# taz.de -- Lage im Donbass: Symbolträchtiger Kampf in Bachmut
       
       > Zehntausende ukrainische und russische Soldaten führen dort ihre bisher
       > blutigste Schlacht. Ihr Ausgang könnte den weiteren Kriegsverlauf
       > entscheiden.
       
 (IMG) Bild: Die „Hölle von Bachmut“, wie es in Berichten heißt, ist im Begriff, Ort der Entscheidung zu werden
       
       taz | Die „Hölle von Bachmut“, wie es in Berichten heißt, ist im Begriff,
       Ort der Entscheidung zu werden. Seit Beginn der Kämpfe um die Frontstadt im
       Donbass vor sieben Monaten wurden Tausende Soldaten auf beiden Seiten
       getötet. Von den einst 70.000 Bewohnern sind höchstens noch 4.000 da. Und
       kein einziges Gebäude scheint mehr bewohnbar zu sein. Noch immer schickt
       die Ukraine frische Einheiten, um den russischen Vormarsch aufzuhalten,
       während Russland scheinbar endlose Mengen an Rekruten, Luftlandetruppen,
       Wagner-Söldnern und Infanterie an die Front wirft und sich Gebäude um
       Gebäude, Feldweg um Feldweg vorkämpft, unter gigantischen Verlusten.
       
       Ausgerechnet der russische Scharfmacher [1][Jewgeni Prigoschin], dessen
       private Wagner-Söldnerarmee die Hauptlast der russischen Offensive trägt,
       dementierte Berichte, dass die Ukraine die Räumung von Bachmut vorbereite.
       Die Ukraine habe Zehntausende Soldaten in Bachmut und „versucht mit aller
       Kraft, die Stadt zu halten“, erklärte er am Mittwoch: „Die Kämpfe werden
       täglich blutiger“.
       
       Vor einem Jahr lag Bachmut rund 25 Kilometer westlich der Kontaktlinie
       zwischen der ukrainischen Armee und den russisch geführten
       Donbass-Separatisten. Im Laufe der Monate rückten russische Einheiten vor,
       monatelang waren kleine Orte umkämpft. „Fleischwolf“ nannte der ukrainische
       Militärslang das, was die russischen Soldaten täglich erlitten, wenn sie in
       großen Angriffswellen ins Mündungsfeuer der ukrainischen Verteidiger
       liefen.
       
       Im Januar nahmen russische Wagner-Kämpfer schließlich die Salzminenstadt
       Soledar ein, was den Impetus für eine deutliche Ausweitung der Angriffe
       gab. Westliche Militärexperten analysieren inzwischen, dass der
       Sturmangriff auf Bachmut der Kern einer seit drei Wochen laufenden
       russischen Großoffensive im Osten der Ukraine sei: westlich von Kreminna
       und Sewerodonezk, bei Awdiiwka westlich von Donezk, bei Vuhledar weiter
       südlich – und in Bachmut, dem heißesten Brennpunkt. Nirgendwo aber seien
       bisher klare Erfolge zu verzeichnen.
       
       Bachmut hat an sich wenig strategischen Wert. Es geht um Symbolik. Wenn
       Russland die Stadt erobert, erringt es seinen ersten klaren Sieg seit der
       Einnahme der Industriestadt Sewerdonezk im Juni 2022 – um den Preis
       mehrerer Toter pro Meter bei zwei Kilometern Geländegewinn im Monat. Wenn
       die Ukraine Bachmut hält, zeigt sie, dass sie auch den massivsten Angriffen
       widerstehen kann – beste Voraussetzung für die geplante Großoffensive gegen
       die russische Besatzung insgesamt.
       
       „Das Hauptziel der Verteidigung besteht darin, den Feind zu ermüden“,
       analysierte am Dienstag der ukrainische Militärstratege Oleksi Arestovych
       die Schlacht um Bachmut. „Solange Russland angreifen kann, kann die Ukraine
       ihre Offensive nicht starten.“
       
       Ukrainischen Angaben zufolge sind die russischen Verluste um Bachmut
       siebenmal so groß wie die ukrainischen, die Fortsetzung des Kampfes lohnt
       sich also. Aus Kyjiw wird aber von Differenzen berichtet, ob Bachmut weiter
       verteidigt werden soll oder ob die Zeit für einen geordneten Rückzug
       gekommen ist. Nur noch eine einzige Straße aus Bachmut ist noch offen, sie
       führt nach Südwesten und liegt bereits unter Beschuss.
       
       Die Autobahn nördlich der Stadt, bislang der wichtigste Versorgungsweg, ist
       seit dem Wochenende nicht mehr passierbar: Die russischen Angreifer
       überquerten die Autobahn und drängten in Bachmuts nördliche Vorstadt
       Jahidne vor. Am Mittwoch bestätigten ukrainische Berichte, die ukrainische
       Armee habe sich aus Jahidne zurückgezogen, um den Häuserkampf am Nordrand
       von Bachmut aufzunehmen.
       
       In der Nacht zum Mittwoch erklärte Ukraines Präsident Wolodimir Selenski,
       die Kämpfe um Bachmut seien die „schwierigsten“ des Krieges. „Unser Militär
       wird natürlich alle Optionen abwägen“, zitierte der [2][US-Fernsehsender
       CNN] einen Präsidentenberater in Kyjiw. „Bislang halten sie die Stadt, aber
       notfalls werden sie sich strategisch zurückziehen. Wir werden nicht alle
       unsere Leute für nichts opfern.“
       
       Ein Debakel wie in [3][Mariupol], wo sich die ukrainischen Verteidiger im
       Mai 2022 einkesseln ließen und am Ende alle starben oder gefangengenommen
       wurden, kann sich Selenski in Bachmut nicht leisten. Ein Rückzug könnte
       sogar von Vorteil sein, glauben manche. „Die Ukraine kann sich auf gut
       ausgebaute Verteidigungsstellungen und auf Höhenzüge wenige Kilometer
       westlich von Bachmut zurückziehen, sodass die Fortsetzung der Angriffe für
       Russland auch weiter schwierig, langwierig und verlustreich wäre“, schreibt
       der deutsche Militäranalyst Nico Lange.
       
       1 Mar 2023
       
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 (DIR) [1] /Wagner-Soeldnertruppe-in-der-Ukraine/!5908629
 (DIR) [2] https://edition.cnn.com/europe/live-news/russia-ukraine-war-news-02-28-23/index.html
 (DIR) [3] /Putins-Krieg-in-der-Ukraine/!5849711
       
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