# taz.de -- Erstmals weniger Umsatz mit Ökoessen: Biomarkt schrumpft nach Coronaboom
       
       > Der Bio-Umsatz ist 2022 erstmals gefallen: um 3,5 Prozent. Schuld ist die
       > Inflation. Und dass Restaurants nach der Pandemie wieder öffneten.
       
 (IMG) Bild: Die Deutschen kauften weniger Bio und mehr koventionelle Lebensmittel ein
       
       Berlin taz | Eigentlich wächst die Biolebensmittelbranche in Deutschland
       immer, seit die Umsatzahlen erhoben werden. Doch 2022 sind die
       Öko-Einnahmen erstmals gefallen: um 3,5 Prozent auf 15,3 Milliarden Euro,
       wie der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) am Dienstag zum
       Auftakt der Messe Biofach in Nürnberg mitteilte. Der konventionelle
       Lebensmittelmarkt dagegen wuchs wegen der Inflation.
       
       Nicht nur für die Unternehmen und ihre MitarbeiterInnen, sondern auch für
       die Umwelt ist das Minus bei Bio eine schlechte Nachricht:
       Ökolandwirtschaft ist laut einer [1][Studie] des bundeseigenen
       Thünen-Agrarforschungsinstituts positiv für Artenvielfalt, Wasser und
       Böden.
       
       Doch 2022 kamen gleich zwei Faktoren zusammen, die den Biomarkt belasteten:
       Zum einen war ab Mai die [2][Inflationsrate] bei Lebensmitteln zweistellig.
       Das lag besonders daran, dass Energie vor allem seit Russlands Angriff auf
       die Ukraine vom 24. Februar 2022 teurer geworden war. Energie braucht man,
       um Lebensmittel zu erzeugen und zu transportieren. Um zu sparen, kauften
       viele VerbraucherInnen statt Bio- günstigere konventionelle Ware.
       
       Zum anderen aßen die Menschen wieder weniger zu Hause, weil die Maßnahmen
       zur Bekämpfung der Coronapandemie ausliefen. Restaurants etwa waren wieder
       geöffnet – in der Gastronomie wird traditionell weniger Bio gegessen als zu
       Hause. Laut BÖLW lag der Ökoanteil in Restaurants, Kantinen und Mensen nur
       bei 2 Prozent, im gesamten Lebensmittelmarkt betrug er zum Beispiel 2021
       rund 6,8 Prozent. Für 2022 nannte der Verband noch keinen Marktanteil.
       
       ## 25 Prozent mehr Umsatz als 2019
       
       Weil der Druck so groß war, stellt der BÖLW den Umsatzrückgang im
       vergangenen Jahr als gering dar. Geschäftsführer Peter Röhrig hob besonders
       eines hervor: „Bio kann das Umsatzplus aus der Coronazeit trotz der
       aktuellen, anspruchsvollen Herausforderungen weitgehend halten“, so Röhrig.
       Der Bioumsatz habe 25 Prozent über dem Vor-Corona-Jahr 2019 gelegen.
       
       Dass die gestiegenen Preise eine große Rolle spielten, zeigt auch die
       unterschiedliche Entwicklung je nach Absatzkanal. Der konventionelle
       Lebensmittelhandel (LEH) mit seinen großen Ketten wie Aldi oder Rewe nahm
       laut BÖLW sogar 3,2 Prozent mehr mit Bio ein als 2021. „Insbesondere die
       Discounter lockten die Kunden mit einem vergrößerten Angebot“, so der
       Verband. Zwei Drittel des Biomarktes entfielen auf den LEH.
       
       Ein Minus von 12,3 Prozent dagegen gab es im Naturkostfachhandel, zu dem
       kleine Bioläden und auch Bioketten wie Denns oder Alnatura gehören. Die
       sonstigen Einkaufsstätten, zu denen Hofläden, Online-Handel samt
       Lieferdiensten, Wochenmärkte, Bäckereien, Metzgereien und Reformhäuser
       zählen, büßten sogar 18 Prozent ihres Umsatzes ein.
       
       Das Minus konnte auch nicht dadurch verhindert werden, dass Bio sich nicht
       ganz so stark verteuerte wie konventionelle Lebensmittel. Ein wichtiger
       Verbraucherpreisindex zeigt laut BÖLW für Bio-Frischeprodukte ein Plus von
       6,6 Prozent, bei konventioneller Ware mit 12,1 Prozent fast doppelt so viel
       an. Aber selbst dann waren die meisten Bioprodukte immer noch teurer.
       
       ## Bio-Agrarfläche wuchs 2022
       
       Ob die Umsätze ebenfalls 2023 zurückgehen werden, dazu wollte Röhrig keine
       Prognose abgeben. ÖkonomInnen rechnen damit, dass der [3][Inflationsdruck
       in diesem Jahr abnehmen, die Teuerung aber weiter hoch bleiben] wird. Wenn
       die Bioumsätze dauerhaft fallen, dürften weniger Bauern auf Öko umstellen.
       2022 wuchs die Bio-Agrarfläche noch um 3,7 Prozent auf 1,9 Millionen
       Hektar.
       
       „Die landwirtschaftliche Nutzfläche von Brandenburg und Hessen ist genauso
       groß wie die Bio-Fläche in ganz Deutschland“, rechnete der BÖLW vor. Damit
       seien 11,3 Prozent der Agrarfläche öko. Bereits als sich der Umsatzrückgang
       im vergangenen Jahr andeutete, hatte [4][Bundeslandwirtschaftsminister Cem
       Özdemir] bekräftigt, dass er angesichts der Umweltvorteile des Ökolandbaus
       am Ziel festhalten wolle, den Bioanteil bis 2030 auf 30 Prozent zu erhöhen.
       
       „Gerade in Krisenzeiten wird uns noch einmal stärker bewusst, wie wertvoll
       und wichtig es ist, nachhaltig zu wirtschaften“, sagte der
       Grünen-Politiker. In Reihen des von konventionellen Landwirten dominierten
       Deutschen Bauernverbandes dagegen werden die aktuellen Rückgänge genutzt,
       um das Ausbauziel infrage zu stellen.
       
       ## Alnatura hat für 2023 Neueröffnungen angekündigt
       
       Direkte Folgen des Umsatzminus sind vor allem im Fachhandel zu beobachten.
       „Die Zahl der Ladenschließungen lag deutlich über der der beiden Vorjahre“,
       berichtete die Zeitschrift [5][BioHandel]. Die Händler Superbiomarkt,
       Biomare, Biomammut und Basic hätten jeweils Insolvenz-Schutzschirmverfahren
       in Eigenverwaltung beantragt.
       
       Diese Unternehmen hatten aber schon lange vor der aktuellen Krise immer
       wieder massive Probleme. Die größten Bio-Ketten Denns und Alnatura bauten
       ihr Filialnetz laut BioHandel im Krisenjahr ähnlich stark aus wie in den
       Vorjahren. Anders als andere große Filialisten hat Alnatura auch für 2023
       Neueröffnungen angekündigt.
       
       14 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Studie-zur-Biolandwirtschaft/!5563861
 (DIR) [2] https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Verbraucherpreisindex/_inhalt.html
 (DIR) [3] /87-Prozent-im-Januar/!5914795
 (DIR) [4] /Wir-haben-es-satt-Demo-in-Berlin/!5829933
 (DIR) [5] https://biohandel.de/markt-branche/weniger-laeden-viel-hoffnung
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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