das nichts. Um Femizide und häusliche Gewalt künftig zu
       verhindern, setzt Kipping auf [4][Prävention]: „Wir brauchen mehr Angebote
       für Väter-Arbeit, für Männer-Arbeit“, sagt die Linke-Politikerin. Damit
       diese „anders als mit Gewalt reagieren“. Um die Bewohner*innen in den
       Sammelunterkünften zu befähigen, Konflikte gewaltfrei zu lösen, startete im
       September 2022 auf Pilotbasis das „Gentle-Projekt“. Vier geschulte
       Berater*innen der International Psychological Organisation (Ipso)
       setzen sich dabei in Gesprächsgruppen mit den Ursachen der Gewalt
       auseinander und zeigen Alternativen auf.
       
       ## Ursachen von Gewalt identifizieren
       
       „Männliche Gewalt muss aufgefangen werden“, sagt der Psychologe Lothar
       Dunkel. Ipso versucht das mit Berater*innen, die dieselbe Sprache sprechen
       und aus demselben Kulturkreis kommen, wie die (potenziellen) Gewalttäter.
       Das soll Vertrauen schaffen und damit die Basis dafür, was Ipso
       „Value-Based-Counceling“ nennt: Auf Grundlage ihrer Werte und erfahrenen
       Wertekonflikten sollen die Teilnehmer die Ursachen von Gewalt
       identifizieren.
       
       „Es geht viel um Vertrauen und kulturelle Sensibilität“, sagt Ahmad
       Chahabi, selbst einst Geflüchteter und heute Berater bei Ipso. Bei Männern
       sei die Schwäche und Hilflosigkeit, die viele Geflüchtete nach ihrer
       Ankunft erfahren, oft schambehaftet und werde mit Gewalt kompensiert. In
       einer geschützen und urteilsfreien Atmosphäre könnten sie lernen, sich zu
       öffnen und mit Konflikt- und Stresssituationen anders umzugehen.
       
       Auch wenn der Fokus des psychosozialen Projekts auf den Männern liegt,
       richtet es sich auch an Frauen. „Männer lernen, ihre tradierten
       Rollenbilder zu hinterfragen. Frauen erfahren, welche Rechte und
       Handlungsmöglichkeiten sie haben“, erklärt Kipping. Im vergangenen halben
       Jahr habe man 176 Personen erreichen können, darunter 91 Frauen und 85
       Männer, davon 34 mit gewalttätigem Verhalten.
       
       Acht Sitzungen in Gruppen mit sechs bis acht Personen umfasst das Programm
       für die Männer, bei Frauen ist es die Hälfte. Bei Bedarf können zusätzlich
       Einzelgespräche in Anspruch genommen werden.
       
       ## Die Zukunft des Projekts ist ungewiss
       
       Die Reaktion auf das Programm sei „unglaublich positiv“ sagt
       Sozialsenatorin Kipping. „Alle waren sehr offen, sich zu ändern und
       dazuzulernen“, sagt auch Projektleiterin Mina Orang. Viele
       Teilnehmer*innen würden das Projekt nicht nur anderen
       Bewohner*innen weiterempfehlen, sondern auch den Wunsch äußern, es in
       den Unterkünften verpflichtend zu machen.
       
       Ob es dazu kommt, hängt vom neuen Senat ab. Für dieses Jahr wird das
       Gentle-Projekt noch mit 125.000 Euro gefördert. In einer schrittweisen
       Ausweitung sollen die bisher angebotenen Sprachen Dari, Farsi und Arabisch
       auf Ukrainisch und Russisch ausgeweitet werden. Die Berater*innen von
       ipso stehen dafür schon in den Startlöchern.
       
       17 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marie Frank
       
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