# taz.de -- Vereinsgründer über Bürger-Solarfabrik: „Anstrengend, aber bereichernd“
       
       > Gerhard Kreutz hat eine baden-württembergische Initiative für eine Zell-
       > und Modulfertigung in Deutschland gegründet. Die Fabrik soll in
       > Bürgerhand sein.
       
 (IMG) Bild: Solarmodule kommen derzeit meist aus China – und bald vielleicht auch wieder aus Deutschland
       
       taz: Herr Kreutz, Ihre Idee klingt verwegen: eine Bürger-[1][Solar]fabrik
       für Deutschland. Ist das wirklich realistisch? 
       
       Gerhard Kreutz: Klar! Wenn 300 Energiegenossenschaften in Deutschland
       jeweils zwei Millionen Euro aufbringen – das entspricht dem Eigenkapital
       einer einzigen, bürgerfinanzierten Windkraftanlage –, dann haben wir 600
       Millionen zusammen. Die Fabrik kostet eine Milliarde. Wir hoffen außerdem
       auf Förderung, doch zu schaffen wäre das auch ohne. Bankkredite möchten wir
       wegen des genossenschaftlichen Ansatzes so sparsam wie möglich in Anspruch
       nehmen.
       
       Was bedeutet „Solarfabrik“ genau? Wollen Sie nur die Module fertigen oder
       auch die Vorprodukte? 
       
       Die Milliarde reicht für die Fertigung der Zellen und anschließend der
       Module. Die Vorstufen, also der Ingot und die Wafer, die werden zumindest
       anfangs noch andernorts gefertigt. [Anm.: Ingots sind die Siliziumbarren,
       aus denen die Siliziumscheiben, die Wafer, gesägt werden, aus denen
       wiederum die Zellen gefertigt werden.]
       
       Die Wafer kommen heute fast vollständig aus China. Die Abhängigkeit
       Deutschlands würde also bestehen bleiben … 
       
       Wir gehen davon aus, dass die europäische Wafer-Fertigung, die es ja in
       bescheidenem Umfang gibt, dann ausgebaut wird, wenn die Weiterverarbeitung
       in Europa in großem Stil stattfindet.
       
       Wie will ein kleiner Verein aus dem Schwäbischen ein solches Projekt
       stemmen? 
       
       Das machen wir natürlich nicht alleine. Wir konnten inzwischen namhafte
       Vertreter aus der Solarwirtschaft gewinnen. Ich wusste, dass das Thema viel
       Strahlkraft hat, aber die Resonanz hat mich dann doch überwältigt. Paul
       Grunow ist mit im Boot, er ist der Gründer von Solon und Q-Cells. Ebenso
       ist Peter Fath dabei, der Gründer von Sunways. Sein Team von der Konstanzer
       Firma RCT projektiert derzeit Photovoltaik-Fabriken mit einer Kapazität von
       72 Gigawatt – unter anderem in den Vereinigten Staaten und in Indien.
       
       Gibt es für Ihr Projekt schon mögliche Standorte? 
       
       Wir denken an alte Kohleregionen, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen. Aber
       auch aus Brandenburg wurde uns schon Interesse signalisiert. Ebenso aus
       Frankfurt an der Oder. Wir brauchen etwa 65 Hektar, um jährlich Zellen und
       Module mit einer Leistung von 5 Gigawatt zu produzieren. Das sind 15
       Millionen Module im Jahr, die von 4.000 Mitarbeitern im Drei- oder
       Vierschichtbetrieb produziert werden können. Wir hoffen auf einen
       Spatenstich 2024 und einen Produktionsbeginn für eine erste
       1-Gigawatt-Linie bereits 2025. Auch die Maschinen, die wir einsetzen,
       sollen aus Deutschland kommen.
       
       Wenn jetzt ein Großinvestor mit hohen Millionenbeträgen winkt, was machen
       Sie dann? 
       
       Der soll in andere Projekte investieren. Wir planen eine Produktion nach
       den Gemeinwohl-Prinzipien und das betrifft natürlich auch die Höhe der
       Gehälter. Unsere Renditen sind auch gesellschaftliche – zum Beispiel werden
       wir Erlöse in Bildung und Infrastruktur wie E-Mobilität auf dem Lande
       stecken.
       
       Andere Firmen klagen über hohe Strompreise, aber diese schrecken Sie nicht? 
       
       Das Gejammer kann ich nicht mehr hören. Die Fossilindustrie bekämpfte
       jahrzehntelang die Erneuerbaren, und nun siedeln sich große Firmen wie
       Intel nur noch dort an, wo erneuerbarer Strom verfügbar ist. Bei
       Produktionskosten inklusive Speicher von 10 bis 12 Cent pro Kilowattstunde
       für Wind und Sonne kann kein Kohle- oder Gaskraftwerk mithalten. Unsere
       Fabrik, deren Anschlussleistung bei 160 Megawatt liegen wird, wird ein
       großes Strom-, Wärme- und Speicherkraftwerk darstellen. Die
       Batteriespeicher von Mitarbeiterfahrzeugen kommen als Ausgleich hinzu. Wir
       werden das eindimensionale, fossile Denken im großen Maßstab entlarven. Ich
       habe den öffentlichen Start des Projekts bewusst auf die Zeit um den
       Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine gelegt, denn fossile
       Energien spielen in dem Krieg eine große Rolle.
       
       Werden Sie also wettbewerbsfähig produzieren können? 
       
       Wir streben eine europaweit vernetzte, große solare Erzeuger- und
       Verbraucher-Gemeinschaft an. Die Energiegenossenschaften und ihre
       Mitglieder werden bei uns kaufen, weil sie in den heimischen Modulen einen
       Mehrwert sehen. Vor allem wollen wir Module für Dach- und Balkonkraftwerke
       der Bürger liefern. Freiflächen-Anlagen, die unsere Bürger-Module
       einsetzen, müssen selbstredend auch mit Bürgerbeteiligung betrieben werden.
       Unser Prinzip ist das Gemeinwohl und das macht die Fabrik so besonders. Das
       soll man übrigens auch am Firmenstandort sehen; wir begreifen den
       Fabrik-Park als Lebensraum, wo Leben und Arbeiten den Stellenwert erhalten,
       der ihnen gebührt.
       
       Und wo sehen Sie persönlich Ihre Rolle im Unternehmen? 
       
       Es war anstrengend, aber bereichernd. Nun kann das Projekt in
       professionelle Hände übergehen, also die Industriepartner um Paul Grunow,
       Energie-Gemeinschaften und engagierte Unterstützer, die wir nach wie vor
       suchen. Ich bin unendlich dankbar für diese Chance der Zukunftsgestaltung
       und werde das Projekt als Initiator, Ideengeber und Botschafter weiter
       begleiten.
       
       9 Mar 2023
       
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