# taz.de -- Ausbildungsabgabe in Bremen: Handelskammer kündigt Klage an
       
       > Das Ziel der in Bremen geplanten Ausbildungsabgabe: gegen den
       > Fachkräftemangel kämpfen. Ein Gutachter hat erhebliche
       > verfassungsrechtliche Bedenken.
       
 (IMG) Bild: Hier wird bereits geplant, wie man die Ausbildungsumlage verhindern kann: Handelskammer Bremen
       
       Bremen taz | Noch vor der Wahl im Mai soll in der Bremischen Bürgerschaft
       die Ausbildungsumlage beschlossen werden – jedenfalls, wenn es nach dem
       Willen der Regierung geht. [1][Vor gut einem Monat hat der rot-grün-rote
       Senat] eine entsprechende Gesetzesvorlage zum sogenannten
       Landesausbildungsunterstützungsfonds beschlossen. Die zentrale Idee ist:
       Alle Unternehmen, mit wenigen Ausnahmen, sollen eine Abgabe zahlen, die
       ausbildende Betriebe unterstützen.
       
       Die Handelskammer ist politisch dagegen: Das Geld brauche man nicht,
       vielmehr gebildete junge Menschen, die eine Ausbildung machen wollen,
       betont Präses Eduard Dubbers-Albrecht immer wieder. Nun legt die Kammer mit
       einem Gutachten nach und attestiert dem Plan der Regierung
       verfassungsrechtliche Lücken.
       
       Am Dienstag stellte Gutachter Christian Waldhoff seine Arbeit vor. Er ist
       Professor am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Finanzrecht an der
       Humboldt-Uni in Berlin und äußerte „erhebliche verfassungsrechtliche
       Bedenken“. Die Ausbildungsabgabe gelte, anders als Steuern, als eine
       sogenannte Sonderabgabe – die Kriterien dafür seien aber nicht erfüllt, die
       Abgabe damit verfassungswidrig. Ein Kriterium sei, dass die zur Zahlung
       aufgeforderte Gruppe – hier die Unternehmen – auch die
       „Finanzierungsverantwortung“ habe.
       
       „Für das sehr allgemein gehaltene legislative Sachziel einer besseren
       Versorgung mit Fachkräften“ habe sie diese Verantwortung nicht, sagt
       Waldhoff. [2][Der Fachkräftemangel] habe vielfältige gesellschaftliche
       Ursachen, „die nicht im besonderen Verantwortungsbereich der Arbeitgeber
       liegen“. So etwa der demografische Wandel oder die schlechte Lage des
       Schulsektors. Für Ersteres könne niemand etwas, für Letzteres sei das Land
       verantwortlich.
       
       ## Jurist rät von Umsetzung ab
       
       Zudem könne der Gesetzgeber für Sonderabgaben nur „homogene Gruppen“
       auswählen, er dürfe sie auch nicht beliebig verkleinern oder vergrößern.
       Mit den Ausnahmeregelungen für manche Betriebe, etwa für sehr kleine, tue
       er dies aber, sagte Waldhoff. Der Jurist hält es weiterhin für rechtlich
       problematisch, dass die genaue Ausgestaltung der Ausbildungsabgabe noch
       nicht im Gesetz steht, sondern über „den exzessiven Einsatz von
       Rechtsverordnungen“ geregelt werden soll. Das Gesetz deckelt die Höhe der
       Abgabe lediglich auf 0,3 Prozent der Bruttolohnsumme eines Unternehmens.
       
       „Rechtsverordnungen sollen den Gesetzgeber von Detailregelungen entlasten“,
       so Waldhoff. „Das impliziert aber, dass Wesentliches bereits im Gesetz
       geregelt sein muss.“ Auch die Eignung der Abgabe für das formulierte Ziel,
       den Fachkräftemangel zu bekämpfen, hält er für fragwürdig – denn sie würde
       die beiden Hauptursachen für diesen nicht abstellen. Dadurch werde die
       Abgabe im Zweifel nicht gegen andere Grundrechte ankommen, weil sie „nicht
       verhältnismäßig“ sei. Waldhoff rät am Ende „dringend davon ab“, das Gesetz
       so schnell durchzubringen.
       
       Denn dazu kommt ein weiteres Problem: Bremen ist laut Gutachten zwar
       berechtigt, das geplante Gesetz zu beschließen – jedoch nur so lange, bis
       der Bund ein Gesetz verfasst, das einer Regelung auf Landesebene
       widerspricht. Und auf Bundesebene läuft derzeit ein „Gesetzgebungsverfahren
       zur Einführung einer Ausbildungsgarantie“, erklärte Waldhoff, die zu einem
       Ausschluss konkurrierender Landesregelungen führen könne.
       
       Am Mittwoch wolle man in einer Anhörung in der Wirtschaftsdeputation die
       Inhalte des Gutachtens darlegen, sagt Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer
       der Handelskammer. „Unser oberstes Ziel ist, da zu überzeugen, dass es
       nicht sinnvoll ist, das Gesetz jetzt zu beschließen.“ In der kommenden
       Woche werde die Kammer in ihren Gremien zudem „präventiv Beschlüsse fassen,
       sodass wir den Rechtsweg gehen können“.
       
       Sollte die Bürgerschaft das Gesetz dennoch beschließen, werde man also
       klagen. Das darf die Handelskammer: Im Gutachten steht, dass sie vor dem
       Staatsgerichtshof Bremen „eine gerichtliche Prüfung der
       Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes“ veranlassen könne. Und es gebe „mehr als
       gute Gründe, dagegen vorzugehen“, sagt Fonger.
       
       Die Behörde von Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) beeindruckt das
       wenig: „Wir haben die rechtliche Zulässigkeit eines
       Ausbildungsunterstützungsfonds vorab durch ein Gutachten prüfen lassen“,
       schreibt eine Sprecherin der taz. Einen Arbeitsauftrag leite man aus dem
       neuen Gutachten also nicht ab. Und sie erinnert: Über eine konkrete
       Ausgestaltung des Fonds, sollte er denn kommen, könne die Handelskammer als
       Mitglied des dafür zuständigen Verwaltungsrates mitbestimmen.
       
       8 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alina Götz
       
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